Imagewechsel in der Formel 1:Wo sind die Boxenluder hin?

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Leicht bekleidete junge Damen und schnelle Autos: diese Kombination brachte einst der Formel 1 viel Aufmerksamkeit. Doch mittlerweile ist es abseits der Rennstrecke sehr ruhig geworden.

René Hofmann

Donnerstagnachmittag, Hockenheim, Fahrerlager. In drei Tagen findet der Große Preis von Deutschland statt - das größte Autorennen des Jahres. Zwei junge Frauen haben sich für den Anlass herausgeputzt. Es regnet. Unter großen Schirmen stehen sie da, auf hohen Schuhen, in bonbonfarbenen Sommerkleidchen. Sie sehen hübsch aus. Aber kaum einer schaut hin. Die Mechaniker rollen Reifen vorbei. Die Fotografen wollen nicht nass werden. Sie ducken sich unter die Vordächer und warten auf die Fahrer. Die zeigen sich nur kurz. Sie eilen an diesem Tag von Termin zu Termin. Wie Schatten huschen sie vorbei. Irgendwann wird der Regen stärker, und die Frauen gehen.

Schöne Frau auf schnellem Auto - diese Kombination lässt viele Männerherzen höher schlagen. (Foto: ag.dpa)

Die Formel 1: Früher war das eine wilde Veranstaltung. Ein verruchter Rummel, bei dem eher beiläufig auch noch eine Veranstaltung von sportlichem Wert stattfand. Die Rennställe, die die Autos bauten, waren Klitschen. Die Autos fragile Konstruktionen. Die Piloten todesmutige Draufgänger. ,,Die Formel 1 war wie das Jonglieren mit einer Handgranate. Du wusstest nie, ob das Ding los geht'', hat John Surtees einmal gesagt, der Weltmeister von 1964. Dem Italiener Mario Andretti, 1968 Weltmeister, fiel dazu ein: ,,Es war wie vor einer Schlacht. Du fragtest dich bei der ersten Fahrerbesprechung: Wer wird am Ende der Saison alles fehlen?'' Jackie Stewart, 1969, 1971 und 1973 der Schnellste, hat am Ende seiner Karriere die Kollegen gezählt, die in seiner Zeit ihr Leben gelassen hatten. Er kam auf 57. Nach jedem Rennen wurde damals nicht nur der Sieger gefeiert sondern auch das Überleben. Das gab der Ausgelassenheit eine ganz andere Dimension.

Hans Herrmann, in den fünfziger Jahren Mercedes-Werksfahrer, überschlug sich auf der Avus einst spektakulär. Was ihm in dem Moment durch den Kopf schoss? ,,Ich habe den Himmel gesehen. Ich habe das Auto gesehen. Ich habe die Fahrbahn gesehen'', hat Herrmann gesagt, ,,dann habe ich gedacht: Ach Gott, jetzt stirbst du in Berlin. Wo es hier doch so schöne Mädchen gibt.''

Die Mädchen. Sie gehörten dazu, von Anfang an.

Die Draufgänger sehnten sich nach Bewunderung. Und um sie zu bekommen, mussten sie ihre Blicke nicht weit schweifen lassen. Der Rummel an der Rennstrecke war lange miserabel organisiert. Wer ins Fahrerlager wollte, brauchte nicht mehr zu tun, als eine Karte, die irgendwie offiziell aussah, in eine Plastikhülle zu stecken und sie sich an einer Kordel um den Hals zu hängen. Echte Einlasskontrollen gab es nicht. Im Gegenteil. Im Grunde gab es eine permanente Einladung zum Mitfeiern.

Es gibt wilde Geschichten aus jenen Jahren. Mit die wildesten gibt es über James Hunt - auch, weil der Brite die Legenden nicht mehr zerstören kann: Hunt starb 1993 im Alter von 45 Jahren an einem Herzinfarkt. Niki Lauda, der zur gleichen Zeit unterwegs war, erinnert sich: ,,Einmal waren wir nachts auf einer Party, obwohl wir morgens um sieben zur Rennstrecke nach Paul Ricard fliegen mussten. James redete mit einem Mädchen in einem weißen Kleid. Ich sagte, dass wir pünktlich um sieben fliegen müssten. Um Viertel vor sieben kam er, mit diesem Mädchen, dessen Kleid jetzt schwarz war. Er hatte ein plärrendes Radio über der Schulter, war total betrunken und hatte keine Stunde geschlafen.'' Hunt trug einen Spruch auf dem Overall: ,,Sex - Frühstück der Champions.'' Andere sahen das wohl ähnlich, schrieben es sich aber nicht gleich auf die Brust.

Anfang der neunziger Jahre änderten sich die Rahmenbedingungen. Bernie Ecclestone hatte die Rennställe geeint und dem Automobilweltverband das Recht abgetrotzt, die Serie vermarkten zu dürfen. Ecclestone ist ein Ordnungs- fanatiker. Er zog Zäune, ließ Drehkreuze aufstellen und ersann ein ausgeklügeltes Ticket-System. Wer heute an die Rennstrecke will, braucht schon für den Parkplatz einen fälschungssicheren Schein.

Die Zäune und Drehkreuze hielten die Mädchen nicht ab. Aber es kamen andere hinein als früher. Die Live-Übertragungen im Fernsehen ließen die Aufmerksamkeit explodieren - und das nutzten die Teams und ihre Sponsoren aus: Gerne stellten sie ihren Fahrern und ihren Autos Frauen in aufreizenden Kostümen zur Seite. Ein neuer Begriff wurde geboren: Boxenluder. Flavio Briatore, der einst für Benetton Pullover verkaufte und später den Formel-1-Rennstall der Firma führte, hat das simple Prinzip einmal denkbar simpel beschrieben: ,,Die Girls gehören zur Formel 1 wie Benzin.''

Das Beispiel dafür, wie das Prinzip funktionierte, lieferte Katie Price. Die Britin war 19, als 1997 die ersten freizügigen Fotos von ihr in der Boulevardzeitung The Sun erschienen. Kurz darauf wurde sie vom Formel-1-Team des Iren Eddie Jordan engagiert. Jordan wollte seinem Rennstall ein Rock'n'Roll-Image verpassen - und ausbaden musste das Ralf Schumacher: Dem damals noch recht unerfahrenen Rennfahrer wurde Price so zur Seite gestellt, dass ihre üppige Oberweite recht deutlich zu sehen war. Viel mehr brauchte es gar nicht. Zu den Fotos konnte sich jeder selbst eine Geschichte ausdenken. Price war fortan eine feste Boulevard-Größe. Sie war die erste, die den Begriff Boxenluder als Beruf interpretierte.

Ähnliche Karrieren sind heute selten. Die meisten Firmen, die sich inzwischen in der Formel 1 engagieren oder dort werben, pflegen eher ein seriöses Image. Sex gehört schon noch dazu, irgendwie. Ein FKK-Club in Speyer lädt an diesem Wochenende zur Motto-Party ,,Die heiße Nacht der Boxenluder''. Seit die Rennserie auch in islamischen Ländern auftritt, achtet Ecclestone an der Strecke aber darauf, dass es keine mehr übertreibt. Das Haut-Zeigen wird weitgehend professionell verwaltet. Die Grid Girls, die den Fahrern in der Startaufstellung den Platz anweisen, werden von Agenturen gestellt. Beim Debüt-Rennen vor zwei Jahren in Valencia hieß es in der Ausschreibung: ,,Mindestgröße 1,72 m. Keine Tätowierungen, keine Piercings.'' Findet sich kein Sponsor, der auf den Schildern werben mag, die die Frauen halten, fällt der Programmpunkt auch mal aus - so wie beim Saisonhöhepunkt in diesem Jahr in Monaco.

Die Party ist weit nicht mehr so wild, wie sie einst war. Und es tanzen auch nicht mehr ausschließlich die Puppen. Für das Nachtrennen, das in ein paar Wochen in Singapur stattfindet, versprechen die Veranstalter allen Frauen eine besondere Attraktion: Dort werden die Chippendales auftreten, die angeblich besten männlichen Stripper der Welt.

© SZ vom 24.07.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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