TV: Wedel versus Elsner:So schön war die Zeit

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Ein Wedel, der nicht weiß, wie ihm geschieht: Hannelore Elsner ließ erfolgreich seine pikante Liebeslebensbeichte verbieten - und auch bei Plasberg stand TV-Regisseur Dieter Wedel auf verlorenem Posten.

Ch. Keil

Die Frage die man sich am Mittwochabend dieser Woche stellen konnte, war zunächst einmal: Macht Dieter Wedel, 70 Jahre alt, noch immer gute Filme? Als Antwort auf den ersten Teil von Wedels ARD-Zweiteiler Gier, der nach der Tagesschau gezeigt wurde, könnte einem einfallen: Auf jeden Fall sind Wedels Filme immer noch gut besetzt.

Plasbergs Gäste: Jürgen Schneider (links), Dieter Wedel (Mitte) und Harald Krassnitzer. (Foto: Foto: WDR)

Gut besetzt war dann von 21:45 Uhr an auch Hart aber fair. Die vom WDR verantwortete und von Frank Plasberg moderierte politische Gesprächssendung motiviert gegenwärtig konstant vier und mehr Millionen Menschen. Das ist im Genre ein Spitzenwert. Mittwochabend zum Beispiel sahen 4,75 Millionen (durchschnittlich) bis zu den Tagesthemen zu. Damit hatte sich der Konzeptabend fürs Erste gelohnt. Gier erbrachte 16,7 (bei 5,75 Millionen), Hart aber fair 17,7 Prozent Marktanteil.

Mit Konzeptabend ist ein mittlerweile nicht mehr ganz so neuer Standard gemeint im deutschen Fernsehen. Öffentlich-rechtliche und kommerzielle Veranstalter verbinden immer öfter ein großes (und teures) fiktionales Thema (u. a. Mauerfall, Deutscher Herbst 1977), also einen Spielfilm, mit einer sich inhaltlich anschließenden Talkshow.

In Gier versucht Regisseur Wedel, Betrüger und Betrogene des irren Glaubens an die wundersame Geldvermehrung durch Aktienanlagen vorzuführen. "Genug ist noch zu wenig - Warum regiert uns die Gier?" fragte Plasberg übergangslos seine Gäste.

Seine Gäste waren: die Journalistin Jutta Ditfurth, Hans-Olaf Henkel, jahrelang Chef des Bundesverbandes der deutschen Industrie (BDI), Matthias Sutter, Professor für experimentelle Wirtschaftsordnung, der Schauspieler Harald Krassnitzer, auch Jürgen Schneider, der eine betrügerische Milliardenpleite als Bauunternehmer hinlegte und zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wurde, und natürlich Dieter Wedel.

Henkel stürmte über links

Es ging in den 75 Minuten zunächst intensiv um die Deutsche Bank, vor allem um ihren Chef Josef Ackermann. Hans-Olaf Henkel suchte auf Linksaußen des Tisches umgehend die Offensive, auch in der Verteidigung Ackermanns sowie des Finanzsektors ganz grundsätzlich. Auf Plasberg bezogen äußerte er früh: Moderatoren seien ja bekannt gierig - gierig nach Quote. Plasberg nickte ihm schelmisch zu und erwiderte: Das stimme, und er überlege gerade, ob er ihn, Henkel, im Sinne der Quote weitersprechen lassen oder unterbrechen solle.

Das war auf elegante Weise das, was der nicht immer elegante Fußballer Stefan Effenberg im Dienste des FC Bayern München früher öfter praktizierte: dem besten Spieler des Gegners in die Beine grätschen. Plasberg reklamierte die Hoheit über seine Sendung, die er bald danach auf ihren Höhepunkt zusteuerte.

Sehr ausgiebig, aber für einen schreibenden Filmemacher sehr umständlich hatte Dieter Wedel erklärt, wie er seiner Meinung nach von einer Schweizer Bank und von Schweizer Anlageberatern ausgenommen worden war.

"Darf ich Sie an dieser Stelle einfach mal unterbrechen", unterbrach Plasberg Wedel und trug Stellungnahmen der Bank und der genannten Vermögensverwalter vor. Die Vermögensverwalter "bezeichnen Sie (in einer Strafanzeige) als notorischen Lügner", las Plasberg dem Regisseur vor und erklärte: "Unser Justiziariat hat uns geraten, die vorliegenden einstweiligen Verfügungen dann einzuführen, wenn Herr Wedel seine Vorwürfe gegen Bank und Vermögensverwalter in der Live-Sendung wiederholt."

Wedel hörte beinahe reglos zu. Dass juristische Texte live im Fernsehen vorgetragen werden, kommt selten vor. Wusste Wedel Mittwochabend bereits, dass er auch an einer anderen Front unter Druck geraten war? Die Aktrice Hannelore Elsner, 67, hat einstweilige Verfügungen gegen Wedels Biographie ( Vom schönen Schein und wirklichen Leben, Bastei Lübbe), gegen die Bild-Zeitung (die Auszüge der Erinnerungen vorab druckte) und gegen Wedel selbst durchgesetzt. Inzwischen hat sich der Verlag verpflichtet, die Passagen, in denen Wedel sein auch intimes Verhältnis zu Elsner vor mehr als 30 Jahren wiedergibt, nicht mehr zu verbreiten.

Bastei-Lübbe-Geschäftsführer Thomas Schierack bestätigte der Süddeutschen Zeitung an diesem Donnerstag, dass die von dem Verbot betroffenen drei Seiten in der zweiten Auflage (circa 6000, wird in der kommenden Woche ausgeliefert) geschwärzt seien. Außerdem habe er die Buchhandlungen um "eine freiwillige Rückgabeaktion" gebeten, sofern noch Exemplare der ersten Auflage (circa 8000) vorhanden seien. "Ein vergleichbarer Rückruf ist mir aus dem deutschen Buchhandel in den zurückliegenden Jahren nicht bekannt", sagte Elsners Anwalt Christian Schertz auf Anfrage.

Angesichts der Klage- und TV-PR, sagt ein Buchhandels-Insider, sei das Verkaufsergebnis der Wedel-Memoiren ernüchternd. Viel Interesse weiß der Mann, der einst den Großen Bellheim und den Schattenmann erfand, offenbar nicht mehr zu wecken.

© SZ vom 22.01.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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