Sportklettern:Wunderkind im Stress

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Der 19-jährige David Lama versucht in Patagonien die Begehung des Cerro Torre - in der Szene wird Kritik an dem vom Sponsor betriebenen Aufwand laut.

Dominik Prantl

David Lama war noch keine einzige Seillänge an der Granitwand des Cerro Torre geklettert, als klar wurde, dass er es nicht allein mit einem Berg zu tun bekommen würde.

In Österreich zählt Klettern beinahe zum Volkssport: Auch David Lama, der amtierende Europameister im Schwierigkeitskletterm kommt aus der Alpenrepublik. (Foto: Foto: ddp)

Schon Anfang November diskutierte die versammelte Bergsteigerszene auf dem International Mountain Summit in Brixen über Lamas Patagonien-Pläne, die er anschließend in großen Interviews gemeinsam mit Reinhold Messner ausführte. Nun, da Lama im windigen Süden Südamerikas sitzt und eine Schönwetterphase für den nächsten Versuch abwartet, ist die Diskussionsrunde größer geworden. Der Schweizer Kletterer Roger Schäli, der sich zuletzt sechs Wochen lang für eine Tour am Poincenot in Patagonien aufhielt, sagt: "Davids Projekt ist da unten derzeit schon Thema Nummer eins."

Allein die Tatsache, dass der erst 19-jährige Lama trotz relativ geringer Erfahrung an hohen Wänden plant, die sogenannte Kompressorroute am Cerro Torre als erster im Freikletterstil zu begehen und sich damit ein alpingeschichtlich besonders interessantes Projekt ausgesucht hat, lässt aufhorchen.

Schon früh wurde Lama wegen seines Talents zum Wunderkind des Sportkletterns erkoren und "das erste international bekannte Model der Kletterszene" (Der Spiegel). In Österreich besitzt der Tiroler längst Starstatus. Der österreichische Bundespräsident Heinz Fischer übermittelte ihm kürzlich die Wetterprognosen per Satellitentelefon nach Patagonien.

Noch höher als sein eigener Bekanntheitsgrad ist jener des Berges, an dem sich Lama vom Wunderkinder-Level in die Riege der anerkannten Expeditionskletterer aufschwingen könnte. Lange galt der Cerro Torre als "unmöglicher Berg". 1959 kam Toni Egger bei einer Besteigung ums Leben. Sein damaliger Seilpartner Cesare Maestri beharrte auf der Version, er habe mit Egger den Gipfel erreicht.

Verrat am modernen Alpinismus

1970 schließlich trieb Maestri mit einem Kompressor wie ein Rachsüchtiger mehr als 300 Bohrhaken in die glatte Wand des Cerro Torre. Obwohl nicht nur Kletterpuristen Maestris Vernageln des Berges als Verrat an den Idealen des modernen Alpinismus geißeln, werden die Haken auf dem Normalweg heute noch als Aufstiegshilfe benutzt. Lama und sein Seilpartner Daniel Steuerer wollen die Finger davon lassen und die künstlichen Griffe nur zum Sichern verwenden.

Besonderes Raunen in der Bergsteigerwelt erzeugt jedoch der Umstand, dass Lamas Sponsor Red Bull offensichtlich einen enormen Aufwand betreibt, um die Aktion für eine mediale Vermarktung auf die Leinwand zu bringen. So zog etwa der Extremkletterer Alexander Huber eine anfängliche Zusage, an dem Filmprojekt mitzuwirken, zurück.

"Geld spielt offenbar keine Rolle."

Er sagt, er habe von anderen im Nachhinein erfahren, "dass Hubschrauber, Fixseile und Bergführer dabei sind, obwohl ursprünglich von einer selbständigen Begehung im puristischen Alpinstil die Rede war". Die Herangehensweise habe nicht seiner Idee vom Bergsteigen entsprochen. Huber fliegt diese Woche für ein anderes Projekt nach Südamerika und wird sich ein Bild von Lamas Vorhaben machen. "Bislang kann ich eigentlich wenig dazu sagen, weil ich keine Informationen aus erster Hand habe", sagt Huber. Schäli registrierte in Patagonien jedenfalls: "Geld spielt offenbar keine Rolle."

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Von Red Bull wird weder die Höhe des Budgets noch der Zeitplan kommuniziert, dafür der Hinweis: "Es ist noch nicht absehbar, in welche Richtung sich das Projekt entwickelt." Transportflüge mit dem Helikopter habe es keine gegeben und die eingerichteten Fixseile dienten allein dem Filmteam. Die Hauptdarsteller selbst würden auf diese Infrastruktur nicht zurückgreifen. "Mein Partner und ich sind komplett für uns selbst verantwortlich", erklärt Lama.

Grenzen der Kommerzialisierung

Dabei geht es - wie einst bei Maestris Bohrhaken - keineswegs etwa um die ökologische Komponente, sondern um einen rein kletterethischen Aspekt. Wo liegen die Grenzen der Kommerzialisierung bei Begehungen? Inwieweit ist eine Besteigung noch unter realen, sprich höchst riskanten Bedingungen erfolgt, wenn wenige Meter weiter ein Kameramann am Fixseil baumelt? Wer garantiert, dass die Kletterer ihre in solchen Wänden höchst komplizierte Wahl der Kletterlinie tatsächlich ohne fremde Hilfe getroffen haben, wenn unten ortskundige Bergführer warten?

Und letztlich: Ist Lama bereits der selbstbestimmte Vertreter einer neuen Generation oder nur Gehilfe für die Show von Sponsoren? Für Außenstehende mögen solche Fragen albern klingen. Aber für jene, die sich ihr ganzes Leben mit dem Klettern beschäftigen, sind sie so entscheidend wie für Rennradfahrer der Umstand, im Windschatten fahren zu dürfen oder ganz alleine gegen den Wind kämpfen zu müssen.

Red Bull gilt als Schwergewicht

Gleichzeitig sind Bergsportler wiederum extrem vorsichtig, wenn es darum geht, die Projekte der Kollegen zu beurteilen, denn die Welt des Alpinismus ist sehr übersichtlich. Manchmal sitzen die Hauptakteure bei einer Podiumsdiskussion nebeneinander, gerade in Patagonien kreuzen sich die Wege der Bergsteiger des öfteren. Zudem zählt Red Bull zu den Schwergewichten unter den Sponsoren, mit dem man es sich nur ungern verscherzt. Auch Expeditionskletterer Stefan Glowacz steht dort unter Vertrag.

Sogar Glowacz hegt jedoch Zweifel an dem Projekt: "Ich weiß nicht, ob David die Tragweite seiner Entscheidung überblickt hat, wie die Sache in der Szene ankommt." Lama müsse aufpassen, dass die sportliche Leistung "im Dokumentationsstress nicht untergeht". Roger Schäli kritisiert eine generelle Ungeduld: "Immer geht man mit der Brechstange an den Berg." Auch wenn es nicht sein Stil des Bergsteigens sei, so habe er doch Verständnis für Lama: "Ehrlich gesagt, hätte ich in dem Alter auch gerne so eine Chance bekommen. Normal muss man sich drei, vier Jahre in so ein Projekt reinknien."

Kritik von den Älteren

Ob Neid eine Rolle spielt? "Natürlich", sagt Peter Reinthaler, Lamas Manager und externer Mitarbeiter von Red Bull. Dabei legt er Wert auf die Tatsache, dass die Initiative des Projekts alleine von Lama ausging. "Er hätte das auch ohne Sponsor durchgezogen." Reinthaler sei allerdings von Anfang an klar gewesen, dass "von den Älteren Kritik kommen wird".

Lama selbst sieht den Meinungsstreit ohnehin ziemlich lässig: "Kritiker wird es immer geben, egal, was man macht. Was ich bis jetzt aber so mitbekommen habe, wird über mein Projekt hauptsächlich positiv gesprochen." David Lama spielt in mancherlei Hinsicht längst bei den Großen des Gewerbes mit.

© SZ vom 14.01.2010/dog - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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