Luft und Liebe:Flaute im Bett

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Die Deutschen finden Merkel sexier als einen Stringtanga. Das ist wunderbar. Schließlich hängt unsere Zukunft nicht am seidenen Faden einer Unterhose. Oder doch?

Violetta Simon

Herrscht in Ihrem Schlafzimmer auch Flaute? Denken Sie sich nichts, Sie sind in guter Gesellschaft. Ärzte und Wissenschaftler sprechen bereits von einer neuen Volkskrankheit: LSD. Nein, nein, nicht was Sie jetzt denken: Party, Drogenrausch, Exzesse - ganz im Gegenteil. LSD steht für "Low sexual desire", zu Deutsch: null Bock auf Sex.

Nicht immer ist der Anblick eines Bermudadreiecks über Pobacken so reizvoll. (Foto: Foto: iStock-Fotos)

Immer mehr Paaren dient das gemeinsame Bett hauptsächlich als Wohlfühlzone zum Lesen und Rätselraten. Natürlich auch, um darin zu schlafen - und zwar nebeneinander, die Hände immer hübsch auf der Decke. Meist besteht die einzige Überraschung darin, dass der Partner vor dem Einschlafen ausnahmsweise seine Socken ausgezogen hat. Und wenn im Bett ein langgezogenes "Jaaa!" zu hören ist, so nur als Antwort auf die Frage: "Schläfst Du schon?".

Seit langem schon stehen die Zeichen auf Gemütlichkeit statt Eros, gemäß dem Motto: Nur kein Stress, lass uns lieber kuscheln. Diese lustfeindliche Entwicklung hat bereits die ersten Opfer gefordert: Der Stringtanga, bislang unangefochtener Spitzenreiter unter den Dessous, wird gemobbt - von seinen Kolleginnen aus der Schlüpfer-Abteilung! Seine reizvolle Rückseite, die stets mit einem Schnürchen auskam, soll erheblich erweitert werden. Aus drei Fädchen wird wieder ein Dreieck, das - Schreck lass nach - hinten größer ist als vorne.

Her mit den Baumwollschlüpfern!

Uns Frauen lässt diese Entwicklung relativ kalt - nein, wir sind geradezu erleichtert! Endlich können wir die bequemen Baumwollslips - ganz offiziell und ohne schlechtes Gewissen - wieder aus der hintersten Ecke des Wäscheschrankes hervorholen. Mal ehrlich: Ist es nicht wunderbar, wenn Unterwäsche einfach nur ihre eigentliche Aufgabe erfüllt und dabei nicht einzuschnürt, kratzt und zwickt?

Dessous sind ja wirklich was Feines. Doch wer in aller Welt hatte nur die bescheuerte Idee, dass ein String ein fadenscheiniges Gewirr für Bondage-Fetischisten verkörpern muss, dessen Einstiegstelle selbst ehemalige Pfadfinderinnen nur mit GPS-System finden? Wieso muss sich Spitze unter Alltagskleidung in kleinen Beulen abzeichnen und einen vor Jucken in den Wahnsinn treiben?

Hat die Wäsche-Industrie nicht kapiert, dass die Redensart "Wer schön sein will, muss leiden" spätestens seit Schneewittchen nicht mehr wörtlich zu verstehen ist? Und: Warum gilt das nur für uns? Warum lümmeln Männer in den immergleichen bequemen Baumwollslips herum, während sie ihre Frauen am liebsten wie Präsente verschnüren?

Ganz einfach: Männer brauchen was für's Auge. Ihr Gehirn aktiviert sämtliche Belohnungszentren, sobald sie eine attraktive Frau sehen. Sie fühlen sich dann wesentlich besser. Im weiblichen Gehirn geschieht nichts dergleichen. Dafür würden wir uns in bequemer Unterwäsche wesentlich besser fühlen.

Aber nur die Ruhe! Noch hängt die Libido der Bundesrepublik nicht am seidenen Faden eines Stringtangas. Schließlich haben wir noch genügend andere Möglichkeiten, neuen Schwung ins Schlafgemach zu bringen.

Strippen bis zum Umfallen

Es muss doch noch was anderes geben, etwas Unwiderstehliches, etwas, das einfach nur sexy ist - der Inbegriff der Erotik. Aber was? Striptease! Nur, wenn man nicht gerade ein Naturtalent wie Mata Hari ist, wird es schwierig. Es ist gar nicht so einfach, mit dem Ausziehen genau dann fertig zu sein, wenn das Lied aus ist - selbst wenn nur ein Zuschauer anwesend ist.

Wer denkt, man habe bei so einer Ein-Mann-Show nichts zu verlieren, übersieht zwei Faktoren: den Partner und das Selbstwertgefühl. Beide können sehr wohl verloren gehe, denn: Sich in Zeitlupe zu entkleiden, ist ein bisschen wie Fahrrad fahren. Je langsamer man sich bewegt, desto leichter fällt man um. Sicher erntet man dafür so manchen Schenkelklopfer. Doch unter Spaß im Schlafzimmer stellt selbst der Deutsche sich etwas anderes vor.

Was also gilt heutzutage noch als sexy? Den Partner danach zu fragen, macht wenig Sinn. Wie wir bereits in der Kolumne "Eine Chance für die Triebe" erfahren haben, hat der von unseren Bedürfnissen am allerwenigsten Ahnung. Er würde höchstens sagen "Du natürlich!", sich wieder umdrehen und weiterdösen.

Da können wir uns ebenso an Google wenden. Warum eigentlich nicht?

Versuchen wir es zunächst mit etwas Unverfänglichem: "Deutsche finden Merkel sexy" - wow, 115.000 Treffer. "Deutsche finden Intelligenz sexy" - 87.700 Treffer. "Mathe"? Immerhin noch 50.000. "Stringtanga" - gerade mal 20.000. Wow. Die mobbenden Schlüpfer haben wirklich ganze Arbeit geleistet. Nicht mehr lange, und die kleinen Dinger sind vollkommen von der Bildfläche verschwunden.

Wollen wir wirklich in einem Land leben, in dem die Mutter aller Höschen weniger Sexappeal besitzt als seine Bundeskanzlerin? Wir wissen ja, wohin das führt. Die Geburtenrate wird noch mehr absinken, bald wird Deutschland nur noch ein weißer Fleck auf der Landkarte sein.

Vielleicht sollten wir uns das mit der Bequemlichkeit nochmal durch den Kopf gehen lassen. Was sind schon ein paar zwickende Schnürchen, wenn wir damit die Nation vor dem Aussterben bewahren können. Auch wenn´s weh tut: Wir sagen: "Jaaaaa!" zum Höschen ohne Rückseite.

Die Kolumne "Luft und Liebe" erscheint jeden Mittwoch auf sueddeutsche.de. Bookmark: www.sueddeutsche.de/luftundliebe

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