Theater:Kirchengeschichte am Tresen

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Nicht ganz zwanglos: Hier steht Gott am Zapfhahn und bedient Kirchenvertreter und Missbrauchsopfer. (Foto: Andreas W. Kohn)

Heiko Dietz, der Leiter des Theaters Undsofort, inszeniert sein eigenes Stück: "Gottes Last" ist aktuell im Tams-Theater zu sehen

Von Sabine Leucht

Gott ist cool. Sie heißt mit Vornamen Mechthild und steht hinter der Theke einer farblosen Bahnhofskneipe, in der der eine oder andere Fernet und noch mehr "aufs Haus" geht. Was das klerikale Kleeblatt, das aufgrund eines dubiosen Zugausfalls hier gestrandet ist, bestellen will, weiß sie lange, bevor die vier es umständlich eruieren. Überhaupt wäre es wohl recht langweilig in diesem Niemandsland zwischen den Gleisen von und nach Irgendwo, wären da nicht auch die so wütende wie belesene Putzfrau (Waltraud Lederer) und die kauzige Nervensäge vom Dienst.

Die spielt im Tams, das dem heimatlosen Theater Undsofort vorübergehend Asyl gewährt, Josef Parzefall, hauptamtlich einer der beiden Köpfe hinter Doctor Döblingers geschmackvollem Kasperltheater. Und wenn man die Augen schließt und hört, wie er die Pfaffen mit seinem Detailwissen grillt, hat man gleich den schamfreien Seppel vor Augen - wenn auch angereichert mit Kasperls Witz. Und man versteht ganz gut, warum der Bischof irgendwann entnervt fragt: "Ist Kirchengeschichte ihr Hobby?"

Theater-Undsofort-Leiter Heiko Dietz hat "Gottes Last" geschrieben und inszeniert, und er sitzt als rheinisch grantelnder Dauergast (Parzefall: "Wer hat eigentlich deinen Scheißdialekt erfunden?") an "dat Mechthilds" (Yvonne Brosch) Tresen. Ein wahrer Kraftakt für einen, der gerade sein Haus verloren hat - erst an das Wasser, dann an Asbest und schließlich an die streikende Geduld der Vermieterin.

Dietz' neues Stück bettet ein wichtiges Thema in ein hübsch versponnenes Setting: Den massenhaften Missbrauch katholischer Geistlicher an Kindern und anderen Schutzbefohlenen, die Scham der Opfer und die noch immer zu zögerliche Aufarbeitung der Kirche. Das komplexe Thema plus allerhand Hintergrundinformationen auf ganze zehn Schauspieler und elf Figuren zu verteilen, von denen einige sprechende Namen tragen wie der schweigende Kardinal Silenz, funktioniert anfangs ganz gut.

Die Szene lebt. Zumal die fleißig recherchierten Fakten des öfteren aus einer unerwarteten Richtung kommen. Nach der Pause aber hört man das Papier förmlich knistern, und die Figuren mutieren zu reinen Überbringern juristischer und historischer Informationen. Dass es gegen Ende zwischen den Geschwistern der Opferfamilie Wiktimar und den Mitgliedern der kirchlichen Obrigkeit noch gehörig menschelt, hilft dann leider auch nicht mehr.

Gottes Last ; Freitag, 20. April, 20 Uhr, Tams-Theater, Haimhauser Straße 13a

© SZ vom 20.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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