Trauerfeier für den "King of Pop":Michael Jackson: Der Traum, der weiterlebt

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Die Welt gedenkt des Idols Michael Jackson. Im Staples Center in Los Angeles sind 20.000 bei der Trauerfeier tiefbewegt. Stars wie Magic Johnson und Stevie Wonder machen den Toten zu einem Helden der Schwarzen. Am Ende singen alle: "We Are the World" - und die Tochter spricht.

Hans-Jürgen Jakobs

Der beste Daddy. 13:30 Uhr Pacific Time

Michael Jacksons Tochter Paris weint umringt von der Familie auf der Bühne des Staples Center in Los Angeles. (Foto: Foto: AP)

Die Diskussion wird einsetzen, ob diese Trauerfeier nicht zu viel Show war. Ob es zu viel Tamtam gab.

Marcel Avram, der frühere Konzertveranstalter von Michael Jackson, hat den "Rummel um die Leiche im Vorfeld des Memorials" kritisiert. Er bezweifle, ob Jackson gewünscht hätte, so bestattet zu werden. Und die Hollywood-Diva Elizabeth Taylor, eine langjährige Freundin des Toten, wollte lieber im Privaten trauern: "Ich glaube einfach nicht, dass Michael wollte, dass ich meinen Schmerz mit Millionen anderen teile." Auch Diana Ross blieb dem Staples Center fern.

Die Familie teilt an diesem Tag das Intimste, die Trauer. Am Schluss sind die Jacksons auf der Bühne, bedanken und erinnern sich. Sie sind für den "Rummel" hier verantwortlich und offenbaren doch den Zwiespalt, der sich ergibt, wenn man prominent ist und doch privat bleiben will.

Marlon Jackson erzählt, wie er seinen Bruder Michael einmal erwischte, als er heimlich CDs kaufte, verkleidet und mit Perücke, um nicht erkannt zu werden. Der "King of Pop" habe viel erleiden müssen, immer sei er verfolgt worden. "Vielleicht lassen sie Dich jetzt in Ruhe!", ruft er. Es ist eine späte Rache an all den Paparazzi und Sensationsreportern, die auf der Jagd nach Material doch auch an der medialen Unsterblichkeit des Stars arbeiteten.

In Ruhe gelassen? Im Staples Center tritt auch Paris Katherine Jackson ins Scheinwerferlicht, die Tochter des verstorbenen Künstlers. Das Mikro wird für sie heruntergedreht. "Speak!", heißt es. Und sie spricht: "Seit ich geboren bin, war er der beste Daddy, den man sich vorstellen kann", sagt sie zögernd und schluchzend: "Love you so much."

Und dann fährt die Familie den Sarg aus jener Halle, in der Michael Jackson am großen Comeback gearbeitet hat und in der die Fans noch einmal alles über einen globalen Popstar hörten. Der Rest ist Schweigen.

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Es mag für Europäer seltsam sein, dass Künstler in einer großen Halle vor 20.000 Menschen direkt über dem Sarg des Toten singen. Usher geht noch weiter. Er geht mit seinem Mikro die Treppe herunter, legt eine Hand auf den vergoldeten Sarg. Und singt: "Gone Too Soon". Ein Video spielt danach auf der Leinwand den kleinen Michael ein.

Gone Too Soon. An diesem Tag ist alles erlaubt.

Smokey Robinson erzählt noch einmal, dass Jackson seine Songs so gut sang. Und dass er heute, wenn er "Who's lovin' you" interpretiert, zu hören bekommt: "Ach, Sie singen Michael Jackson?" Und dann preist der Soulstar das ewige Leben des verstorbenen Entertainers.

Es tritt Kenny Ortega auf, der Direktor der Michael-Jackson-Tour. Das Staples Center sei die Heimat Michael Jacksons gewesen. Er habe eine triumphale Rückkehr vorbereitet. Deshalb sei es selbstverständlich gewesen, diese Trauerfeier im Staples Center in Los Angeles zu organisieren. Ein Junge singt, der auch in London mit Michael Jackson hätte singen sollen.

Und dann stehen viele Sänger und Sängerinnen auf der Bühne und bringen jenes Lied zum Vortrag, das für viele die magische Wirkung des Idols Michael Jackson erklärt: "We Are the World". Die Welt soll besser werden, diesen Traum hat Michael Jackson auf seine Art gehabt. Das war sein amerikanischer Traum.

Er ging zu Ende - und irgendwie auch nicht.

Ein kleiner Prinz. 11:55 Uhr

Es ist schwer, ein Leben zu führen, das in Kinderjahren im Scheinwerferlicht beginnt. "Wir mussten sehr früh Erwachsene werden", sagt Brooke Shields. Sie weint. Sie erzählt mit brüchiger Stimme von der Freundschaft, die begann, als sie 13 war. Von den Späßen, die sie mit "MJ" getrieben hat, wie sie sagt.

Offenbar wird: Zwei Menschen, die früh ins Erwachsenalter gezwungen wurden, spielten Kinder. Oft wurden Brooke Shields und Michasel Jackson als Paar fotografiert, mit zynischen Bildunterschriften. Aber es sei eine tiefe Freundschaft gewesen, sagt die Schauspielerin, sie sei gerne sein date gewesen. Und sie habe ihn geneckt, dass ihre Karriere viel früher begonnen habe, mit elf Monaten und nicht, wie bei ihm, mit fünf Jahren. Er sei ein "Spätzünder" gewesen.

"Michael Jackson liebte es, zu lachen", sagt Brooke Shields, das All-American-Girl mit 44 Jahren. Für sie war Jackson nicht der "King", sondern der "Kleine Prinz". Dessen Lieblingslied sei "Smile" gewesen, das Lied aus Charlie Chaplins Film "Moderne Zeiten". Smile, lächle, auch wenn Du Deine Kindheit verlierst, weil Du Star sein musst.

"Smile" singt dann Jermaine Jackson, der Bruder des Königs, der in Wirklichkeit ein Prinz war. Ein kleiner Prinz, der seine Kindheit jahrelang nachholen wollte.

Say it loud. 11:30 Uhr

James Brown sang einst: "Say it loud (I'm black, I'm proud)". Das ist, was an diesem Tag von Michael Jackson bleibt: Der Stolz, es als Schwarzer geschafft zu haben.

Magic Johnson, der große Basketballer, spricht davon, dass der tote "King of Pop" Türen geöffnet habe, überall. Er spricht vom Genie, von den Videos, von der Familie und den Kentucky Fried Chicken, die er mit Michael genossen habe. Von der Saisonkarte, die der Künstler einst hatte. Aber vor allem spricht er von den Türen, die er aufgestoßen habe.

Kobe Bryant, der aktuelle Basketballstar, nennt den Verstorbenen einen "Humanisten". Keiner habe mehr für karitative Zwecke gespendet.

So ist Michael Jackson an diesem Abend vor allem ein Held der Schwarzen. "Wir brauchen Michael hier heute mit uns", sagt ein sichtlich bewegter Stevie Wonder. "Ich liebe Dich, das habe ich Dir oft gesagt." Und dann spielt Wonder Klavier, dann singt er "Never Dreamed You'd Leave in Summer". Keiner habe gedacht, dass diese Liebe des Sommers vergeht.

Und der Bürgerrechtler Al Sharpton sagt: "Michael hat nie aufgehört, nie aufgehört." Nie aufgehört, Schwarzer zu sein.

Gospel und Liebe. 10:50 Uhr

"Michael", rufen die Leute. "Michael". Der Sarg steht vor der Bühne.

Ein Gospel-Song eröffnet die letzte Show des Michael Jackson: "Halleluja! No more dying there." Der Pastor spricht von der Liebe, die der Tote der Welt gegeben hat und die er in sie bringen wollte. Einer, der die Welt heilen wollte mit seiner Musik.

Die Kraft seiner Songs war die Emotion, die größter handwerklicher Perfektion folgte. Jackson kümmerte sich um alles, um die Bass-Läufe und die Kostüme. An diesem Tag ist Mariah Carey wunderbar wie lange nicht mehr. Sie singt mit Trey Lorenz "I'll be There". Und endet mit "God bless you".

Queen Latifah bekennt, dass sie einst mit ihren Geschwistern so sein wollte wie die Jackson Five. Sie habe ihn mehr geliebt als ihr Leben. "Thank you", sagt sie leise, "thank you". Und: "Michael war der größte Star der Welt." Er habe den Afroamerikanern gezeigt, dass es da eine Welt außerhalb Amerikas gebe. Und nun würden die Menschen auf der Welt ihm Respekt zollen.

Der große Lionel Richie singt "Jesus is Love". Er hat eine gelbe Rose im Knopfloch stecken und trägt ein rotes Einstecktuch. Es symbolisiert Kraft.

Berry Gordy, der Gründer des legendären Plattenlabels Motown in Detroit, lobt den Toten. Michael habe damals, 1968, bei der ersten Präsentation der Jackson Five alles weggefegt. Er sei der Beste gewesen und wollte sich selbst übertreffen. Damals sang Michael einen Song von Smokey Robinson, und der habe danach gesagt, der Neue sei besser. Michael Jackson habe mit seiner Kreativität die Musik in eine andere Stratosphäre gebracht. Und der "Moonwalk" sei magisch gewesen.

Das sind Gordys Worte über den unzweifelhaften "King of Pop". Auf der Bühne sei er eine andere Person gewesen. Nein, sagt Gordy noch, er sei kein König gewesen, sondern der größte Entertainer, der jemals lebte.

Und dann zeigen Videos den Größten. "Michael", jubeln sie im Staples Center.

Mit Nelson Mandela. 10:15 Uhr

Blaues Hemd, er lacht, die Arme sind ausgebreitet. So sehen die Gäste der Trauerfeier im Staples Center, die auch eine musikalisch beschwingte Ehrung sein soll, den toten Star des Abends. Michael Jackson auf dem Programmheft, das wirkt auf viele, als sei der nette Junge aus der Nachbarschaft gestorben.

Der Sarg wird vor der Bühne stehen, daneben riesengroße Blumenflächen. Über dem Ganzen in großer Schrift: "In loving memory of Michael Jackson, King of Pop, 1958 - 2009". Seine Musik spielte, als die Gäste die Plätze einnahmen. Viele weinen. In dieser Halle hat Jackson noch zwei Tage vor seinem Herztod geprobt für das große Comeback in London, eine abenteuerliche Serie von 50 Konzerten, die ihn von finanziellen Sorgen befreien sollte.

Nun gibt es hier ein Konzert - für ihn, mit bekannten Bewunderern seiner Kunst. Diana Ross, die enge Freundin des Toten, hat eine Grußbotschaft geschickt. Sie dankt den Eltern, dass die Welt Zeit mit ihm verbringen konnte. "Be strong", übermittelt Nelson Mandela, er hat sich als Freund der Familie gefühlt. Smokey Robinson liest die Briefe vor.

Es wird im Dunkel im Saal. Die Welt ist dabei, über Fernsehen und das Internet. Be strong.

Der König und der Präsident. 09:30 Uhr

In den USA ist noch nie ein Schwarzer mit nur annähernd so viel Pomp und Pop zu Grabe getragen worden. Ohne die Regentschaft Michael Jacksons als König der Musik wäre "Barack Obama heute vielleicht nicht Präsident der USA", kommentiert im fernen Bielefeld die Neue Westfälische. Sein Mythos wirkt bis in die westfälische Provinz.

Acht Träger bringen den goldenen mit roten Rosen bedeckten Sarg in den Leichenwagen. Und alle erinnern sich an die Karriere des Michael Jackson und an all die gesellschaftlichen Umwälzungen seit 1963, als der Sänger erstmals aufgetreten war. Das war das Jahr, in dem Martin Luther King den USA sein I Have A Dream entgegenrief. Das war vor den Rassenunruhen, vor Malcom X und den Black Panthers.

Nachdem die Familienband Jackson Five in den siebziger Jahren aufhörte, setzte Michael zu seinem Siegeszug an, der deutlich machte, was Schwarze erreichen können. Durch das neue MTV und Musikvideos verbreitete sich seine Kunst über den Globus. Er begeisterte die Jugend über Grenzen hinweg, über soziale und nationale.

Barack Obama hat Jackson-Songs auf seinem iPod. Irgendwie wirken "Bad" und "Thriller" an diesem Dienstag aktuell. Die amerikanischen Sender spielen immer wieder die Hits des toten Königs des Pop. Und das Land denkt zurück, wie es wurde, was es ist.

Halle der Freiheit. 09:00 Uhr

Schwarze Limousinen davor. "Hall of Liberty" steht über dem Eingang. Die Familie und Freunde Michael Jacksons sind auf dem Friedhof Forest Lawn. Die private Trauerfeier läuft, aber was heißt schon privat an diesem Tag?

Es sind 100 Personen, die dem Popstar nahegestanden haben, die sich auf dem Prominentenfriedhof im Stadtteil Hollywood Hills versammelt haben. Allen voran die Eltern Joe und Katherine. Sie leben getrennt, und zum Vater hatte Michael Jackson eine schwierige Beziehung. Der Star schloss im Testament den Mann, der ihn in der Kindheit zum Star hochgeschurigelt hatte, vom Erbe aus.

An diesem Tag zählt nur die Erinnerung an einen Künstler, der für viele ein Genie war, einer der größten Entertainer in der Geschichte des Pop. Katherine, LaToya, Jermaine, einer nach dem anderen aus dem Jackson-Clan bewegt sich zu den dunklen Limousinen vor dem Friedhof.

Der Korso zum Staples Center, zur öffentlichen Feier mit Stars, wird zur Prozession für eine Ikone der Medienglobalisierung, der schon mit fünf Jahren auf der Bühne gestanden hat, der der "little Michael" bei den Jackson Five war, damals in den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts.

Los Angeles: Fieber. 08:30 Uhr Pacific Time

Die Stadt ist lahmgelegt. Staus, Verkehrschaos. Eine Art späte Hommage an einen Künstler, der sich zurückgezogen hatte, der die Metropole des Oscars hinter sich ließ. An diesem Dienstag aber steht Los Angeles ein letztes Mal unter dem Bann des Michael Jackson: Beerdigung und Trauerfeier.

Eine Million Menschen wollen zum Staples Center kommen, wo die Stars mit 17.000 Menschen, die online Karten zugeteilt bekamen, dem verstorbenen Star huldigen. Die Hotels sind ausgebucht. Tausende Polizisten und Feuerwehrleute sichern das Spektakel. Allein rund um das Staples Center stehen offenbar 3000 Polizisten.

Das Michael-Jackson-Memorial wird die Stadt L.A. drei Millionen Dollar oder mehr kosten, wie das Büro des Bürgermeisters mitteilt. Drei Millionen. Aber was macht das schon, wenn der Meister des Moonwalk, der Interpret von "Thriller", noch einmal präsent ist. Die klamme Kommune hat Fans via Internet aufgerufen, falls möglich einen Beitrag zu den Kosten zu leisten.

Parkplätze rund um das Staples Center kosten an diesem Dienstag auf einmal 30 Dollar. Die Gesetze von Angebot und Nachfrage gelten auch an diesem Tag. Sie gelten erst recht bei Michael Jackson. L.A. Man, ein letztes Mal.

Schon am Morgen, Stunden vor dem Ereignis, waren elf Elefanten und sieben Pferde eines Zirkus durch die Innenstadt zum Staples Center gezogen. Los Angeles nimmt Abschied von seinem König, dem King of Pop.

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