Das Geheimnis einer guten Beziehung:Projekt "Perfekte Partnerschaft"

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In einer erfolgreichen Beziehung: Julie Delpy und Ethan Hawke als Celine und Jesse im Film "Before Midnight", dem dritten Teil der sich über 18 Jahre entwickelnden romantischen Beziehungs-Trilogie von Richard Linklater. (Foto: imago/Unimedia Images)

Eine gute Ehe fällt einem nicht in den Schoß, sie ist das Ergebnis verdammt harter Arbeit. Das zumindest ist der Eindruck, den manche Paare vermitteln, wenn sie über das Geheimnis ihrer Partnerschaft sprechen. Kann ein Zehn-Punkte-Plan wirklich eine Ehe retten?

Von Violetta Simon

Sich verlieben und heiraten, das schafft man noch irgendwie. Aber wie bleibt man verheiratet, und zwar glücklich? Experten raten zu Beziehungsarbeit, von Anfang an - nicht erst, wenn es zu spät ist. Klingt nicht sehr romantisch. Eher anstrengend.

Wenn manche Paare über das Erfolgsrezept ihrer Beziehung sprechen, fallen schon mal Begriffe wie "Energie", "Vereinbarung" oder "Investition". Scheint, als würde die Partnerschaft immer mehr zum Projekt, genau wie die Karriere, der Hausbau und die Erziehung der Kinder. Wo bleibt da der Kuschelfaktor, die Leidenschaft?

Diese Belohnung erntet offenbar erst, wer seine Hausaufgaben gemacht hat: In einem Essay für die Huffington Post beschrieb der Autor Victor M. Parachin kürzlich das Geheimnis einer perfekten Partnerschaft. Der Text liest sich etwa so schmusig wie der Businessplan eines mittelständischen Unternehmens.

Parachin, der als Pfarrer in Kalifornien lebt und zahlreiche Lebenshilfebücher verfasst hat, sieht die wichtigste Vorausssetzung erfolgreicher Paare in der Bereitschaft, der Beziehung "höchste Priorität" einzuräumen - und ihr "keinerlei Entgleisung zu gestatten". Um zu gewährleisten, dass die Liebe auch immer brav in der Spur bleibt, hat der Autor eine Liste mit goldenen Regeln formuliert, die seiner Ansicht nach den Erfolg glücklicher Paare ausmachen.

"Glückliche Paare haben Freude aneinander", heißt es da, und sie verbrächten möglichst viel Zeit miteinander. Sicher, es gibt vieles, was man gemeinsam tun kann. Warum immer alleine duschen? Warum nicht spontan den anderen in die Arbeit, auf die Restaurant-Toilette oder zum Ohrenarzt begleiten? Man kann morgens auch gemeinsam die Zeitung lesen oder abends im selben Buch. Warum sich nicht gleich zusammennähen lassen?

Mit Nähe allein ist es aber noch nicht getan, erfahren wir in dem Regelwerk des Autors. Wenn es doch mal kracht, sollten Paare nämlich auch die Kunst des geschickten Kampfes beherrschen: Wenn Streiten, dann bitte fair und großzügig. Hier rät der Experte zu einem sensiblen Sprachgebrauch - das glückliche Paar spricht von "wir" und "uns" statt von "ich" und "mein".

Dass wir da nicht gleich darauf gekommen sind! "Wir sind heute aber mies gelaunt, haben wir gestern wieder zu viel getrunken?" klingt doch gleich viel versöhnlicher als dieses ewig anklagende "DU hast" und "DU bist". Buchstäblich zu Musik in den Ohren des anderen mutiert selbst eine bedrohliche Ankündigung, wenn sie nur mit den geeigneten Personalpronomen versehen wird: "Wir sollten bald unsere Küche streichen, dann werden wir uns wieder viel lieber gegenseitig bekochen!"

Falls einer der Streitenden nicht so wortgewandt ist und dem anderen mit einer unsensiblen Tirade auf den Schlips tritt, wird er sicher die Kunst der Vegebung zu schätzen wissen. Diese empfiehlt Parachin ebenfalls für eine erfolgreiche Partnerschaft. Allerdings sollte man dabei schön der Reihe nach vorgehen und einen Vier-Stufen-Plan befolgen: Erst loslassen, daraufhin Nachsicht üben, dann vergessen und schließlich vergeben. Einfacher wäre wohl, gleich mit Punkt 3 zu beginnen.

Aber was ist schon einfach? Eine Beziehung jedenfalls nicht, wie eine weitere goldene Regel belegt: "Durchhalten!" lautet die Parole. Eine Partnerschaft sei nichts für kurzatmige Sprinter, sondern für Langstreckenläufer, heißt es in dem Artikel: "Glückliche Paare machen keine Kompromisse; sie verpflichten sich". Als leuchtendes Beispiel führt der Autor ein Paar an, das nach 30 Jahren Ehe noch immer glücklich sei. Sein Geheimnis: Es habe "seinem Gelübde entsprechend gelebt". Oho.

Sicher sind die beiden restlos "voneinander überzeugt", wie es Parachin in seinem Essay fordert. Bestimmt begegnen sie sich stets voller Respekt, Zuneigung und Empathie. Außerdem haben sie sich immer schön an die goldene Regel der Kritik eingehalten: Formuliere für jede negative Bemerkung fünf positive.

Dabei liegt doch genau da das Problem - soll man sich all die Schmeicheleien vielleicht aus den Fingern saugen? Wenn man es mal realistisch betrachtet, fallen einem doch viel schneller fünf üble als fünf gute Eigenschaften ein.

Doch wer will sich schon mit der schnöden Beziehungsrealität auseinandersetzen, wenn er eine derart verheißungsvolle Liste des Glücks vor sich hat: Da ist von Paaren die Rede, die nach 30 Jahren nochmal miteinander studieren ("Glückliche Paare lernen und reifen miteinander!"), die sich jahrzehntelang einmal die Woche zu einem Rendezvous verabreden (Glückliche Paare hören niemals auf, sich zu daten!") oder sich auch nach der Goldenen Hochzeit noch mit phantasievollen Geschenken überraschen ("Glückliche Paare schenken sich Freude!").

Bei so viel geballtem Glück ist man schon entmutigt, bevor man überhaupt Gelegenheit hatte, sich zu verlieben. Allmählich beschleicht einen der dumpfe Verdacht, dass man es hier entweder mit lauter Aufschneidern zu tun hat. Oder, dass man selbst ein ziemlicher Versager ist.

Hand aufs Herz: Wann hat man zum letzten Mal kunstvoll miteinander gestritten statt sich üble Dinge an den Kopf zu werfen? Und wie soll man Vergebung erwarten, wenn man dem anderen nicht mal zugesteht, dass er hin und wieder den Klodeckel obenlässt?

Letzten Endes wiederholt sich bei all den Goldenen Regeln doch immer nur eine Botschaft: "Glückliche Paare machen sich glücklich." Und das soll man ernst nehmen? Ja, denn am Ende ist genau das das Geheimnis - vielleicht ist es nur zu simpel, um es als Weisheit zu verkaufen: Entweder es passt. Oder es passt nicht. Entweder man will. Oder man will nicht.

In diesem Sinne können eigentlich nur zwei der Ratschläge eine wirkliche Bereicherung sein: 1. Glückliche Paare teilen dieselben Werte - vorausgesetzt, sie verstehen darunter keine Aktien oder Geldanlagen. 2. Sie sind beide bereit, mehr zu geben als zu bekommen - schön, wenn sie dabei nicht an Investition und Ertrag denken.

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