Familientrio:Kalte Schulter für den Wochenend-Papa

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Leider nur am Wochenende möglich: Vater und Sohn. (Foto: iStockphoto/steve debenport)

Was kann man tun, wenn der Vierjährige am Wochenende kühl auf seinen Vater reagiert, der unter der Woche in einer anderen Stadt arbeitet? Drei Experten antworten.

Leserin Claudia H. aus München fragt: Mein Mann arbeitet seit zwei Jahren in einer anderen Stadt. Wenn er nach Hause kommt, ist unsere Tochter, 7, außer sich vor Freude, unser Sohn, 4, zeigt ihm hingegen oft die kalte Schulter. Mein Mann ist ein engagierter Vater und ungern von uns getrennt, aber es war anders nicht möglich. Was können wir tun, damit unser Sohn mit seiner Abwesenheit besser zurechtkommt?

Kirsten Boie: Natürlich hat Ihre ältere Tochter ein viel engeres Verhältnis zu Ihrem Vater aufbauen können. Ihr Sohn hat ihn dagegen nur zwei Jahre lang als täglichen Papa kennengelernt. Für ihn ist die Rolle dieses Mannes vermutlich unklar: Zwei Tage die Woche ist er da - nur um dann wieder zu verschwinden. Um von diesem regelmäßigen Verrat eines Menschen, der doch zunächst immer Liebe signalisiert, nicht jedes Mal wieder neu verletzt zu werden, muss Ihr Sohn sich wahrscheinlich schützen.

Ihre Tochter versteht die berufliche Notwendigkeit der Abwesenheit Ihres Mannes vermutlich schon, Ihr Sohn mit seinen vier Jahren eben noch nicht. "Papa muss arbeiten" ist für einen Vierjährigen in seiner Bedeutung nicht wirklich klar. Warum kann Papa nicht damit aufhören, wenn er mich wirklich lieb hat? Für mich klingt es so, als ob Sie und Ihr Mann schon alles tun, um es für ihn einfacher zu machen, und Patentlösungen fallen mir nicht ein. Vielleicht würde zunächst mal tägliches Skypen helfen? Um zu zeigen: Auch während der Woche ist der Papa wenigstens digital da und möchte hören, was los war.

Kirsten Boie (Foto: Christian Charisius/dpa)

Kirsten Boie ist Schriftstellerin und Autorin von mehr als hundert Kinder- und Jugendbüchern, darunter die allseits bekannten und geliebten Geschichten "aus dem Möwenweg" oder die Abenteuer des kleinen "Ritter Trenk".

Jesper Juul: Als mein Sohn drei Jahre alt war, befand ich mich in einer ähnlichen Arbeitssituation. Seine Reaktion: Er ließ sich nicht mehr von mir zu Bett bringen. Ein paar Wochen lang musste ich darauf bestehen (und seine Mutter bitten, sich nicht einzumischen) und litt, weil er mir nicht einmal sagte, welches Buch ich ihm vorlesen sollte. Nach einer Weile öffnete er sich und akzeptierte mich wieder.

Genau das wäre auch hier mein Vorschlag: Reden und Erklärungen werden nicht helfen, weil Ihr Sohn bereits alle Gründe kennt, warum er leiden muss. In dieser Situation werden Sie alle Zeit und Bemühungen brauchen, um damit umgehen zu können. Aber überlassen Sie die Bewältigung dieses Problems nicht nur Ihrem Sohn!

Jesper Juul ist Familientherapeut in Dänemark und Autor zahlreicher internatio- naler Bestseller zum Thema Erziehung und Familie.

Katia Saalfrank: An den Reaktionen Ihrer Kinder können Sie sehen, wie emotional unterschiedlich Menschen auf dieselbe Situation reagieren: Ihre Tochter kooperiert vermutlich mit Ihrem Wunsch, es als Familie am Wochenende so harmonisch wie möglich miteinander zu haben. Die Trauer Ihres Sohnes und das Sehnen unter der Woche nach dem Vater scheint sich hingegen am Wochenende in Ablehnung zu wandeln.

Vermutlich ist es ein Mix aus Trauer, Schmerz, Wut und dem Gefühl, nicht wertvoll für den Vater zu sein. Dies führt dazu, dass er sich so abweisend verhalten muss. Versuchen Sie nicht, Ihrem Sohn diese Gefühle auszureden. Vermeiden Sie auch, auf der Vernunftebene zu argumentieren - denn das Gefühl bleibt ja.

Was Ihr Sohn braucht, ist ein Vater, der unbedingt an seiner Seite ist, ihn versteht, Zeit mit ihm verbringt, ihn auf den Arm nimmt, mit ihm spielt und ihm sagt, dass er ihn in seiner Trauer versteht und es ihm ähnlich geht. Solche Worte können Wunder bewirken, wenn sie authentisch sind. Denn Kinder merken sofort, wenn Eltern etwas sagen, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Und: Vielleicht können Sie die "kalte Schulter" in diesem Sinne eher als eine Art Liebeserklärung sehen?

Katja Saalfrank (Foto: picture alliance / dpa)

Katia Saalfrank ist Pädagogin, Musik- therapeutin und wurde als Fachberaterin in der Sendung "Die Super Nanny" bekannt. Heute arbeitet sie in ihrer eigenen Praxis in der Eltern- und Familienberatung.

© SZ vom 26.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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