Paris - Die Plakate können Angst machen, und das sollen sie auch. Bilder kranker Haut sind darauf zu sehen, Narben, Flecken, Verbrennungen. "Verführen Ja! Sich zerstören Nein!" prangt in weißer Schrift auf rotem Grund darunter. 6000 der Poster lässt die Stadt Paris gerade in ihren nordöstlichen Arrondissements aufhängen, dort, wo die meisten Menschen schwarzer Hautfarbe leben.
Viele von ihnen glauben offensichtlich nicht an den Slogan der amerikanischen Schwarzen-Bewegung: Black is beautiful. Sie versuchen mit allen Mitteln, den Teint aufzuhellen. Doch viele der Crèmes und Gels, die sie in Boutiquen und auf Straßenmärkten kaufen, sind brandgefährlich. Daher hat Paris eine Aufklärungskampagne gestartet. "Bleichende Produkte können ihre Gesundheit schwer schädigen", warnt sie im Stil der Anti-Raucher-Feldzüge.
Eine helle Haut bei Frauen sei für viele afrikanische Männer ein Schönheitskriterium, sagt Assyta, eine aus dem Tschad stammende junge Frau. Daher bekomme sie zu hören: "Du würdest schöner aussehen, wenn du etwas weißer wärst." So würden immer mehr Frauen gefährliche, verbotene Bleichmittel auftragen, die überall leicht zu bekommen seien. "Die Mädchen fangen mit 13 an, sich heller zu machen", hat Assyta beobachtet. Die Stadt Paris schätzt, dass 20 Prozent der Pariserinnen, die aus Afrika oder der Karibik stammen, Bleicher benutzen. Zwar existieren auch Präparate, die zugelassen und wohl unschädlich sind. Nur: "Es gibt keine Zaubermittel, die ohne Risiko aufhellen", sagt der Hautarzt Antoine Petit.
Besonders beliebt sind Benzolderivate und hormonhaltige Mittel. Sie können Akne, Ekzeme, Verbrennungen, Flecken, und, im wörtlichen Sinne, Dünnhäutigkeit hervorrufen. Zudem drohen Bluthochdruck, Diabetes, psychische Probleme, Augenleiden und sogar Krebserkrankungen. Dennoch schrecken viele nicht davor zurück, ihre Haut zu malträtieren. Verkäufer aus den Einwanderervierteln sagten vor der Justiz aus, Kundinnen würden die Produkte rigoros verlangen. Manche mischten zu Hause Mittel zusammen oder schütteten Chlor in die Lotionen.
Die gefährliche Mode ist schwer zu bekämpfen, weil sie an ein Identitätsproblem rührt. Viele farbige Pariser fühlen sich wegen ihrer Hautfarbe diskriminiert, etwa bei der Suche nach einem Job. Die Frauen erleben zudem in der Werbung, dass Stars wie Beyoncé schon mal heller abgebildet wurden, als sie wirklich sind. Aktivistinnen kritisieren, es gebe viel zu wenig schwarze Models. Das alles fördere die Bereitschaft, sich zu bleichen. Zugleich werde die Behandlung verschwiegen, beklagen Ärzte und Psychologen. Mit dem Tabu will Paris brechen. Die Stadt lässt neben den Plakaten Aufklärungsbroschüren drucken und Videos verbreiten.
So leicht wird sich der fatale Trend jedoch kaum brechen lassen. Der Dermatologe Petit sagt, Bleichen könne zur Sucht werden. Das erinnert an das umgekehrte Phänomen bei Hellhäutigen, die ihre Haut von der Sonne zerstören lassen, um zu bräunen. Ein Leser bringt es auf der Internetseite des Magazins Le Point auf den Punkt: "Die Weißen wollen braun sein und die Schwarzen weiß - endlich hat Dummheit keine Farbe mehr."