"The Big Eden" im Kino:Deutschlands letzter Playboy

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Kein Dunkel gibt es in diesem Leben, das hat er selbst eines Tages beschlossen, nur Oberfläche - und Glück. Rolf Eden kann eigentlich niemand mehr sehen. Und doch legt der Kinofilm "The Big Eden" den Zugang zu einem Menschen frei, der mehr ist als ein dauergrinsender, abgehalfterter Schwerenöter.

Sarah Ehrmann

Chérie, morgen hab' ich 'ne Fernsehsendung über Sex im Alter, da bin ich gespannt. Du sagst natürlich Ja", instruiert Rolf Eden seine Brigitte, gesprochen Brischiid. Sie soll vor den Kameras seine Potenz loben.

Der Regisseur Peter Dörfler hat es gewagt, einen Film über einen Menschen zu drehen, an dem sich jeder längst sattgesehen hat. Und das Wagnis gelingt: Eden ist mehr als nur Playboy. (Foto: dpa)

Katerfrühstücksidyll, Kartoffelsalat und Kaffee im Bademantel. Rolf Eden schwadroniert - über alte Männer, junge Frauen, Geld, Publicity. Deutschlands selbst ernannt letzter Playboy, der peinlichste Berliner, von Tip gekürt, 81 Jahre und kein Ende in Sicht. Kein Dunkel gibt es in diesem Leben, das hat er selbst eines Tages beschlossen, nur Oberfläche - und Glück.

Hinter dieser Fassade legt "The Big Eden" aber doch den Zugang zu einem Menschen frei, der mehr ist als ein dauergrinsender, abgehalfterter Schwerenöter. Der Regisseur Peter Dörfler hat es gewagt, einen Film über einen Menschen zu drehen, an dem sich jeder längst sattgesehen hat. Und das Wagnis gelingt. Weil Dörfler nichts aus der Hand gibt, Regie und Kamera verbindet - und weil er Eden fast zaghaft und doch unnachgiebig in die Karten schaut. Und der tut so, als merke er das nicht.

Edens Welt sieht heute so aus, als wäre er nie auf die Fugen zwischen den Steinen getreten, als könne er die Schatten der Vergangenheit für alle Zeit verdrängen. Hakuna Matata - "vergiss alle Miseren und erinner' dich nur an das Schöne - man kann ja nichts ändern", rät er im Film einem Freund.

Dabei ragen die Schatten durchaus in sein Leben hinein - wie die Flucht der Eltern 1933 aus Nazi-Deutschland nach Palästina, oder seine Zeit in der Eliteeinheit Palmach im Israelischen Unabhängigkeitskrieg. Nur jeder vierte in seiner Kompanie überlebte - aber der 19-jährige Eden war dabei. Er verkörperte das neue Israel, den propagierten "neuen Juden", der mutig, waffengewandt und anpackend, unbeirrbar seinen Weg macht. Der sich nicht als Opfer fühlt, sondern als Macher in einer neuen Zeit. Es wirkt ironisch, dass gerade seine alten Kompagnons seinem späteren Weg mit Unverständnis begegnen.

Mit tausend Frauen geschlafen, nur drei davon geliebt

Zwischen Episoden, in denen die Kamera Eden nach Israel begleitet, führt dieser als Erzähler durch sein eigenes Leben. Vor weißem Hintergrund entsteht eine zweite Ebene im Film, eine Matrix. Dort lässt Dörfler Eden im elfenbeinfarbenen Anzug zu überdrehten Kontrasten tanzen, auf die Bluescreen wird die Blaupause eines selbstentworfenen Lebens gezeichnet.

Hier sagt Eden, dass er nur drei der tausend Frauen, mit denen er angeblich geschlafen haben will, wirklich geliebt hat. Er hat sich dazu Bilder seiner inzwischen 60-jährigen Tochter auf den Teleprompter gelegt - so schaut er dem Zuschauer in die Augen, doch mit einer Zärtlichkeit, als spräche er zu seiner engsten Vertrauten. Es schmerzt, als er ihr erklären muss, dass ihre Mutter nicht unter den dreien war. Stille. Dann lacht er nervös.

Am meisten Stimmung aber transportieren Edens eigene Super-8-Videobänder, die ein versunkenes Berlin wiederauferstehen lassen. Da räkeln sich seidenschöne junge Frauen, zeigen nackte Brüste hinter Gitarren und: skandalös! hinter einem DJ-Pult. Zerstreuungswut prallt auf In-die-Hände-Spucken, der Russe droht, und der Morgen danach ist irgendwie kein Thema.

Eden hat sieben Kinder von sieben Frauen - doch kaum einem dieser Kinder kommt hier ein böses Wort über die Lippen. 2002 hat er seinen letzten Club, das "Big Eden" verkauft. Er ist ruhiger geworden, auch wenn er noch jeden Morgen in der Zeitung nach sich sucht. Dörfler zeigt einen Peter Pan in einem alten Körper. Kratzend schabt der Rasierapparats über die faltig gewordene Gesichtshaut. Doch wehmütig ist Eden dennoch nicht: "Nee, an den Tod denk' ich nicht. Dann ist man weg, wie 'ne Fliege oder 'ne Kakerlake, grraopfhh, dann gibt's nichts mehr - und deshalb will ich bis dahin jede Sekunde schön leben."

THE BIG EDEN, D 2011 - Regie, Buch, Kamera: Peter Dörfler. Ton: Frank Bubenzer. Verleih: Central, 90 Minuten.

© SZ vom 10.12.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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