Ökologisch korrekt leben:Danke, für mich keine Nüsschen

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Bald ist "Weltverbrauchertag". Das sollte eigentlich ein Nichts-verbrauchen-Tag sein. Doch vier Wochen lang fast gar nichts zu verbrauchen - ist das möglich? Ein Selbstversuch.

Alex Rühle

Am Dienstag ist "Weltverbrauchertag". Tolles Wort. Eigentlich geht es bei diesem Tag darum, dass "weltweit Verbraucherorganisationen an grundlegende Verbraucherrechte erinnern", wie es auf der Homepage der deutschen Verbraucherzentrale heißt. Das ist natürlich deren gutes Recht. Leider gerieren sich Verbraucherverbände aber meist wie Menschenrechtsgruppen, die sich um die wahrhaft Geknechteten der Erde kümmern. In Wahrheit stehen sie aber nur mäkelnd am Wegesrand des Boulevards herum und tun so, als gebe es ein Grundrecht auf Brachialkonsum: Brot für die Welt, Scampi für mich. Und macht endlich das Flugbenzin billiger!

Papiertüten sind besser als Plastik. Noch besser sind Jutetaschen - und noch viel besser wären die Hände. Oder gar nichts kaufen. Das wäre das Allerbeste. Eigentlich. (Foto: dpa)

Man könnte den Weltverbrauchertag aber auch mal anders interpretieren, nämlich als den Tag, an dem man sich daran erinnert, dass wir die Welt verbrauchen. Und zwar in einem Tempo, dass sie mit dem kostenlosen Produzieren von genügend Sauerstoff und ähnlichen lebenswichtigen Zutaten längst nicht mehr hinterherkommt. Elf Tonnen Kohlendioxid produziert jeder Deutsche im Jahr. Der weltweite Durchschnitt beträgt vier Tonnen. Wenn die Erde noch ein bisschen halten soll, dürften es nur zwei sein. Ich müsste mich also mit einem Fünftel von dem, was ein Durchschnittsdeutscher so an Kohlendioxid produziert, begnügen.

Also: Was tun gegen den Weltverbrauch? Heizen verschlingt im durchschnittlichen Privathaushalt ein Fünftel der Energie. Heizung abstellen geht im Winter schlecht, wenn man zwei kleine Kinder hat und nicht will, dass nach ein paar Tagen das Jugendamt auf der vereisten Matte steht. Strom macht sieben Prozent, Ökostrom hab ich eh, Ökobirnen auch. Ernährung 15, aber ich versuche ja eh schon, möglichst selten Mangos aus Chile zu kaufen. Autofahren - 14,3 - fällt weg. Aber vielleicht geht ja was beim sogenannten sonstigen Konsum, der mit 25,3 Prozent zu Buche schlägt.

Die 33 Kilo Verpackungsmüll, die jeder pro Jahr produziert, da muss man doch ansetzen können. Wie wär's, ich ernähr mich mal vier Wochen ohne Plastik?

Und so fahre ich am ersten Tag meines Experiments mit der Ökowaschmittelflasche zu einem Laden, in dem es Nachfüllreiniger gibt. Der Verkäufer taxiert kurz die Flasche und sagt: "Die hat keinen Eichstrich, geht nicht." Auf den vertraulich gemurmelten Einwand, es sei doch gerade keiner da, er könne mir gerne auch weniger geben, sagt er im Ton behaglicher Zurechtweisungsbefriedigung: "Das Eichamt verbietet uns, Gefäße ohne Eichstrich abzufüllen, also werden Sie in diese Flasche von mir kein Waschmittel bekommen." Es hat was Erfrischendes, dass man in dieser gemütsberuhigten Stadt München doch noch auf Leute treffen kann, die sich selbstbewusst exaltiert allen Grundregeln der Marktwirtschaft widersetzen. Dann halt nicht, du zwanghafter Schrat.

Die melancholische Variante der umweltschädlichen Regulierungswut erlebe ich am selben Tag im Bioladen. Als ich der Verkäuferin mein Schälchen für die Oliven reiche, sagt sie mit verschleierter Stimme, das sei verboten, es gebe da so Brüsseler Hygienebestimmungen... Ich habe ihr kein grindiges Tontöpfchen gereicht, sondern eine spülmaschinenstrahlende Glasschale. Leider, sagt sie, geht trotzdem nicht. Nur in unseren Plastikschälchen.

Direkt vor dem Besuch im Bioladen habe ich gelesen, dass für die Produktion einer Hundertgrammverpackung 200 Gramm Erdöl verbraucht werden. Als ich mich jetzt zum Laden hin umdrehe, fällt mir erstmals auf, dass hier ja auch fast alles in Plastik verpackt ist. Wäre das Erdöl - der ganze Laden würde in der schwarzen Soße ertrinken. Nix wie weg hier, auf zum Markt.

Prominente Landlust
:Old Madonna has a farm

Immer mehr Promis zieht es weg von der Bühne aufs Land - um zwischen Heuballen und Gemüsebeeten die Rolle des Ökobauern oder Pferdezüchters zu spielen. Eine Galerie prominenter Farmer.

Violetta Simon

Ein Samstagvormittag auf dem Mariahilfplatz, einer dieser Samstage, an denen man weiß, warum es schön ist, in München zu leben. Isarflimmern, alpengefönte Vorfrühlingsluft, alles wirkt so aufgeräumt und glitzerfrisch. Jedes Mal, wenn ich an den Ständen so verschämt wie umständlich meine onkelhaften Tupperwareschachteln oder Tüten rauskrame, kommen anerkennende Kommentare der Leute, die hinter mir anstehen. Der Verkäufer am Olivenstand glaubt mir nicht, als ich sage, dass sie sowas im Bioladen nicht annehmen, wegen der Hygiene. Dem Akzent nach kommt er aus Italien: "Unneglaubelich, wasse immer Vorschrifte mache mit alles."

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Es ist absolut lächerlich, bei der Hofpfisterbrotseide die eineinhalb Gramm Plastik vom Papierbelag zu trennen, wenn man weiß, dass jeden Tag fast eine Million Tonnen Kohlendioxid produziert werden.

Ich mach's trotzdem. Und kann ja, während des Pulens, das dauert nämlich immer elend lang, gleich auch noch den beschämendsten Moment meiner Vierwochenkur beichten: ein Flug nach Berlin, zum Interview mit Isabella Rossellini. Ja, schon gut. Fliegen ist das Letzte. Ging nicht anders, ich musste an einem halben Tag hin und zurück. Als die Stewardess zur Fütterung durch den Gang kam, habe ich Getränk und Nüsschenpackung abgelehnt. So sieht Umweltschutz in Industrienationen aus: 5000 Liter Kerosin verprassen, aber ein Nusstütchen sparen.

In Secondhand-Klamotten zur Premierenfeier

Wer heute noch glaubt, Secondhand sei was für funzelige Mottenstuben, der sollte beim diesjährigen Frühjahrsputz auch mal sein Weltbild auslüften. Meine gesamte Kleidung kommt aus dem Secondhand-Laden, trotzdem seh' ich nicht aus wie ein laufender Kartoffelsack, ich kann auf Tagungen und Empfänge gehen, ohne dass sich ein diskreter Abstand um mich bildet, ja, ich werde oft gefragt, wo denn dieses oder jenes Kleidungsstück herkomme. Und zwar nicht von zwiebeldunstumwehten Zauseln, sondern von fast schon mondän zu nennenden Kolleginnen und Kollegen, die zum Inventar jeder funkelnden Premierenfeier gehören.

Die beste Taktik, um den inneren Schweinehund schachmatt zu setzen, ist eine Mitgliedschaft bei Stattauto. Der Schweinehund argumentiert ja immer aus der Bequemlichkeitsperspektive heraus, och komm, kleine Spritztour, klar, blöd für die Umwelt, aber wenn der Wagen doch eh vor der Tür steht... Bei Stattauto steht das Auto, das man mietet, immer extrem nicht vor der Tür, man muss irgendwohin radeln, um es zu holen. Weshalb man es dann bleiben lässt und stattdessen isaraufwärts radelt, vorbei an all den Menschen, die alleine mit ihrem Schweinehund im Stau stehen und nichts davon mitbekommen, dass jetzt morgens wieder die Amseln singen.

Ansonsten: Geld zu einer Umweltbank tragen. Ist doch Irrsinn, wenn man mit 30 Euro im Ökoladen einkauft, während die 30.000 auf dem Konto von Ihrer Bank in Giftgasproduktionsaktien und Autobahnerweiterungen gesteckt werden. Ökokiste bestellen. Stromanbieter wechseln. Und unbedingt weniger fliegen als diese verlogenen Redakteure.

Was aber meinen Versuch angeht, Müll zu sparen: Es waren am Ende vielleicht 20 Prozent weniger. Trotz Markt, trotz Eichstrichnachfüllflaschen, trotz Bioladen. Trotz aller Anstrengungen: eindeutig zu viel Welt verbraucht.

Die ungekürzte Version des Textes lesen Sie in der Wochenendbeilage der Süddeutschen Zeitung.

© SZ vom 05.03.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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