Streit um Werbeanstecker:Pin ab!

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"Enjoy Barcelona": Zwei spanische Architekten haben Anstecker entworfen, die die katalanische Metropole als Stadt der Taschendiebe, Rosenverkäufer und Nutten zeigt. Die Pins sprechen vielen von Billig- und Sauftourismus geplagten Bürgern aus dem Herzen - die lokalen Autoritäten reagieren allergisch.

Javier Cáceres, Madrid

Javier Mariscal, der sich seit den Olympischen Spielen von Barcelona zu Recht als Spaniens berühmtester Grafiker fühlen darf, mag die Welt nicht mehr verstehen. "Der Respekt gegenüber Andersdenkenden war doch immer ein Identitätsmerkmal Barcelonas!", echauffiert sich der Schöpfer von "Coby", dem Olympia-Maskottchen von 1992. Grund seiner Empörung: die allergische Reaktion der lokalen Autoritäten auf Stadtsouvenirs besonderer Art.

Mit Pin-Motiven wie "¿Rosa amigo?", dem Dosenbierdealer, dem Taschendieb oder "La Puti" werfen zwei Architekten einen ironisch-satirischen Blick auf Barcelona. (Foto: oH)

Zwei von der Immobilienkrise gebeutelte Architekten hatten eine Reihe von Ansteckern in Umlauf gebracht, die einen ironisch-satirischen Blick auf die Stadt warfen. Der Titel der Kollektion: "Enjoy Barcelona". Auf den "Pins" waren im Scherenschnitt Aktivitäten dargestellt, die das Stadtbild längst mitprägen und all jenen Bürgern auf die Nerven gehen, die sich vom Massen-, Sauf- und Billigtourismus zunehmend erdrückt fühlen, vor allem in den zentralen Bezirken.

Sinnbildlich dargestellt wurden beispielsweise der ambulante Blumenverkäufer ("¿Rosa amigo?"), der Dosenbierdealer, der Taschendieb, "La Puti" (in etwa: "das Nüttchen"), aber auch Polizisten, die mit dem Knüppel auf am Boden liegende Demonstranten einprügeln. Letzteres war eine Reminiszenz an die Gewaltorgie, die sich die Freunde und Helfer selbst bereiteten, als sie vor ein paar Monaten Sozialprotestler, die sogenannten "Empörten", von der Plaça Catalunya vertreiben sollten. Das "Nüttchen" wiederum ist nicht ohne die öffentliche Erregung denkbar, die aufflammte, als eine gutbürgerliche Zeitung vor ein paar Jahren in großer Aufmachung die Fotos von Zufallsbekanntschaften veröffentlichte, die unter freiem Himmel kopulierten, offenbar gegen Geld.

Zum Politikum wurden die Anstecker jetzt, weil jemandem auffiel, dass sie auch in einer Buchhandlung eines städtischen Museums vertrieben wurden. Das wiederum rief die Stadtoberen von der bürgerlichen CiU-Partei auf den Plan. Es hieß, die Pins würden "unsittliche" Aktivitäten "propagieren" und das Bild Barcelonas entstellen. Kataloniens Innenminister Felip Puig (ebenfalls CiU) allerdings sagte, das Verbot markiere das Ende der "absurden Permissivität" der abgehalfterten linken Stadtregierung. Sie habe in den vergangenen Jahren zum "Wertebruch geführt" sowie dazu, dass Barcelona nun "zur Hauptstadt des Nudisten-Tourismus" geworden sei.

Noch ehe die Frage aufgeworfen war, ob die Pin-Erfinder dann aber nicht bloß den Finger in eine Wunde gelegt haben, war gegen den Lizenzinhaber des Museums-Shops, die angesehene Buchhandels-Kette "La Central", ein Verfahren eröffnet; es drohen Strafen bis hin zum Konzessionsentzug. Vor Schrecken nahm La Central die Pins sogar in Läden aus dem Sortiment, die mit der Stadt nichts zu tun haben.

Derweil klingelt in Barcelona die Kasse. Die Pin-Erfinder berichten, Dutzende Geschäfte hätten Anstecker geordert, um sie neben Darstellungen der Sagrada Familia, Gaudí-Andenken und Postern von Barça-Star Leo Messi als Souvenir zu verkaufen.

© SZ vom 12.09.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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