TV-Kritik: "Traumhochzeit 2008":Deutschland still geküsst

Lesezeit: 3 min

Linda de Mol und ihre Obsession von der Romantik ist wieder da - im ZDF, und nicht mehr auf RTL. Die "Traumhochzeit 2008" überraschte durch Kandidaten, die trotz Heiratswilligkeit ihr Bestes taten, um nicht zu langweilen.

Lilli Köhler

Dass der Traum von der Romantik nichts als dumpfe Sonntagabendunterhaltung gebiert, kann fortan nur noch der zynische, vernunftgesteuerte Zuschauer behaupten.

Traumhochzeit-Moderatorin Linda de Mol im Kreise der heiratswilliger Damen. (Foto: Foto: dpa)

Denn in der Show, in der am Muttertag "hemmungslose Romantik" walten sollte, kugelten die Kandidaten nicht rosa-doof durch die plauschige Studiokulisse, sondern sprühten vor Witz und Charme - und verblüfften mit stupenden Fähigkeiten und Taktiken.

"Traumhochzeit 2008" im ZDF: "Das romantischste Event des Jahres" hatte Linda de Mol versprochen. Die sympathische Moderatorin stand unter hohem Druck. Auch, weil ihre Show auf dem Sendeplatz lief, der normalerweise Rosamunde-Pilcher-Produktionen vorbehalten ist.

Als Angehörige einer Generation, die in den neunziger Jahren vom Privatfernsehen sozialisiert worden ist, musste man sich aber zunächst das erste Augen reiben: Was macht Linda de Mol beim ZDF? "Traumhochzeit" lief damals jahrelang erfolgreich bei RTL.

Sympathisch zischelnd

Mit dem zweiten Auge, mit dem man angeblich besser sieht, erscheint es jedoch schlüssig. Schließlich liegt es schon länger im Trend, Moderatoren, die sich in der wilden Arena des Privatfernsehens bewährt haben, als öffentlich-rechtlich-tauglich zu erklären.

Das Prinzip der Show ist einfach: Drei Paare überraschen sich mit Heiratsanträgen und kämpfen anschließend gegeneinander um eine Traumhochzeit im Fernsehstudio, mit Kleid und Ringen und allem Drum und Dran.

Ohne Einfühlungsvermögen der Showmasterin wäre die Stimmung schnell im Eimer. Linda de Mol jedoch dürfte wieder alle Erwartungen übertroffen haben: Perfekt geföhnt wie ihre subtil angedeutete Farrah-Fawcett-Welle war auch die Moderation.

Wahrscheinlich ist die Niederländerin momentan die einzige, die im hiesigen Fernsehen eine solche Show glaubhaft moderieren kann. Grund dafür ist de Mols warmes, anmutig gehauchtes Deutsch, eine Diktion frei von zackigen Lauten, dafür reich an sympathisch zischelnden Konsonanten-Verschleifungen. Linda de Mol - schon ihr Name klingt wie sanft wogende Brandung auf Kieselstrand - spricht die Sprache der Romantik.

Aber auch ihre kleinen Helferlein zeichneten sich durch Natürlichkeit wie Kompetenz aus. Rennfahrer Heinz Harald Frentzen zum Beispiel. Er fungierte als Lockvogel für Alex, den Formel-1-Fan und Immobilienmakler, und führte diesen in eine Villa am Starnberger See, wo ihn Freundin Daniela mit einem Heiratsantrag überraschte.

Bei der Lässigkeit, mit der Frentzen durch die Weiten des Anwesens tigerte und schelmisch andeutete, das alles "müsse endlich unter die Haube gebracht werden", blieb nicht nur Alex erst einmal die Spucke weg.

Die Fernsehköche Johann Lafer und Horst Lichter, die den Kandidaten einen Blitzbesuch abgestattet und deren Kochkünste unter die Lupe genommen hatten, spöttelten gekonnt aus dem Stegreif. Die Erwartungshaltung beim Zuschauer wuchs.

Und die Kandidaten taten ihr Bestes, um nicht intellektuell zu langweilen. Auf einer wilden Mischung aus Ehebett und Rodeo-Simulator festgeklammert versuchten sie, knifflige Rechenaufgaben zu lösen. 146 minus 23 zum Beispiel, oder 14 plus 48. Mitraten erlaubt.

Die Bräute wurden auf ein Torten-Podest gestellt und mussten zeigen, wie gut sie im Voraus Namen, Zahlen und Orte auswendig gelernt hatten. "Unglaublich. Was man nicht alles macht, nur für die Liebe", war ein häufig geäußerter Satz von Linda de Mol, die extra mit "wasserfester Wimperntusche" angetreten war.

Heirat vor und hinter den Kulissen

Dem konnte man nur beipflichten, auch angesichts der finalen Prüfung, für die die Kandidaten in 30 Metern Höhe aneinandergeklammert ausharren mussten, nur von zwei Seilen gesichert - ein Bild, das tief berührte: Liebende, wie zwei Königskinder, die sich sehr zugeneigt sind, über einem tiefen Abgrund.

Nach zahlreichen unschuldigen Spielchen und errungenen Hochzeitsgeschenken kam die Zeit des schönsten Augenblicks des Lebens. Die Sieger, Kerstin und Christoph, durften vor den Kulissen heiraten, Alex und Daniela sowie Angelika und Dietmar dahinter.

Wie bei Rosamunde Pilcher blieb das Happy End nicht aus: Das Traumpaar sagte "Ja", und dem Bräutigam kamen fast die Tränen. Große Erleichterung trotzdem immer wieder, dass keiner "Nein" gesagt hat.

Romantik und kühles Rechnen, Zauberworte und Zahlen und Figuren: Es war, als hätte de Mol Deutschland still geküsst, dass es im Blütenschimmer, von ihr nun träumen müsst. Träumen. Vielleicht aber auch endlich wieder nur einmal ganz tief schlafen.

© sueddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: