TV-Kritik: "Extrem schön!":Endlich ein Klon!

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Babsi und Suna sind die Rivalinnen der neuen Reality-Doku von RTL II - und komplett umoperiert. Leider ist das zu viel. Eine kleine Nachtkritik.

Ruth Schneeberger

Schönheit hat viele Gesichter - aber anscheinend noch nicht genug. Also muss mal wieder das Privatfernsehen ran, um den Deutschen das zu geben, wonach sie gelüsten. Notfalls auch mit Gewalt.

Nein, das sind nicht Babsi und Suna, sondern ein- und dieselbe Protagonistin, nur vorher und nachher: Auf Danielas Wandlung ist man bei RTL II besonders stolz. Sie wird in einer der nächsten sieben Folgen von "Extrem schön!" präsentiert. (Foto: Foto: RTL II)

Ein besonders praktisches neues Format ist deshalb der jüngste Neuzugang im deutschen Fernsehen: "Extrem schön!", eine Reality-Doku über Menschen, die sich ihr unansehnliches Äußeres operativ entfernen lassen. Die neue Serie auf RTL II trägt den Untertitel "Endlich ein neues Leben!" - und nicht nur an der Anzahl der Ausrufezeichen mag man erkennen, dass hier einiges übertrieben ist.

Weil es schon länger nicht mehr ausreicht, Uschi und Peter schöne Soap-Darsteller mit glatten Gesichtern vorzusetzen, kommen Uschi und Peter jetzt selbst ins Fernsehen, um sich umoperieren zu lassen. Und weil Steigerung in diesen Zeiten alles ist, reicht es auch nicht mehr aus, ihnen eine neue Nase zu schenken oder den Fettschwabbel wegzuschneiden - hier soll einmal ganz gründlich aufgeräumt werden mit der grausamen Natur.

Mehrfache Gesichts-OP plus Bruststraffung plus Gebissersatz und obendrein ein neues Styling und Make-up sind die Mindestvoraussetzung für diese neue TV-Sendung. Für jeden Einzelkandidaten, wohlgemerkt.

Wie der Sender dieses Kabinett von physiognomisch mehr oder weniger herausgeforderten Persönlichkeiten für diese Doku zusammenstellen konnte, wird sein Geheimnis bleiben - man darf aber sicher sein: Viele fleißige Bienchen haben wohl sehr viel unschönes Material sichten müssen.

Babsi ist perfekt

Bei jedem noch so fiesen Näschen, jeder noch so krummen Brust ertappt man sich als Zuschauer bei dem Gedanken, wie viele noch schlimmere Fälle hier wohl ausgespart wurden, weil sie selbst fürs Fernsehen dann doch zu unansehnlich waren.

Eins wird deutlich in der ersten Folge von "Extrem schön!": Die Protagonistinnen sollen anrühren, Emotionen schüren. Das geht nur, wenn sie symphatisch sind und nicht allzu entstellt. Perfekt für diese Zwecke wirkt die erste Kandidatin:

Babsi ist 38 und Mutter zweier Kinder. Sie wäre eine freundliche, schlanke Blondine - wenn da nicht diese unschöne Fettschürze wäre seit der Geburt ihres Sohnes vor 16 Jahren. Man sieht Babsi samt Freund beim Sport - allein, es hilft alles nichts, die Schrumpelhaut will nicht weichen.

Und weil Babsi gar so arg weinen muss, keinen Sex mehr hat und so nicht mehr leben will, werden auch gleich die hängenden Oberlider mit entfernt. Die ebenfalls freundliche Blondine, die den stundenlangen Eingriff vornimmt, erzählt, dass sie selbst fast weinen müsse, wenn sie so viel Elend sehe. Sie nennt sich plastische Chirurgin, und das Schild der Düsseldorfer Klinik, in der sie arbeitet, wird einen Tick zu lange eingeblendet.

Lesen Sie weiter auf Seite 2, wer Interesse an der Schönheit hat.

So weit, so unschön. Nicht, dass jetzt darüber aufgeklärt würde, wie Babsi nach der Grunderneuerung aussähe, was nun mal das ursprüngliche Interesse des Zuschauers an jeder Vorher-Nachher-Show ist. Nein, der Spannungsbogen muss wohlmeinend-unerträglich ausgedehnt werden über die gesamte Sendung.

Nun, kurz vor der Verwandlung, kommt Suna ins Spiel. Die 37-jährige Türkin ist auch blond, aber gewissermaßen Babsis Gegenspielerin in der Sendung. Suna nämlich hat nicht nur eine Riesennase, für die sie nichts kann, sondern auch falsche Riesenbrüste, für die sie sehr wohl etwas kann, und kaum noch einen Zahn im Mund. Das Mitleid des Publikums dürfte spätestens dann an seine Grenzen stoßen, wenn sie von der thailändischen Brust-OP erzählt oder nach dem Zahnarztbesuch überrascht ist, dass man Zähne auch putzen kann.

Extrem weinen

Nachdem nun endlich beide Frauen extrem viel in die Kamera geweint und ihre Lebensgefährten den desolaten inneren wie äußeren Zustand ihrer Freundinnen bestätigt haben, nachdem sie bei freundlichen Chirurgen unterm Messer lagen, die alle deshalb Ärzte geworden sind, weil sie "mit Menschen zu tun haben" wollten und nachdem ein ziemlich gruseliges Team von nicht näher spezifizierten "Fachleuten" des Umstylings auf die Protagonistinnen losgelassen wurde, ganz zum Schluss also, da sieht man sie alleine vor dem Spiegel stehen und weinen.

Auch ohne eine Verona Pooth an ihrer Seite, die den "Schwänen" erklärt, dass sie jetzt "schön" seien, ist klar, warum das so sein muss: Diese Frauen erkennen sich nicht wieder.

Natürlich wurde hier mit viel Aufhebens aus einem Äußeren, das nicht dem gängigen Schönheitsideal entspricht, eine Figur erschaffen, auf die die Chirurgen und Sendungsverantwortlichen stolz sind. Und auch von den Protagonistinnen scheint in diesem Moment der Verwandlung jahrelanges Leid abzufallen, wie die unangenehme Stimme aus dem Off aufdringlich oft betont.

Der Zuschauer muss sich aber fragen, ob es nicht besser wäre, die Kandidatinnen psychologisch zu betreuen, und zwar vor allem nach der Komplett-Verwandlung. Daraus könnte man eine tolle neue Show machen: "Endlich ein Klon!" oder "Extrem wie mein Stylist!". Die Kamera könnte zeigen, wie der Erstkauf einer Zahnbürste gelingt, und auch für Erotisches wäre viel Platz.

Extrem umoperiert

Ein Mann mit dem wenig geglätteten Namen Kant, der sich zu Lebzeiten mehr Gedanken über Ästhetik gemacht hat als alle Sendungsverantwortlichen bei RTL II zusammen, definierte den Begriff Schönheit einst als "interesseloses Wohlgefallen", weil das Urteil über das Schöne das Einzige sei, welches das persönliche Interesse an dem Gegenstand nicht berücksichtige - und nicht berücksichtigen dürfe, da es sonst verfälscht werde.

Als interesselos aber lassen sich weder die in der Sendung gezeigten Chirurgen noch die quotenorientierten Sendungsmacher bezeichnen. Insofern werden die Kandidaten leider keinesfalls "extrem schön", sondern einfach "extrem umoperiert" nach Hause entlassen.

Natürlich lassen sich mit Hilfe von Chirurgie und Medizin vermeintliche Fehler der Natur besser in den Griff kriegen. Kein Wesen ist zu ewiger Passivität verdammt, und einige schwere Fälle profitieren von Umoperationen mit einem neuen Selbstbewusstsein. Wie viele Menschen aber von Sendungen wie dieser zu Eingriffen verleitet werden, die absolut nicht nötig wären, das wird mal wieder zu spät herausgefunden werden. Hier schon mal die aktuellen Einschaltquoten: 1,8 Millionen Zuschauer ab drei Jahren wollten die erste Ausgabe der neuen Dokusoap sehen, das reichte schon beim Gesamtpublikum für hervorragende 5,9 Prozent Marktanteil. Noch besser lief es aber in der Zielgruppe: Mit 1,29 Millionen 14- bis 49-jährigen Zuschauern kam "Extrem schön!" hier auf extrem gute 10,8 Prozent Marktanteil - ein Volltreffer für RTL II.

Zurück bleibt also erst einmal der Schrecken über eine Sendung, der sich bestimmt noch steigern lässt.

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