TV: Kerner und das Traumschiff:Die Steigerung von Leichtmatrose

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In einer Dauerwerbesendung voller peinlicher Gespräche offenbart Johannes B. Kerner ungeahnte Talente - und irritiert die Crew mit knallharten Fragen.

Michael König

Über Johannes B. Kerner ist zuletzt viel geschrieben worden, wenig davon war schmeichelhaft. Ein TV-Moderator mit dem Hang zum Seichten sei er, ein Leichtmatrose der Fernsehunterhaltung gar. Bei Sat 1 jedoch, dem Sender, zu dem Kerner nach zwölf Jahren beim ZDF zurückkehren wird, hieß es, er solle "die journalistische Kompetenz weiter ausbauen". Ja, was denn nun?

Der Mann am Steuer: Unter Kerners Gästen war auch der Schauspieler Siegfried Rauch alias Kapitän Fred Paulsen aus der ZDF-Sendung "Das Traumschiff". (Foto: Foto: dpa)

Die Antwort gab der 44-Jährige am Dienstag im ZDF. So, wie man es von einem großen Showmaster erwartet: in der eigenen Sendung. Ein "Traumschiff Special" war angekündigt worden, eine JBK-Sondersendung an Deck der MS Deutschland im Hamburger Hafen. Dem Schiff, das die deutsche Fernsehlandschaft seit mittlerweile 28 Jahren mit, nun ja, großen Gefühlen und der einhundertprozentigen Garantie auf ein Happy End bereichert.

Kerner hätte sich kaum ein besseres Thema suchen können, um seine journalistischen Qualitäten in den Vordergrund zu stellen. Dank eifriger somalischer Piraten füllt die internationale Schifffahrt schließlich die Gazetten. Und auch die Finanzkrise dürfte dem Kreuzfahrt-Tourismus nicht unbedingt gutgetan haben. Von der Schweinegrippe ganz zu schweigen.

Bevor sich Kerner diesen brandheißen Aspekten widmen konnte, stellte er jedoch seine Gäste vor: Traumschiff-Regisseur Wolfgang Rademann als den Mann, der "noch nie Schiffbruch erlitten" habe. Siegfried Rauch, in der Fernsehserie der Kapitän des Schiffs, als "Mann am Steuer" und Fernseh-Schiffsdoktor Horst Naumann als "Arzt, dem nicht nur die Frauen vertrauen".

Das wird heute nichts mit der journalistischen Kompetenz

Das ließ Böses erahnen. Als Rademann dann zum Einstieg eine Anekdote erzählte, die von Rouladen und einer geplatzten Hose handelte, und als Bauer-sucht-Frau-Moderatorin und Neu-Crewmitglied Inka Bause dann sagte, eine Kreuzfahrt sei toll, weil man "in einem großen Zuhause die ganze Welt erkundet, um dann wieder nach Hause zu kommen", da war klar: Das wird heute nichts mit der journalistischen Kompetenz.

Stattdessen bewies Kerner, dass er seinem zukünftigen Arbeitgeber mit anderen Qualitäten dienen könnte: als Horst-Schlämmer-Imitator oder als Moderator von Dauerwerbesendungen.

Bei Kapitän Rauch fragte er knallhart nach: "Sie wurden neulich von einer Fregatte der deutschen Marine begleitet, zum Schutz vor Piraten. Stellt sich da ein Unsicherheitsgefühl ein?" Worauf Rauch irritiert antwortete: "Nein, wenn die Fregatte dabei ist, geht das Unsicherheitsgefühl weg ..."

Kerner ließ nicht locker und richtete die gleiche Frage an Regisseur Rademann. Der antwortete: "Als ich dem Piratenhäuptling sagte, wer zu unserer Besatzung gehört, wollte er lieber ein Containerschiff kapern." Man glaubte es ihm aufs Wort.

Der ausdauernd lächelnde Moderator fragte auch noch, ob die Menschen an Bord hin und wieder seekrank werden (Naumann: "Ja, das kommt vor") und ob Seefahrer in jedem Hafen eine andere Braut hätten (Rauch: "Ja, das soll's geben"). Und als Zuschauer fragte man sich ernsthaft, was eigentlich die Steigerung von Leichtmatrose ist.

Dem ebenfalls anwesenden Fernsehkoch Tim Mälzer wurde die Gelegenheit gegeben, sich bei den Reederstöchtern im Publikum um einen Job auf der MS Deutschland zu bewerben. Neben ihm saß - warum auch immer - ARD-Wetterfrosch Jörg Kachelmann, der darum warb, von anderen Sendern angesprochen zu werden - denn das sei ihm in seiner Karriere noch nie passiert.

Und Rademann fällt noch ein Kalauer ein

Und dann wieder Rademann, eine Duzmaschine erster Güte, der seine Kalauer stets mit "Oh, da fällt mir noch 'ne Geschichte ein" ankündigte. Das Schiff sei ein besseres Fünf-Sterne-Hotel, das Essen "toll", die Unterkünfte "wunderbar", die Blumengestecke "herrlich". Fehlte nur noch, dass er die Telefonnummer eines Reisebüros durchgesagt hätte.

Als "Fernsehhighlight mit spannenden Hintergrundinfos" hatte das ZDF die Sondersendung angepriesen. Nach 40 von 75 Sendeminuten fragte Kerner bei Rademann nach, warum dieser eigentlich nicht verheiratet sei. Und warum der ebenfalls unverheiratete Tim Mälzer es nicht genossen habe, sich auf einer Kreuzfahrt mit seinem Schwiegervater in spe eine Doppelkabine zu teilen. Mälzer: "Man sieht Dinge, die möchte man gar nicht sehen."

Als peinlich berührter Zuschauer war man froh über jede Tonstörung. Weil die Sendung mitten im Trubel des Hamburger Hafenfests aufgezeichnet worden war, knatterten gleich mehrere Hubschrauber über die Talkrunde hinweg. Und schließlich einige Düsenjäger in Kunstflug-Formation.

Sie kreisten mit donnernden Triebwerken über der MS Deutschland. Man wünschte sich, sie hätten ihre Flugshow über die gesamte Sendezeit ausgedehnt. In gewisser Weise wäre dann auch diese Traumschiff-Folge zu einem glücklichen Ende gekommen.

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