TV-Kritik: "Hart aber fair" in der ARD:"Andrea Nahles hat drei Vorsitzende gekillt"

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Frank Plasberg wollte im Talk "Hart aber fair" SPD-Vize Nahles aus der Fassung bringen. Er scheiterte - auch seine vielen Kalauer änderten daran nichts.

Hans-Jürgen Jakobs

Das hatte sich Frank Plasberg fein ausgedacht. Er lockte die Zuschauer zu einem Talk über die "Große Kollision in Berlin" an die Fernseher - und dann sollte es eine Art Tribunal über eine Frau werden, der alle möglichen Attribute angedichtet werden: Links, machtversessen, trickreich.

"Hart aber fair"-Moderator Frank Plasberg: Talkshow-Investigation mit den Mitteln des einfachen Kalauers. (Foto: Foto: dpa)

Eine Strippenzieherin also, die quasi die ganze SPD an ihren Fäden halte. Da konnte Andrea Nahles irgendwann bei all diesen albernen Vorsicht-Nahles-Spielchen nur sehr herzhaft auflachen: "Finden Sie nicht, dass Sie mich ein wenig hochjazzen?"

Nein, das fand Plasberg nicht, denn das war ja das wahre Thema seiner Sendung "Hart aber fair": Andrea Nahles als das Epizentrum der Intrige bloßzustellen, als weiblichen Dämon hinter der brüchigen großen Koalition, als Urheberin einer rot-roten Annäherung - und als der wahre Grund, warum die SPD auf einmal gegen den wackeren Horst Köhler eine eigene Kandidatin stellt. Arbeiter, die SPD will Euch Euren Präsidenten nehmen!

Da mochte die Sozialdemokratin noch so demonstrativ für eine "Ampelkoalition" mit der FDP plädieren, energisch bekräftigten, für die SPD sei es "klipp und klar", dass es 2009 keine Koalition mit der Linken geben werde, und (im Gegensatz zu ihrem Chef Kurt Beck) selbst Forderungen nach einer formellen Parteitags-Absage an eine Koalition mit der Linken unterstützen: "Es spricht nichts dagegen, das im Rahmen eines Parteitages noch einmal zu bekräftigen." Und da konnte sie auch noch so fröhlich erklären: "Ich bin nicht die geheime, sondern die stellvertretende Vorsitzende der SPD" - geglaubt wurde ihr an diesem Abend in der ARD nicht einmal das.

Lirum, larum, Löffelstiel

Christine Haderthauer, die sportive Generalsekretärin der CSU, nutzte die geheime Agenda Plasbergs gerne und unterstellte der SPD-Frau im Fernsehstudio Mordlust: "Sie hat drei Vorsitzende gekillt." Drei Vorsitzende! Wobei offen blieb, ob Kurt Beck da schon mitgezählt worden sei. Und ihr FDP-Kollege Dirk Niebel brachte mehrfach an, die SPD höre schon ganz auf Andrea Nahles, sie solle doch gleich von Kurt Beck die Partei übernehmen.

Die "Hart-aber-fair"-Redaktion spielte, angeblich passend, Szenen vom Sturz Rudolf Scharpings und von der Inthronisierung Oskar Lafontaines auf dem Parteitag im November 1995 ein - und zeigte, wie sich Nahles erst am Rednerpult über den faden Scharping und sein "Lirum, larum, Löffelstiel" erregte, um später laut Lafontaines Sieg zu feiern. Den Abgang von Franz Müntefering habe sie auch auf dem Gewissen, legten die ARD-Bilder noch einmal nahe, schließlich habe sie ja gegen Münteferings Willen Generalsekretärin werden wollen.

Das Fernsehen liebt die einfache Erklärung, es liebt Gut und Böse. Das Böse war an diesem Abend die Frau mit dem wallenden Haar und der großen Brille.

Zirkustrick eines mittelmäßigen Conferenciers

Natürlich ist es auf Dauer ermüdend, wenn ein politischer Schunkel-Moderator wie Frank Plasberg seine Talkshow-Investigation hauptsächlich mit den Mitteln des einfachen Kalauers betreiben will. Der härteste Beweis für die Theorie von den ganz großen Ambitionen der Andrea Nahles aus der Eifel war noch ihre flapsige Aussage in der Abiturzeitung, sie wolle "entweder Hausfrau oder Bundeskanzlerin werden".

Da fragte Plasberg natürlich ganz listig erst einmal nach ihren Kochkünsten. (Kocht gerne, bügelt aber nicht.) Oder er versuchte den Zirkustrick eines jeden mittelmäßigen Conferenciers und schwadronierte zu Nahles, all diese Sätze über ihre Macht in der SPD, das sei doch viel der Ehre: "Das können Sie genießen!"

Es ist schon fast eine Beleidigung des Gastes, sich hiervon etwas zu versprechen.

Im zweiten Teil wird ausgiebig geplänkelt und gezetert.

Auch musste ein öffentliches Foto, das die SPD-Bundespräsidentenkandidatin Gesine Schwan mit dem Linken-Chef Lothar Bisky zeigt, als Dokument für ganz linke Kuscheleien herhalten, wobei Andrea Nahles ihren bodenständigen Mutterwitz - "Kuschelfotos stelle ich mir anders vor" - unter Beweis stellen durfte.

Manchmal verschränkte sie die Arme demonstrativ ablehnend vor dem rosa V-Pullover oder kommentierte Hysterisches aus dem ganz rechts am Diskussionspult platzierten bürgerlichen Lager mit einem Zucken der Mundwinkel. Die Kamera fing alles ein. Andrea Nahles hatte die tragende Hexen-Rolle des Abends zu spielen.

Sendezeit vollbekommen

Sogar in direkter Konfrontation, im Duell am Nebentischchen, versuchte Moderator Plasberg die Vizechefin der SPD vorzuführen. "Intensivgespräch" nennt er das. Und holte sich die richtungweisende Antwort ab, Nahles sei in die Politik gegangen, um Einfluss zu haben. Oder bekam zu hören: "Was wollen sie mir jetzt hier unterjubeln, he?"

Im Frauennahkampf gelang es der SPD-Frau, bei der allzu keifenden CSU-Generalin Haderthauer mit der Frage zu landen, wer denn wohl nächster CSU-Vorsitzender werde und ob die Bayern nicht in Wirklichkeit das ganze Horst-Köhler-Thema bräuchten, um bei der Landtagswahl im Herbst ein Desaster abzuwenden. Das empfand Plasberg prompt als gute Frage. Vielleicht hatte er Angst, mit all den Nahles-Konstruktionen die wertvolle Sendezeit nicht voll zu bekommen. Ansonsten hatte Plasberg Grund, die Christsoziale Haderthauer vor "Damenschlammcatchen" zu warnen.

In der Mitte ein faltiger Häuptling

Am Schluss durften die beiden Politikerinnen die Erfolge der gemeinsamen Koalition in Berlin loben und auf noch offene Themen hinweisen, die unbedingt erledigt werden sollten. Da übten sich der Linken-Chef Lothar Bisky, der ansonsten kaum zur Geltung kam, und der liberale General Dirk Niebel in Fundamentalopposition. Danach hat die große Koalition eigentlich nur gepfuscht.

Mittendrin in all dem Geplänkel und Gezeter saß wie ein faltiger Häuptling der Grünen-Politiker Jürgen Trittin, der es nur "absurd" nannte, dass man in der Präsidentenfrage über eine demokratische Auswahl an Kandidaten überhaupt diskutieren könne. Und er nannte es einen "Skandal", dass mit öffentlichen Geldern Niedrigstlöhne bezuschusst werden.

Schließlich zeigte sich Trittin amüsiert über die Vorstellung, dass eine TV-Größe wie Günther Jauch zum Bundespräsidenten gewählt würde, wenn die Bürger ein Direktvotum hätten. "Jauch...oder vielleicht auch Sie, Herr Plasberg", fügte der einstige Bundesumweltminister süffisant an.

Das wird dem Herr Moderator ziemlich gefallen haben.

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