Wie fühlt sich das an?:Schwimmen in der Antarktis

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Trainieren in Eiswürfeln: Lewis Gordon Pugh gehört zu den bekanntesten Langstreckenschwimmern der Welt. Nicht umsonst trägt er den Namen "Eisbär".

Stephan Bernhard

"Ich habe die Kapuze meiner Daunenjacke tief ins Gesicht gezogen und blicke auf die Eisberge vor der Küste. Meine Wangen sind rot vor Kälte und bei jedem Atemzug bildet sich eine kleine Wolke vor meinem Mund. Eine Meile, etwa 1600 Meter, muss ich im Wasser zurücklegen, um einen neuen Rekord im Langstreckenschwimmen in der Antarktis aufzustellen - so lange hat es noch kein Mensch in dem eiskalten Ozean ausgehalten.

Der Brite Lewis Pugh, 39, vor dem Sprung ins Eiswasser. (Foto: Foto: oh)

Ich bin bereit, noch einmal hole ich tief Luft und brülle so laut ich kann, um mich aufzuputschen. Dann reiße ich mir Jacke, Hose und Schuhe vom Leib, bevor ich barfuß und nur mit einer Badehose am Körper über das Eis renne. Das Wasser ist grau und eisige zwei Grad kalt.

Schon beim Eintauchen spüre ich Tausende spitze Nadelstiche auf der Haut. Der Kälteschock verschlägt mir den Atem, ich hyperventiliere und schnappe hektisch nach Luft. Ganz ruhig, sage ich mir und fange an zu schwimmen - immer einen Armzug nach dem anderen.

Meine Haut brennt am ganzen Körper. Fünf Minuten sind geschafft, die Schmerzen sind nicht mehr nur äußerlich; sie wandern nach innen, als ob meine Organe verbrennen würden. Ich kämpfe, um nicht dem Verlangen nachzugeben, mich wie ein Fötus zusammenzurollen.

Nach einer Viertelstunde im Wasser spüre ich meine Finger und Zehen nicht mehr, dann verliere ich das Gefühl in Händen und Füßen, als ob sie nicht mehr da wären. Ich komme dem Ziel näher, das Ufer ist nur noch wenige hundert Meter entfernt. Aber jede Sekunde werden meine Arme schwerer und jeder Schwimmzug kostet mich mehr Willenskraft.

Langsam kriecht die Taubheit meine Arme und Beine hinauf, unterhalb meiner Ellenbogen und der Kniegelenke spüre ich gar nichts mehr. Nach 30 Minuten habe ich es geschafft, auf allen vieren krieche ich aus dem Wasser, während mein Team auf mich zustürzt und mich in eine Decke wickelt. Einige Minuten kann ich nur zähneklappernd daliegen, erst dann schaffe ich es, mich in die Wärme unseres Expeditionsschiffs zu schleppen.

Um meinen Körper an die Kälte zu gewöhnen, habe ich täglich in einer Wanne voller Eiswürfel gebadet - anscheinend die richtige Vorbereitung."

© SZ vom 25.05.2009/bilu - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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