TV-Kritik: "Der Starpraktikant":Praktikantisch veranlagt

Lesezeit: 4 min

Versagensängste deluxe: Drei ambitionierte Möchtegernpraktikantinnen schuften, schleppen, schwitzen für einen Praktikantenjob bei Ed Hardy.

Isabelle Rupprecht

Dass sich junge Menschen im Fernsehen lächerlich machen, sind wir längst gewohnt. Im richtigen Leben ist es ähnlich - mit dem kleinen Unterschied, dass die Adoleszenz nicht von einem sensationshungrigen Publikum, sondern oft genug von ihren zukünftigen oder vergebens angestrebten Arbeitgebern ausgenutzt wird. Und während sich das im Berufsleben, den unendlichen Weiten der freien Wirtschaft, in Form von monatelanger unbezahlter Arbeit äußert, hat die Ausbeitung in der flimmernden Welt hinter der Bildschirmscheibe ein anderes Gesicht: Hier werden Emotionen gewollt heraufbeschworen, um Zuschauerquote zu generieren.

Vox ist dabei nun ein Kunststück gelungen: Der Sender hat es geschafft, beides zu kombinieren. In der neuen Show "Der Starpraktikant" (acht Folgen, immer sonntags von 17 bis 19 Uhr) wird der unerfahren-naive Praktikant zur geschundenen Fernsehkreatur, der als Anreiz die Erfüllung der beruflichen Träume sieht und so doppelt ausgenutzt werden kann.

Nach den Superstars, Supermodels, Starfriseuren, Superköchen und den Superauszubildenden sind wir nun also beim Starpraktikanten angelangt. Damit wird der Bewerbungsprozess durch eine weitere Etappe ergänzt: Zwischen der schriftlichen Bewerbung und dem persönlichen Gespräch steht nun die Fernsehshow.

Dabei gilt das Praktikum längst nur noch als ein vager Schritt in Richtung Traumerfüllung. Und selbst wenn man sein heißbegehrtes Praktikum erlangt, bedeutet das noch gar nichts. Zeiten, in denen ein Praktikumsplatz nur zur Einarbeitung diente und die Festanstellung damit quasi schon eingetütet war, sind längst passé. Hierzulande ist ein Praktikum dazu da, Erfahrungen zu sammeln, Einblicke zu gewinnen und zu selektieren, zwischen dem, was man will und dem, was man nicht will.

Wie praktisch, dass die natürliche Auslese der freien Wirtschaft nun zur Bestärkung noch ins Fernsehen verlagert wird. In Kombination mit einer Castingshow erscheint das Konzept perfekt: Castingshows bedienen sich der Träume anderer, um sie dann erbarmungslos an der Klippe des Lebens zerschellen zu lassen. So ist das Business. Da Träume von ihrer Kapazität her begrenzt sind, kann es in "Der Starpraktikant" nur eine Gewinnerin geben - und diese bekommt nicht etwa einen Job - nein, sie bekommt einen Praktikumsplatz.

Der Traum von der A-Prominenz

Auch Vox hat einen Traum: den Traum von der A-Prominenz. Zeigt sich der Sender in letzter Zeit fixiert auf Promis, nimmt er dabei meist, was er kriegen kann: Es kocht der Forsthaus-Falkenau-Darsteller mit dem gescheiterten Casting-Supermodel um die Wette. Doch für ihre neue Praktikanten-Show hat der Sender sich ein besonderes Kaliber geangelt: Modelabelboss Christian Audigier, den Gründer von Ed Hardy. In der ersten Folge der achtteiligen Praktikantensuche darf auch Michael Jackson dem "King of Fashion" zum Geburtstag gratulieren und Britney Spears auf der anschließenden Party kurz durchs Bild huschen.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, was Audigier sich von seiner Praktikantin wünscht.

Das Konzept der Show erinnert stark an "Germany's Next Topmodel": Hauruck-Umzieh-Aktionen auf offener Straße und der allseits beliebte Zickenterror stehen ganz oben auf der To-do-Liste der Möchtegern-Praktikantinnen im ersten Teil der Staffel:

Die Kandidatinnen, das sind die 18-jährige Linda, abgedroschenerweise als "Küken" betitelt, die 22-jährige Bettina aus München und die kesse 25-jährige Aksana. Sie sollen nun bei dem internationalen Mode-Kult-Label in Los Angeles sieben Tage lang "schwitzen, schleppen und schuften" um sich für ein zweimonatiges Praktikum zu qualifizieren. Qualid Ladraa, VIP-Chef von Ed Hardy und selbst mit 25 Jahren gerade erst dem Praktikanten-Alter entwachsen, soll sie dabei auf die Probe stellen und herausfinden, "wer hop ist und wer top ist". Passenderweise feiert Audigier gerade seinen 50. Geburtstag, der selbstredend mit einem dreitägigen Partymarathon gefeiert wird. Da können die jungen Damen aus Deutschland zeigen, was sie draufhaben. Immerhin zeigt Audigier als Juror väterliches Verständnis für die Kandidatinnen.

Die Konkurrenz schläft nicht

Und Aksana ist auch höchst motiviert, zumindest im Reden: "Für den Job werde ich mein Bestes geben, ich werde an die Grenzen gehe, ich werde versuchen, auch wenn ich müde bin, weiterzumachen und nicht aufzugeben." Anscheinend weiß sie genau, was sie erwartet - nur mit der Umsetzung gibt es Probleme: Aksana fällt dann doch eher durch Herumzappeln und stets kühn gewählten Lippenstift auf. Und das, obwohl doch in den Verhaltensregeln des Christian Audigier extra festgelegt ist: "Nicht zappeln".

Weitere Auszüge aus dem Praktikanten-Verhaltenskodex des weltweit agierenden Konzerns: "Wenn du einen Fehler gemacht hast, versuche nicht, dich rauszureden und mache es einfach besser." Auch sehr wichtig: "Gut riechen und kein Mundgeruch." Und: "Be cool - Du bist Angestellte und kein Groupie, verhalte dich gemäßigt." Gar nicht so einfach. Da kann man schnell in Panik verfallen. Wie Bettina: "Du hast null Ahnung, was auf dich zukommt, null Ahnung, was du anziehen sollst. Und das ist als Frau tödlich."

Gut aussehen und immer lächeln

Nun wissen wir also, wie man als Praktikant bei Ed Hardy nicht sein sollte - doch was genau macht den erwünschten Starpraktikanten aus? Lektion 1: Schnelligkeit: In einer logistischen Übung werden die Kandidatinnen auf Schnelligkeit und Koordination geprüft. Lektion 2: Pünktlichkeit. Sie lässt bei den Damen noch stark zu wünschen übrig. Lektion 3: Gut aussehen und immer lächeln. Das kann bei Bedarf noch ins Exponentiale gesteigert werden.

Doch schon am ersten Tag zeigt sich, wie schnell diese Vorsätze scheitern können: Die Kandidatinnen dürfen den Modemacher zu Hause bei seiner Modelfrau und den Kindern besuchen. Doch - oh Schreck: Sie sind nicht pünktlich. Und das nur, weil sie gut riechen wollten.

Soft Skills für Glamourgirlies

Es ist aber auch wirklich nicht leicht, als Praktikant alle gestellten Aufgaben gleichzeitig und zur Zufriedenheit zu erfüllen: Schnell, belastbar und flexibel sein; anpacken beziehungsweise dirigieren können; Ehrgeiz zeigen und dabei am besten auf Schlaf und Essen verzichten; Offenheit zeigen, vor allem gutgebauten Männermodels gegenüber; dankbar und bescheiden sein... und dabei, ganz wichtig, natürlich auch noch kreativ sein. Auch wenn es sich dabei um jeweils kleine Aufgaben handelt: Die Modebranche ist kein Zuckerschlecken. Und so schleppen die Kandidatinnen Kleiderberge hin und her, kommen beim Kreieren eines eigenen Ed-Hardy-Artikels ins Schwitzen und besorgen Vitaminwässerchen für verwöhnte Stars.

Und der Chef kommt natürlich immer in der falschen Minute vorbei, gerade dann, wenn alles schiefläuft. Zum Schluss macht das Rennen die blonde Bettina, denn die hat das schönste Lächeln.

Nächste Woche dürfen wir uns dann zeigen lassen, wie das Lifestyle-Magazin InStyle seine Praktikanten behandelt. Investigatives ist dabei nicht zu erwarten - die Sendung reiht sich praktischerweise ein in die Reihen der Glamour-Casting-Shows, in denen es nur darum geht, dass die Kandidaten vor der Kamera einen möglichst interessanten Charakter vorspielen. Praktikanten und solche, die es werden wollen, werden vergeblich nach Karrieretipps suchen. Und alle anderen bekommen seichte Castingunterhaltung, auf die man gut und gerne verzichten kann.

© sueddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: