Trump Town (IV):Freiwillige Amerikaner

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Was unser Korrespondent erlebt, der in derselben Stadt lebt wie der künftige US-Präsident: Diesmal eine Einbürgerungszeremonie von 15 Immigranten.

Kolumne von Peter Richter

Der Kulturkorrespondent der SZ lebt in New York, in derselben Stadt wie Donald Trump. Weil die Überraschung nach der Wahl dort besonders groß war, schreibt er eine tägliche Kolumne.

Der bewegendste Termin der Woche findet im Tenement Museum auf der Lower East Side statt: Die Verleihung der Staatsbürgerschaft an 15 Immigranten. Tenement heißt Mietskaserne. Der Direktor des Tenement Museums heißt Dr. Morris Vogel. Man liegt sicher nicht extrem falsch, wenn man annimmt, dass er von deutschen Einwanderern abstammt.

Die Neubürger wissen mehr über die USA als die meisten Amerikaner

Dr. Vogel spricht über die Träume, mit denen einst die Neuankömmlinge in den Mietskasernen New Yorks hockten. Dann tritt León Rodríguez ans Pult, Direktor der U.S. Citizenship and Immigration Services, ein kantiger Mann, der in jeder Fernsehserie als Inbegriff des alten Arbeiterstadtteils Brooklyn besetzt werden könnte, wo er auch geboren wurde - als Sohn kubanischer Flüchtlinge. Mr. Rodríguez fordert Robert Katzmann, den Obersten Richter am U.S. Court of Appeals, auf, seines Amtes zu walten. Judge Katzmann spricht davon, wie seine Eltern aus Nazi-Deutschland fliehen mussten, und dass es ihn sicher nicht gäbe, wenn die USA sie damals nicht aufgenommen hätten. Die 15 Neuen macht er zu seinen Mitbürgern, indem er sie den Eid sprechen lässt, wonach sie jedem ausländischen Fürsten die Gefolgschaft kündigen und stattdessen die Verfassung der Vereinigten Staaten zur Not mit der Waffe verteidigen werden.

Der Wortlaut des Eids stammt nun einmal von 1790, und wer ihn spricht, muss vorher einen Test bestehen. "Sie wissen jetzt mehr über dieses Land als die meisten Amerikaner, die hier geboren sind", sagt Katzmann. Die 15 kommen aus Australien, Belgien, Kanada, Kolumbien, Frankreich, Griechenland, Irak, Israel, Italien, Japan, Libanon und Pakistan, aus Großbritannien kommen gleich mehrere. Sie sind zwischen dreißig und siebzig, und sie sehen alle so erfolgreich aus, dass vermutlich selbst President-elect Trump nicht anders könnte als von "great people" zu sprechen. Denn der ist natürlich das, was man im Englischen den Elefanten nennt, der im Raum steht: das unausgesprochene Thema, um das es eigentlich geht.

Doch dann bekommt Samantha Powers das Wort, Amerikas Botschafterin bei den UN. Sie wird als "Outstanding American by Choice" geehrt, als herausragende freiwillige Amerikanerin. Geboren wurde sie nämlich als Irin in Dublin. Powers sagt, sie könne sich vorstellen, dass einige von den Neubürgern ihren Entschluss noch einmal überdenken mussten seit vorletzter Woche - und nach einem Wahlkampf, in dem Ungleichbehandlung aufgrund von Glauben und Herkunft propagiert worden sei. Der Elefant im Raum ist damit immer noch nicht direkt beim Namen genannt, aber doch denkbar eng eingekreist. Frau Powers hält eine große, leidenschaftliche Wahlkampfrede nachträglich.

Jetzt im Nachgang ist oft zu hören, dass vor allem die Feindseligkeit weißer Rassisten gegenüber freiwilligen Amerikanern sowie Frauen in Führungspositionen schuld seien an Trump. Diesen Männern werden hier die Leviten gelesen. Das klingt so stark und gut, dass selbst der Korrespondent fast die Zahlen vergisst, wonach an dem Wahlergebnis auch diejenigen ihren Anteil haben, deren Vorfahren man als unfreiwillige Amerikaner bezeichnen muss: die Schwarzen, die nun einmal nicht in dem Maße Hillary Clinton gewählt haben, wie das von ihnen erwartet worden war. Und dass viele linke Frauen einen Hass auf Trumps Gegenkandidatin hatten, der bemerkenswert war.

Da war doch mal diese Helferin von Barack Obama, die Clinton während der Vorwahlen von 2008 in einem Interview als "Monster" bezeichnet hatte. Wie hieß die noch? Hieß die nicht - mal kurz googeln - genau: Leider hieß sie Samantha Powers.

© SZ vom 21.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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