Theaterkritik:Lustig oder Nicht-Lustig?

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Hamlet muss kein Intellektueller sein: Jacob Keller (3. v. li.) spielt den Dänen-Prinzen als einen trotzigen, aufbrausenden Jüngling, den auch der Politprofi Claudius (Stefan Schießleder, 2. v. re.) nicht richtig im Griff hat. (Foto: Jochen Quast)

Mit Shakespeares Tragödie "Hamlet" startet das Theater Regensburg in die Saison. Die Inszenierung von Katrin Plötner beginnt vielversprechend - um dann schrill wie ein Comic zu enden

Von Petra Hallmayer

Das Fundament, auf dem sie stehen, hängt schief. Die Bühnenbildnerin Maria Moser hat Shakespeares Figuren auf ein schräg abfallendes Dreieck gestellt, dessen Spitze auf einen Grabhügel deutet. Langsam schreitet die Trauergemeinde herab, um dem toten König die letzte Ehre zu erweisen. Unter dem schwarzen Cape seiner Witwe aber, die das Bett mit seinem Mörder teilt, blitzt ein leuchtend rotes Kleid hervor.

Mit schnörkellos klaren Bildern eröffnet Katrin Plötner ihre "Hamlet"-Inszenierung im Theater Regensburg. Ohne politische Aktualisierungen zeigt sie eine von Machtgier, Intrigen und Lügen regierte Gesellschaft. Jeder misstraut jedem. "Hab' Angst", rät Polonius Ophelia, ein fieser, eiskalter Taktiker (Frek Brockmeyer), der seine Tochter instrumentalisiert. Der gewiefte Politprofi Claudius (Stefan Schießleder) setzt gemeinsam mit Hamlets Mutter Gertrud (Franziska Sörensen) dessen Freunde als Spione ein. Alle belauern, täuschen und bespitzeln einander. "Dänemark ist ein Gefängnis", erklärt Hamlet, der nackt bis auf einen Gürtel hereintapst. Lauscher schleichen umher, unter der Spielfläche kriecht der junge Fortinbras mit Norwegen-Fähnchen hervor, der von den mit sich und ihren Ego-Interessen beschäftigten Dänen ignoriert stets im Hinter- und Untergrund präsent ist und sich am Ende den von innen her verfaulten Staat aneignen wird.

Um ein verrottetes System auszustellen, dafür nimmt die bundesweit bekannte 31-jährige Regisseurin, die bereits mehrfach in Regensburg zu Gast war, Verluste in Kauf. Sie reduziert den Facettenreichtum der Figuren und greift in ihrer etwas überhastet voranjagenden Shakespeare-Version zu schroffen Textkürzungen. Dennoch folgt man der Aufführung gespannt, neugierig darauf, wohin sie führen wird.

Der seiner Hoffnung auf den Thron beraubte Hamlet ist bei Plötner kein Melancholiker, kein scharfsichtiger tatgehemmter Intellektueller, sondern ein trotziger, zornig aufbrausender Jüngling, der gern ein starker Mann wäre, aber dauernd ausrutscht und zu Boden knallt. Wenn dieser von Ehrgeiz getriebene Möchte-gern-Revoluzzer den "Sein oder Nichtsein"-Monolog anstimmt, wirkt das merkwürdig unmotiviert. Der tote König tritt als ein sehr lebendiger Geist auf, der seinen Sohn herrisch dazu auffordert, die Rache zu vollstrecken, und ihm eine Pistole hinwirft.

Das Gewaltpotenzial, das in Hamlet steckt, enthüllt sich erstmals in seiner Beziehung zu Ophelia, die er brutal vergewaltigt. Allein ein Funke Liebe oder der Abglanz eines großen Gefühls wäre schon nötig gewesen, um den Sturz des Mädchens in heillose Verwirrung glaubhaft zu machen. Warum verliert Verena Maria Bauers selbstbewusste, schnippisch kluge Ophelia den Verstand? Dass sich die beiden zunächst wild knutschend herumwälzen, ist bloß eine vordergründige Behauptung von Leidenschaft. Überhaupt scheint die Tragödie nicht Plötners Genre zu sein, tragisch ist hier nichts.

Der anfänglich etwas unsicher agierende Jacob Keller als Hamlet steigert sich zunehmend. Nach der Pause führt er eindringlich einen Fanatiker vor, der sich das Recht anmaßt zu morden, sich die Hand in die Hüfte gestützt in Feldherrnpose wirft. "Hamlet" als die Geschichte einer Radikalisierung zu erzählen, ist eine durchaus einleuchtende Lesart des Klassikers. Nur leider setzt Plötner diese nicht konsequent genug um. Stattdessen beginnt sie unvermittelt, lustige Pointen einzustreuen und versucht plötzlich ihre Inszenierung mit knalligen Theaterbildern aufzupeppen. Polonius Leiche spukt als Witzfigur auf der Bühne herum. Hamlet schmeißt als Faschingsprinz mit Konfetti, derweil Ophelia als blutbesudelte Opferstatue erscheint, vor der ein in einem weiten T-Shirt steckender doppelköpfiger Totengräberclown kniet. Das Finale entgleist zum albernen Comic mit Gebrüll und Raufereien, bei denen eimerweise rote Farbe ausgekippt wird. So klingt ein Abend, der vielversprechend begann, letztlich enttäuschend aus.

© SZ vom 26.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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