"Wetten, dass...?":"Technominister" Guttenberg auf der Couch

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Ein onkelhafter Moderator und Blondes fürs Auge: Bei Gottschalk duzte sich Minister Guttenberg durch die Show. Michelle Hunziker debütiert als Wett-Mami.

J. Bruckner

Samstagabende haben im Leben eines homo televisionicus unterschiedliche Bedeutungsphasen. In den ersten 12 bis 14 Lebensjahren ist der Sonnabend von herausragender Bedeutung: Selbst Eltern, die aus erziehungsstilistischen Gründen noch weit bis in den zweistelligen Altersbereich der Kinder die Hoheit über die Fernbedienung für sich beanspruchen, lassen den Nachwuchs an diesem besonderen Abend in die Röhre gucken. Schließlich gehört die Nacht zum Sonntag fernsehprogrammatisch traditionell der Familienunterhaltung.

"Ein guter Moderator - und was Blondes fürs Auge": Thomas Gottschalk und seine neue Assistentin Michelle Hunziker. (Foto: Foto: dpa)

Allerdings hat inzwischen nur eine einzige Sendung das Potential, Klein Televisionicus in die höchsten Gefielde der Glotzglückseligkeit zu katapultieren: Wenn sich begleitet von der Eurovisions-Hymne der Sternenkreis schließt und die Gesichter ihm bekannter Prominenter durchs Bild gefahren sind, weiß er: Wetten, dass dies ein wunderbares Fernseherlebnis wird?

Irgendwann - zumeist mit Eintritt in die Pubertät - verliert der Sonnabend dann allerdings seinen herausragenden Status: Andere Formen der Samstagabendgestaltung werden dem Fernsehkonsum vorgezogen. Und doch bleibt da diese Zuneigung zu einer ganz bestimmten sonnabendlichen Familienunterhaltungssendung. Wenn sich die geplante Samstagnachtsause plötzlich zu einem gemütlichen Sofaabend reduziert, erhellen sich Gemüt und Gesicht beim Blick in die Fernsehzeitung: "Wetten, dass...?" kommt!

Die Gästeliste des ZDF-Moderators Thomas Gottschalk und seiner neuen Assistentin Michelle Hunziker, die als "Ko-Moderatorin" eingeführt wurde, war diesmal lang und eines Feiertags würdig: Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg nebst Frau, ebenso die Sängerin Nelly Furtado, Oliver Pocher, Schauspieler Sebastian Koch, Tokio Hotel, Michael "Bully" Herbig und Whitney Houston. Angesichts dieses prominenten Potpourris ahnt der erfahrene Televisionicus: Egal, wie treffsicher "Tommy" seine Witzchen im Bereich des Fremdschämens versenkt und egal, wie wenig spannend die Wetten sein mögen, - unterhaltsam wird es wohl.

Auf der Loveparade kennengelernt

Überraschenderweise ist es dann aber gar nicht der Gossip aus dem Adelshaus, der für die Würze der Wett-Show sorgt - "Gutti" und Gattin, beide Techno-Fans, haben sich tatsächlich auf der Loveparade kennengelernt. Und es sind im Übrigen auch nicht "Bully" Herbig oder Pocher, die mit Humor hervorstechen. Sat.1-Neumoderator Pocher wirkt bei seiner kurzen Comedy-Nummer ähnlich aufgeregt und angestrengt, wie bei seinem ersten Solo-Light-Night-Talk am Abend zuvor. Nur diesmal ist das Publikum, das sich nicht amüsiert, größer.

Es sind vielmehr die weniger prominenten "Sofisten", die an diesem Abend die Akzente setzen: Der elfjährige Jonas Hämmerle beispielsweise, der in Michael "Bully" Herbigs Verfilmung des Comic-Klassikers "Wickie und die starken Männer" den rotschopfigen Wickinger-Sprössling mit dem genialen Nasenstreich spielt. Für seine Gelassenheit, mit der er die Gottschalkschen Peinlichkeiten parierte, hätte er auch ohne Wette ein Anrecht auf die Show-Krone verdient gehabt: Als die Kamera auf ein junges Mädchen im Publikum schwenkt, fragt der Moderator seinen elfjährigen Gast, ob man denn bei einem solchen Anblick nicht nervös werde.

Bemerkenswert auch der Auftritt der 97-jährigen Jüdin Marga Spiegel, deren Lebensgeschichte als Vorlage für einen Fernsehfilm mit Veronica Ferres dient. Erst bescheinigt die alte Dame dem in diesem Fall sichtbar um eine würdevolle Gästebehandlung bemühten Showmaster Gottschalk, er sehe im Bademantel hinter den Kulissen so warmherzig und sympathisch aus. Bevor sie ihrem Wettkandidaten Thomas, der sich damit rühmte, Frauen am Geruch ihres Gummistiefelinnenlebens zu erkennen, mit dem Zitat von David Ben-Gurion ihren Segen gab: "Wer nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist."

Radeln gegen Jens Voigt

Zum Wettkönig reicht es für den engagierten Schnüffler - der regelrecht in den schweißigen Tiefen der Gummitreter versinkt - allerdings nicht. Genauso wenig wie für den 25-jährigen Jannik, der in der "Sabber-Wette" (Michelle Hunziker) chamäleongleich über einen Speichelfaden Briefmarken aufnimmt und in eine Schüssel bringt. Der tatsächliche Wettkönig Daniel aus der Schweiz schlägt sportlich spektakulär, aber showtechnisch eher unauffällig, bei einem 200-Meter-Sprint mit einem knapp 100 Jahre alten und 27 Kilo schweren Militärfahrrad den Radprofi Jens Voigt auf einem modernen und leichtgewichtigen High-Tech-Rennrad.

Das wiederum freut die Eidgenössin Michelle Hunziker, die ihre Aufgabe als Showassistentin - mit Schwerpunkt Kandidaten-Betreuung - durchaus erfolgsversprechend angeht: Im kurzen Weißen und auf Glitzer-Stilettos erfüllt sie alle optischen Ansprüche und kümmert sich - von mütterlich besorgt bis engagiert anfeuernd - um die Belange der Wettaspiranten. Der Moderator spielt die Rolle seines weiblichen Konterparts süffisant herunter: Man habe auf den Schmidt-Pocher-Effekt gesetzt: "Einen guten Moderator - und was Blondes fürs Auge."

Schon gewohnheitsmäßig sorgt Grandseigneur Gottschalk mit seiner Spontan-Kompetenz bisweilen für ein gequältes Zusammenzucken - selbst bei einem gestandenen homo televisionicus. Über weite Strecken sind seine Gäste schlagfertiger, seine Junior-Partnerin ist charmanter. Er hat sich alle Mühe gegeben, nach der Sommerpause jünger zu wirken. Der Quoten-Absturz soll gestoppt werden. Deshalb durften Tokio Hotel groß aufspilen, deshalb war es so blond in der Halle. Und doch: Der faltenfreie 59-Jährige, schlanker wirkende Thomas Gottschalk mag zwar der etwas zu aufdringliche und gerne auch mal peinliche Onkel sein - doch zur samstagabendlichen Familienfeier, die sich "Wetten, dass...?" nennt, gehört er einfach dazu.

Guttenberg im Dauerlächeln

Von seiner eigenen Bedeutung jedenfalls ist er überzeugt. Stolz erzählte er, dass Altkanzler Gerhard Schröder nach einem Besuch bei "Wetten, dass...?" sozusagen die Aura der Leichtigkeit nicht mehr weg bekam - was aber den leibhaftigen Wirtschaftsminister auf der Couch nicht zu schrecken schien. Guttenberg absolvierte die Drei-Stunden-Show aus Freiburg mit Dauerlächeln. Er schien noch ganz im Wahlkampfmodus zu sein: Hauptsache Medienpräsenz. Unaufgefordert sprang er ins Bild, nach sein erfolgreicher Wettkandidat, der Schweizer mit dem Velo, im Ziel war. Das überraschte selbst Gottschalk.

Und dann die Witzchen! Weil das Schweizer Post-Fahrrad einst für militärische Zwecke diente, kalauerte Guttenberg, es sei doch besser, wenn ein Schweizer Militärfahrrad nach Deutschland käme als eine deutsche Kavallerie in die Schweiz. Auf einen solchen Gedanken muss man erst einmal kommen. Seine hübsche Frau passte optisch gut in die Blond-Phalanx dieser Sendung, konnte aber mit dem Tom-Cruise-Faktor ihres Mannes nicht ganz mithalten. Gefragt, was ein werdender Vater wie Oliver Pocher zu beachten habe, fiel ihr nur nach aufforderndem Nicken des Barons ein: "Vorschlafen!"

Am Tag nach der Show reiste Guttenberg, der als "Technominister" tituliert wurde und den Moderator kumpelhaft duzte, wieder nach Berlin zu den Koalitionsverhandlungen. Da wird er einiges zu erzählen gehabt haben.

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