Schweden:Nur noch zwölf

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Die Schwedische Akademie, die die Literaturnobelpreise vergibt, wird von weiteren Rücktritten erschüttert. Grund ist ein Skandal um sexuelle Übergriffe und schwarze Kassen, der die altehrwürdige Institution auseinanderzubrechen droht.

Von Johan Schloemann

Drei Rücktritte haben am Freitag die Schwedische Akademie weiter in die Krise getrieben. Die Akademie in Stockholm ist seit dem 18. Jahrhundert für die Pflege der schwedischen Sprache und seit dem Jahr 1901 für die Vergabe des Literaturnobelpreises zuständig. Seit Ende 2017 aber wird die eigentlich ehrwürdige gelehrte Institution von einem Skandal erschüttert. Der Ehemann eines Mitglieds der Akademie, nämlich der Lyrikerin Katarina Frostenson, soll über Jahre ein System von sexuellen Übergriffen und schwarzen Kassen betrieben haben, in Form eines "Kulturforums", das von der Akademie mitfinanziert und offenbar auch von weiteren ihrer Mitglieder gedeckt wurde. Auch das unerlaubte vorzeitige Durchstechen mehrerer Nobelpreis-Entscheidungen soll darauf zurückgehen.

Jetzt haben im Protest gleich drei Mitglieder der Akademie am selben Tag ihre Mitarbeit aufgesagt: der Schriftsteller Klas Östergren, der Literaturprofessor und Dichter Kjell Espmark sowie der Historiker Peter Englund. Das kommt in Schweden einem kulturellen Erdbeben gleich. Die traditionell achtzehn Mitglieder der Einrichtung, die viel mehr als eine Nobelpreisjury ist, werden eigentlich auf Lebenszeit ernannt. Man kann daher formell gar nicht ausscheiden, sondern nur seine Mitarbeit beenden. Das führt dazu, dass, frühere Rücktritte mitgerechnet, inzwischen fünf der achtzehn Stühle der Schwedischen Akademie unbesetzt sind; rechnet man die schwer unter Druck stehende Katarina Frostenson noch dazu, sind es sogar sechs. Damit steht in Frage, ob und wie die Akademie überhaupt weiterarbeiten (und den nächsten Literaturpreis vergeben) kann.

Laut schwedischen Medien steht eine Untersuchung des Skandals durch eine Anwaltskanzlei unmittelbar vor dem Abschluss. In einer Diskussion in der Akademie darüber, wie sie sich dazu offiziell erklären soll, ist es am Donnerstag offenbar zum Eklat gekommen. Die drei Zurücktretenden werfen der Akademie vor, nicht genug Verantwortung für die rufschädigenden Vorgänge zu übernehmen. Wie immer es nun in Stockholm weitergeht, es ist ungewiss, wie die Schwedische Akademie ihren Ruf, gemäß ihrem alten Motto nur für "Geist und Geschmack" zuständig zu sein, wiederherstellen kann.

© SZ vom 07.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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