Zum Tod von Glenn Frey:Drei Minuten kalifornisches Wohlgefühl

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Eagles-Gitarrist Glenn Frey und seine Band stehen stellvertretend für ein Lebensgefühl, von dem in Amerika nur ein mattes Echo geblieben ist. (Foto: James Glader/Eagles/dpa)

Glenn Frey und die Eagles arbeiteten hart an ihrer Lässigkeit. In den USA stehen sie für ein ganzes Lebensgefühl.

Nachruf von Andrian Kreye

In Amerika betrauern sie den Tod von Glenn Frey gerade mit einer ähnlichen Inbrunst, wie ein Großteil der westlichen Welt in der vergangenen Woche den von David Bowie. Das hat vor allem damit zu tun, dass Amerika heute in sehr weiten Teilen immer noch so klingt wie The Eagles, die der Gitarrist Frey vor 45 Jahren zusammen mit dem Schlagzeuger Don Henley in Los Angeles gründete. Vor allem, wenn man die Großstädte verlässt und einen Countrysender anschaltet.

Für Europa ist das trotz solcher Dauerhits wie "Hotel California", "Desperado" und "Take It Easy" nicht ganz nachvollziehbar. Aber die Eagles waren nun mal die größte aller amerikanischen Rockbands. Auf der Liste der bestverkauften Musiker aller Zeiten stehen sie derzeit auf Platz fünf. Nur - darum geht es bei der Trauer in Amerika gar nicht. Hier geht es darum, dass die Eagles stellvertretend für ein Lebensgefühl stehen, von dem in Amerika nur noch ein mattes Echo geblieben ist.

Zugereiste Trittbrettfahrer einer popkulturellen Revolution

Um mal schnell ein paar Klischees aufeinanderzupacken: Wenn Amerikaner die Eagles hören, denken sie sofort an Sommersonntagnachmittage, offene Autofenster, Dosenbier und diese Mischung aus Lässigkeit und Melancholie, mit der man Liebeskummer, Einsamkeit und die Verlorenheit planloser Jugendjahre in den Griff bekommt.

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Von Julian Dörr

Das hatten Glenn Frey, Don Henley und die wechselnden Mitglieder der Eagles ganz genau so geplant. Denn in der musikalischen Aufbruchstimmung des Laurel Canyon, jenes heute so mythisch umrankten Viertels in den Hügeln über Hollywood, waren sie nicht nur Nachzügler. Sie waren die zugereisten Trittbrettfahrer einer popkulturellen Revolution, die damit allerdings sehr viel mehr Geld verdienten als die kulturellen Ureinwohner dieser Gegend wie David Crosby, Stephen Stills, Graham Nash, Neil Young oder Joni Mitchell.

Glenn Frey war aus Detroit nach Los Angeles gezogen. Daheim hatte er in einer Reihe längst vergessener Rockbands, aber auch mit Bob Seger gespielt. Linda Ronstadt engagierte ihn dann gemeinsam mit den drei anderen Zugereisten Don Henley (Texas), Bernie Leadon (Minnesota) und Randy Meisner (Nebraska) als Begleitband. Nach der Tour mit ihr gründeten sie 1971 die Eagles. Was danach folgte, war die erste Band der Rockgeschichte, die sich ganz klar zum Ziel gesetzt hatte, einen Zeitgeist einzufangen, um Hits zu schreiben und zu verkaufen.

Auch wenn Kritiker schimpften, sie hätten Rock verweichlicht. Der heutige Hollywoodregisseur Cameron Crowe war 15 und ging noch zur High School, als er die Band für die Stadtzeitung The San Diego Door interviewte. Die Band und der Teenager blieben Freunde, auch als er für die Musikzeitschrift Rolling Stone arbeitete, was er dann später in seinem Film "Almost Famous" verarbeitete. Im vergangenen Sommer schrieb er noch einmal einen Essay über die Eagles, in dem er sich daran erinnerte, wie hart die Band an ihrer Lässigkeit arbeitete. Wie sie Tage und Nächte im Studio verbrachte, um Balladen und Midtempo-Songs zu schreiben, die Country und Folk, schwebende Gesangsharmonien und flockige Akustikgitarren auf ein so genialisches Mittelmaß brachten, dass die ganze Welt, glaubte, für drei, vier Minuten in kalifornisches Wohlgefühl wegtauchen zu können.

Knapp zehn Jahre später explodierte das Sommerflimmern der Eagles in einer Supernova aus Kokain, Alkohol und aufgeblasenen Egos in Long Beach, Kalifornien. Glenn Frey und der zweite Gitarrist Don Felder drohten sich während eines laufenden Konzerts vor sehr großem Publikum mehrfach Prügel an. Der Streit ging so tief, dass die Band ankündigte, sie werde erst dann wieder gemeinsam auftreten, wenn die Hölle zufriere, was im Amerikanischen so viel bedeutet, wie dass Weihnachten und Ostern auf einen Tag fallen.

"Hell Freezes Over" hieß dann auch das Live-Album, das sie 1994 nach einer Tour veröffentlichten, bei der Glenn Frey immer wieder sagte, sie hätten sich ja nie aufgelöst, sondern nur 14 Jahre Ferien gemacht. In der Zwischenzeit hatten sich die einzelnen Musiker längst als unabhängige Superstars etabliert. Don Henley vielleicht erfolgreicher als die anderen. Aber auch Glenn Frey landete ein paar Hits. Er war einer der ersten Musiker, welche die Strahlkraft von Hollywood erkannten. So schrieb er seinen Hit "The Heat Is On" für Eddie Murphys "Beverly Hills Cop" und "Part of Me, Part of You" für "Thelma & Louise". Seinen größten Achtzigerjahremoment hatte er aber mit einem Auftritt in der Serie "Miami Vice", für die er "You Belong to the City" und "Smugglers Blues" schrieb.

Am vergangenen Montag ist Glenn Frey nach einer Operation in New York an einer Häufung akuter Erkrankungen gestorben. Er wurde 67 Jahre alt.

© SZ vom 20.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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