Geschmacksache: Das Fischbesteck:Stumpfer Minitortenheber

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Wer mit dem Fischmesser kulturelle Überlegenheit demonstrieren will, muss sich beeilen. Denn das Accessoire hat allmählich ausgedient.

Marten Rolff

Dass Besteck für eine Machtdemonstration gut sein kann, haben wir bei Caterina de'Medici gelernt. Als unterschätzte Prinzessin von Urbino wurde sie im 16.Jahrhundert wegen ihrer märchenhaften Mitgift an den Sohn des französischen Königs verheiratet; in Paris brachte sie dann nicht nur die große Politik unter ihre Kontrolle, sondern führte bei Hofe auch die feine Küche sowie die Gabel ein.

Das Fischmesser gehört zu dem Zubehör, das man in der notorisch überfüllten Küche getrost aussortieren darf. (Foto: iStockphoto.com)

Bis dato hatte Frankreichs Lotteradel mit den Fingern gegessen und in den Speisesaal uriniert - ein Umstand, den der Franzose heute gern verdrängt, wenn er die italienische Küche als bäuerliche kleine Schwester belächelt. Italiener aber lieben die Gabel-Anekdote, weil sie illustriert, wie man einem überheblichen Nachbarn mit vier Eisenzinken kultiviert das Maul stopft.

Inzwischen haben wir uns nicht nur von der höfischen, sondern auch von der bürgerlichen Tischkultur verabschiedet, und ihre zweifelhaften Rudimente sind längst in den Kochshows des Spartenfernsehens zu bestaunen. Bei Vox ( Das perfekte Dinner) ist zwar höchstens noch die Maniküre französisch, dafür deckt dort jede zweite Wasserstoffblondine ihre Bali-Sitzgruppe mit einem Rosenthal-Ensemble ein. Kurzum: Wer heute noch mit ein wenig Tafelschnickschnack glänzen will, der muss sich ernsthaft anstrengen.

Oder gleich zum Fischmesser greifen, einem der wenigen Accessoires, mit denen bei Tisch weiterhin kulturelle Überlegenheit demonstriert wird. Im gehobenen Fischlokal trennt sich die Klientel noch immer scharf in zwei kulinarische Kasten. In Gäste, die sich fragen, wozu der stumpfe Minitortenheber neben ihrem Teller eigentlich gut sein soll. Und in solche, die die Rückenhaut ihrer Dorade Royal im Meersalzmantel versiert mit dem Fischmesser aufschlitzen und das Filet mit chirurgischer Präzision von der Mittelgräte lüpfen. Das triumphante Lächeln, das viele dabei aufsetzen, wird übrigens nur von der Attitüde des Neo-Gourmets übertroffen, der sich gerade angelesen hat, wie man mit einer Hummergabel umgeht.

Tatsächlich gab es eine Zeit, in der die Nutzung des Fischbestecks, (zu dem ja auch die breitere Gabel gehört), durchaus einen Sinn hatte: Weil normale Messer früher mit einer Klinge aus Kohlenstoffstahl hergestellt wurden, beeinträchtigten sie den feinen Geschmack von Zander, Wolfsbarsch oder Seezunge. Fischmesser waren deshalb mindestens versilbert. Heute erklären uns vor allem Designer, dass die konkave Form des Fischmessers für den Soßenauffang unverzichtbar und der perfekt gearbeitete Schieberabsatz besonders sensibel bei Gräten ist.

In der Regel versuchen sie damit aber nur zu rechtfertigen, warum ihre neueste Kreation anmutet wie ein Schuhlöffel von Ed Hardy und 300 Euro kosten muss. In Wirklichkeit erledigt der Rücken jedes Edelstahlmessers denselben Job, zumal in Zeiten, in denen gefühlte 95 Prozent aller Fischgerichte unsere Teller als Filet oder gleich als Schäumchen oder Essenz erreichen.

Das Fischmesser gehört also zu dem Zubehör, das man in der notorisch überfüllten Küche getrost aussortieren darf. Im Lokal aber ignorieren wir künftig die Show des Snobs am Nebentisch - und greifen beim Filetieren souverän zur zweiten Gabel, wie es uns auch Caterina de'Medici empfohlen hätte.

© SZ vom 21.01.2011/schi - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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