Urheberrecht:Alte Meister frei im Netz?

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Ein Museum klagt gegen Wikipedia - wegen Abbildung von Exponaten. Nun geht der Streit in die nächste Instanz.

Von Johannes Boie

Eines vorweg: Egal, wie man zur Sache steht, es handelt sich um eine ungewöhnlich schöne Urteilsschrift, zumindest in ästhetischer Hinsicht. 17 seitenfüllende Bilder folgen da auf das obligatorische Deckblatt "Im Namen des Volkes", es sind fast alles Bilder aus dem Museumskatalog "Sammelleidenschaft" der Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museen. Da ist zum Beispiel das Porträt Richard Wagners des Malers Cäsar Willich.

Diese Bilder hatte ein Nutzer des Online-Lexikons Wikipedia eingescannt und der Öffentlichkeit als Teil des digitalen Lexikons zugänglich gemacht, jeweils eingebettet in einen passenden Artikel. Von dort wiederum bedienten sich andere, so dass Richard Wagners imposanter Backenbart aus Mannheim plötzlich auch auf anderen Webseiten zu sehen war.

Daraufhin zogen die Mannheimer Museen juristisch ins Feld, einerseits gegen den Wikipedia-Nutzer, der die Bilder gescannt und ins Lexikon geladen hatte, sowie gegen Wikimedia selbst, in den USA wie auch in Deutschland. Wikimedia ist hierzulande jener Verein, der das Lexikon in Deutschland betreut. Vor dem Landgericht Berlin haben die Museen nun Recht bekommen, die Verwendung der Bilder auf dem digitalen Lexikon soll somit nicht rechtens sein. Allerdings hat Wikimedia bereits angekündigt, in die nächste Instanz zu ziehen, das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Alle betroffenen Gemälde haben gemeinsam, dass sie vor 1900 entstanden sind. Sie sind also nach dem Urheberrecht, das sich nur über 70 Jahre nach dem Tod des Erschaffers erstreckt, nicht länger geschützt. Was aber ist mit den Fotografien der Bilder? Wikimedia argumentierte vor Gericht vor allem mit der Schöpfungshöhe, also mit der Frage, wie viel eigene kreative Leistung der Museums-Fotograf, der als Zeuge benannt war, beim Ablichten erbracht habe; die Fotos seien mehr als Vervielfältigung der Originale zu betrachten, weniger als eigenständige Werke im Sinne des Gesetzes.

Die Museen hielten dagegen, die Reproduktionen hätten Geld gekostet und stünden auch deshalb unter dem Schutz des Urheberrechtes. Zudem könne es kaum sein, dass die Fotografien, die - handwerklich gut gemacht - das Original, das sie zeigen, so exakt wie möglich abbilden, weniger geschützt seien, wohingegen nachlässige Aufnahmen wegen größerer Distanz zum Gemälde von einer höheren Schöpfungshöhe profitierten. Den Hauptargumenten folgten weitere Verästelungen bis hin zur Frage, ob ein Gemälde als zwei- oder dreidimensionale Kunst zu betrachten sei. Das Gericht folgte letztlich im Großen und Ganzen der Argumentation der Museen.

Für Kunstfreunde in Deutschland, denen die juristischen wie auch wirtschaftlichen Argumente egal sein mögen, ist dieses Urteil deshalb - Gemälde im Urteilstext hin oder her - weniger schön. Es könnte, sofern es bestätigt wird, zur Folge haben, dass die Kunst vergangener Jahrhunderte aus dem digitalen Raum ausgeklammert wird. Allerdings sind nicht alle Museen so strikt. Manche Häuser stellen heute, wenn sie die Mittel dazu haben, ihre Sammlungen selber ins Netz.

© SZ vom 23.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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