Familienpolitik:Die Zahl der anonymen Geburten sinkt

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Insgesamt 16 000 Beratungsgespräche wurden bis 2016 geführt, in elf Prozent ging es um Fragen der vertraulichen Geburt. (Foto: dpa)
  • 1300 Schwangere in besonderen Notlagen haben Beratungsstellen in Deutschland zwischen 2014 und 2016 über die Möglichkeit einer vertraulichen Geburt informiert.
  • Neben dem Hilfetelefon Schwangere in Not und Online-Angeboten stehen seit 2014 rund um die Uhr Beraterinnen in 18 Sprachen zur Verfügung.
  • 19 Prozent der beratenen Frauen haben sich für eine vertrauliche Geburt entschieden.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Es kann passieren, dass sie mitten in der Nacht anrufen oder um fünf Uhr morgens. Und fast immer sind die Anruferinnen in höchster Not. Manchmal haben die Wehen schon eingesetzt, aber das Kind, das da kommt, darf keiner sehen. Weil die Kindsmutter selbst noch ein halbes Kind ist. Weil sie versteckt oder bis zum Schluss verdrängt hat, dass sie schwanger ist. Weil der Ehemann mit Gewalt droht, wenn noch mehr Babys kommen. Oder weil niemand erfahren soll, dass eine Frau nach einer Vergewaltigung ein Kind erwartet oder es für eine Abtreibung zu spät ist.

1300 Schwangere in besonderen Notlagen haben Beratungsstellen in Deutschland zwischen 2014 und 2016 über die Möglichkeit einer vertraulichen Geburt informiert. 345 Frauen haben sich dafür entschieden, ihr Kind trotz aller Nöte zu gebären und den Behörden zu überlassen, mit einem Hinweis auf seine Herkunft. Die Zahl anonymer Geburten ist um etwa 40 Prozent gesunken.

Drei Jahre, nachdem das "Gesetz zum Ausbau der Hilfen und zur Regelung der vertraulichen Geburt" in Kraft getreten ist, hat Bundesfamilienministerin Katarina Barley (SPD) am Mittwoch eine positive Bilanz gezogen. "Ich freue mich, dass der stark forcierte Ausbau der Hilfen den Frauen geholfen hat", sagte sie in Berlin. Mit dem Gesetz wurde 2014 das Hilfesystem für Schwangere in Not ausgebaut.

Ziel war es, Frauen aus aussichtslos erscheinenden Situationen zu befreien und die Zahl der Fälle zu verringern, bei denen Babys heimlich ausgesetzt, anonym in der Babyklappe abgelegt oder womöglich sogar getötet werden. Neben dem Hilfetelefon Schwangere in Not und Online-Angeboten stehen seit 2014 rund um die Uhr Beraterinnen in 18 Sprachen zur Verfügung. Insgesamt 16 000 Beratungsgespräche wurden bis 2016 geführt, in elf Prozent ging es um Fragen der vertraulichen Geburt.

Eine Lösung "im Sinne des Kindes"

Bei solchen anonymen Beratungsgesprächen gelingt es nicht selten, Schwangere zu überzeugen, auf eine anonyme Geburt zu verzichten. Sie ist in Deutschland in Ausnahmefällen möglich, findet aber in einer rechtlichen Grauzone statt. Die Mutter gibt dabei keine persönlichen Daten preis.

Bei der gesetzlich geregelten vertraulichen Geburt hingegen werden Daten der Mutter oder der Eltern bei den Behörden hinterlegt, auch wenn sie vorerst anonym bleiben wollen. Ist das Kind 16 Jahre alt, kann es erfahren, woher es stammt. "Wir wissen aus der Forschung, dass ein existenzielles Interesse besteht, die eigene Herkunft zu kennen", sagte Barley. Mit Blick auf das Kindeswohl sei die vertrauliche Geburt der anonymen vorzuziehen.

Zwischen den Jahren 2014 und 2016 haben sich nach Angaben des Bundesfamilienministeriums 19 Prozent der beratenen Frauen für eine vertrauliche Geburt entschieden. Weitere 15 Prozent stimmten einer regulären Adoption zu. 26 Prozent der beratenen Schwangeren entschieden sich am Ende für ein Leben mit ihrem Kind. Lediglich vier Prozent wählten den Weg einer anonymen Geburt oder legten ihr Kind in eine Babyklappe.

Knapp acht Prozent entschieden sich für eine Abtreibung. Und etwa jede fünfte Frau brach den Kontakt mit den Beraterinnen ab. Was aus diesen Frauen und ihren Kindern wurde, ist unbekannt. Insgesamt, so die Bundesfamilienministerin, hätten sich etwa 60 Prozent der Frauen für eine Lösung "im Sinne des Kindes entschieden". Wichtig bleibe es aber, Schwangere in Not "so früh wie möglich" zu erreichen.

© SZ vom 13.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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