Dating-Plattform für Singles mit Kinderwunsch:"Familienplanung ist ein großes Tabu"

Lesezeit: 4 min

Familienplanung? Am Anfang einer Beziehung selten ein Thema. (Foto: doris oberfrank-list - Fotolia)

Viele suchen im Internet nicht nur nach schnellem Sex, sondern nach der Liebe fürs Leben. Doch über das Thema Familiengründung wird geschwiegen - obwohl es gerade hier keinen Raum für Kompromisse gibt. Emmanuel Limal hat nun eine Datingseite für Singles mit Kinderwunsch gestartet. Ein Gespräch.

Von Lena Jakat

Emmanuel Limal, Schauspieler in Kopenhagen, ist ein Familienmensch. Leider fehlte ihm lange Zeit die passende Frau, um seinen Kinderwunsch zu erfüllen. Die erfolgsorientierte Selbstdarstellung auf Online-Dating-Seiten frustrierte ihn - so sehr, dass er selbst ein Kennenlernportal gründete. Für Singles mit Kinderwunsch. In den ersten zwei Monaten haben sich bereits 2500 Menschen bei babyklar.nu angemeldet. Ein Gespräch über Familienplanung und das große Missverständnis zwischen Frauen und Männern.

Süddeutsche.de: Herr Limal, wenn ich mich bei Ihrem Dating-Portal anmelden will, muss ich Kinder wollen?

Emmanuel Limal: Ja, das ist die Idee: Sie müssen nach Liebe suchen und Sie müssen Kinder wollen. Wie viele - eins, zwei oder zwanzig -, ist völlig egal. Aber Familie muss Ihnen wichtig sein.

Warum braucht es für Menschen mit Kinderwunsch eine eigene Dating-Plattform?

Ich habe selbst Erfahrungen mit Online-Dating gemacht. Bei den großen Seiten tendieren die Menschen dazu, dass sie sich möglichst viele Optionen offenhalten wollen. Sie wollen mit den verschiedensten Leuten in Kontakt kommen. Deswegen präsentieren sie sich selbst als möglichst spannende Person.

Wie meinen Sie das?

Laut ihren Profilen machen all diese Leute sehr viel, sie reisen ständig, sie arbeiten hart, haben viele interessante Hobbys. Das muss nicht stimmen, aber so stellen sich die meisten dar, so ähnlich wie bei Facebook. Keiner traut sich hinzuschreiben: "Was ich eigentlich möchte, ist ein netter Partner und eine Familie." Familienplanung ist ein großes Tabu.

Warum? Haben Singles Angst, ein Kinderwunsch könnte mögliche Partner verschrecken?

Genau. Sie fürchten, langweilig zu klingen. Statt zu beschreiben, was sie wirklich wollen, schreiben sie deswegen, was sie glauben, dass andere Leute gut finden. Die Konsequenz: Es ist unglaublich schwierig, herauszufinden, für wen Kinder tatsächlich gerade in Frage kommen. Selbst wenn bei den Profilen mancher Seiten ein "Ja, ich wünsche mir Kinder"-Kästchen angehakt ist, schreiben die Menschen daneben so viel über den Rest ihres Lebensentwurfs, dass man sich fragt, was ihnen nun wirklich wichtig ist.

Viele Frauen glauben, Männer hätten Bindungsangst, und viele Männer glauben, emanzipierte, moderne Frauen wollen ihre Unabhängigkeit bewahren. Ist das also nur ein großes Missverständnis?

Auf jeden Fall. Vielleicht haben manche Frauen schon schlechte Erfahrungen mit Männern gemacht, die angesichts eines Kinderwunschs davonlaufen. Aber davon sollten sie sich nicht einschüchtern lassen. Im Gegenteil, sie sollten froh sein, dass er weg ist und nach einem Mann suchen, der auch Familie will. Der wird auch der bessere Vater sein. Und davon gibt es sehr viele. Die Hälfte der Mitglieder auf unserer Seite sind Männer.

Sie sind Vater einer sechsjährigen Tochter und hätten gern noch weitere Kinder. Familie scheint Ihnen sehr wichtig zu sein?

Ich bin in Fontainebleau bei Paris aufgewachsen, in einer religiösen Familie. Religion spielt für mich heute keine Rolle mehr - aber die Erfahrung, in einer Großfamilie aufzuwachsen, war toll. Mein Vater hat zehn Geschwister, bei Familientreffen waren wir oft sechzig Leute. Das ist wunderbar. Und ich habe Kinder schon immer sehr gemocht. Für mich ist der Wunsch nach Familie ein sehr natürliches Bedürfnis.

Als Sie selbst auf Online-Dating-Seiten unterwegs waren, haben Sie Ihren Wunsch nach Familie von Anfang an deutlich gemacht?

Ja, ich war von Anfang an ehrlich und habe gesagt: Wenn du gerade an einem Punkt in deinem Leben bist, an dem du keine Kinder willst, dir nicht vorstellen kannst, Familie zu haben, macht es für mich keinen Sinn, dich zu treffen.

Emmanuel Limal, Gründer von babyklar.nu. (Foto: Hanne Fulgbjerg)

Wie haben die Frauen reagiert?

Manche Frauen haben sich bei mir gemeldet, die schon Kinder hatten - weil sie wussten, dass ich dafür offen bin. Sie wollten dann aber oft keine weiteren. Andere haben erst angefangen, darüber nachzudenken, was sie selbst wollen, als ihnen bewusst wurde, wie wichtig mir das Thema ist. Die meisten haben sich dann zurückgezogen. Das war sehr schwierig.

Und deswegen haben Sie dann babyklar.nu gestartet?

Eines Tages habe ich das Profil einer Frau gelesen, die schrieb: "Ich weiß, das sagt man hier eigentlich nicht, aber ich hätte wirklich gern eine Familie." Das hat mich echt erschreckt. Wo sind wir denn, dass man sich für den Wunsch nach Kindern entschuldigen muss? Also habe ich mir gesagt: Ich muss irgendwo einen Raum schaffen, wo Menschen laut sagen können, was sie wollen.

Sie wollen den dänischen Singles also helfen, ehrlich zu sein?

Ja, das ist mein Ziel. Und viele Nutzer haben mir geschrieben, dass es guttue, endlich offen sein zu können, zu wissen, dass man unter Gleichgesinnten ist. Ich erhalte auch Rückmeldungen aus dem Ausland, Menschen fragen: Wann expandiert ihr nach Frankreich, nach Italien, nach Island? Das Bedürfnis scheint in unserer modernen Zeit groß zu sein. Wir alle verbringen oft sehr viel Zeit mit der Ausbildung. Wenn man in der Uni noch nicht den Richtigen oder die Richtige kennengelernt hat, später im Fitnessstudio und in der Arbeit niemanden trifft, wenn dann die Freunde auch alle schon vergeben sind, bleibt man oft hängen - als Single. Und sucht online. Und bei babyklar.nu ist es ein großer Vorteil, dass in einer wichtigen Sache von Anfang an Einigkeit besteht.

Wer sich in der analogen Welt kennenlernt, redet aber am Anfang oft auch nicht sofort über Familienplanung.

Und das ist ein Problem. Paare kommen zusammen, führen jahrelang eine Beziehung und sprechen nie darüber. Dann sagt einer von beiden, oft ist es die Frau: Hey, jetzt werden wir erwachsen, sollen wir nicht mal mit dem Kinderkriegen anfangen? Und allzu oft sagt dann der andere: Darüber haben wir doch noch nie geredet. Ich habe eigentlich keine Lust auf Familie.

Das ist dann ein ernsthaftes Problem, den in dieser Frage sind keine Kompromisse möglich. Sie können nicht ein halbes oder ein dreiviertel Kind kriegen, entweder ganz oder gar nicht. Das ist eine Lebensentscheidung.

Haben Sie inzwischen eine Frau gefunden, die mit Ihnen diese Entscheidung treffen will?

Ja, ich glaube, wir sind auf einem guten Weg.

Sind Sie einander online oder offline begegnet?

Ich habe meine Freundin durch einen gemeinsamen Freund getroffen - er sagte: Sie sucht online, du auch. Vielleicht solltet ihr euch mal treffen? Es war also eine Mischung aus beiden Welten.

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