Schauspiel:Atemlos im Hamsterrad

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Mit der Mediensatire "Gloria" beginnt Lilith Häßle ihr Engagement am Residenztheater

Von Franziska Rentzsch

Gloria ist es leid: Seit Jahren derselbe Job, dieselbe Stadt und die vergeblichen Machtkämpfe um Erfolg und Ansehen bei den Kollegen, die sie immer nur übergehen. Damit könnte der Kontrast zu Lilith Häßle wohl größer kaum sein. Denn im Gegensatz zu Gloria wird die junge Schauspielerin keineswegs übersehen. Gerade hat sie ihre erste Hauptrolle am Residenztheater ergattert, dazu neue Kollegen, eine neue Stadt und die Freude über einen Beruf, der sie ganz und gar erfüllt: "Ich freue mich einfach auf alles. Das Theater, die Arbeit, die Stadt, die Museen", sagt Häßle.

Und doch, bei aller Gegensätzlichkeit, sind die beiden Frauen eins, zumindest auf der Bühne: Denn da verkörpert Lilith Häßle nun die Journalistin Gloria, die seit neun Jahren für eine New Yorker Zeitungsredaktion arbeitet, dabei immer ihr Bestes gibt, dem sozialen Druck aber irgendwann nicht mehr standhalten kann. Ihre Sehnsucht nach Anerkennung gipfelt schließlich in einem Amoklauf, mit dem sie den Kollegen im Büro eine klare Botschaft hinterlassen will.

Das Stück von Branden Jacobs-Jenkins, das 2016 zu den Pulitzer-Preis-Finalisten gehörte, sei nicht nur eine Mediensatire auf unsere Zeit, sondern zeichne zudem ein Generationenbild der heute 20- bis 30-Jährigen, sagt Andrea Koschwitz, die Dramaturgin der Inszenierung. "Dabei geht es aber weniger um den Amoklauf selbst, sondern darum, was eigentlich davor passiert ist und um die kommerzielle Ausschlachtung des Ganzen danach", sagt Lilith Häßle über das Drama, das in deutschen Erstaufführung unter der Regie von Amélie Niermeyer im Residenztheater gezeigt wird. Darin übernimmt die aus Berlin stammende Lilith Häßle gleich eine Doppelrolle: Neben Gloria spielt sie auch die Chefredakteurin der Zeitung, die nur daran denkt, Profit aus dem Unglück zu schlagen. Ohne sich die Zeit zu nehmen, das Erlebte zu verarbeiten, schreibt sie ein Buch darüber und lässt es in Hollywood verfilmen. Ähnlich verhalten sich auch die Kollegen. Die sich aufdrängenden Schuldfragen aber werden von den Beteiligten überhaupt nicht mehr gestellt.

"Alles dreht sich immer weiter wie in einem Hamsterrad. Ich halte das für ein Sinnbild unserer Zeit", sagt Lilith Häßle. "Wir sitzen doch alle in einem Druckkessel." Viel zu oft gehe es nur darum, weiterzumachen, erfolgreicher zu werden und alles immer schneller zu erreichen. Dabei blieben Einzelne, die wie Gloria nicht in das System hineinpassten, zwangsläufig auf der Strecke. Zwar stellt auch Lilith Häßle die Schnelllebigkeit der Gesellschaft in Frage, hat aber ihren eigenen Weg zum Schauspiel ebenso stringent verfolgt: Direkt nach dem Abitur bestand sie die Aufnahmeprüfung an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Stuttgart, dann folgten das Studium und das erste feste Engagement am Staatstheater Mainz.

Nach drei Jahren wartet jetzt die nächste große Herausforderung am Münchner Residenztheater auf sie. "Natürlich schwimme ich damit genauso in dem Strom mit wie alle anderen", sagt die 26-Jährige, "aber ich glaube, ich hinterfrage es auch langsam." Als Schauspielerin habe sie einfach das Glück, Probleme aufzeigen zu können, ohne dafür eine Lösung parat haben zu müssen. In "Gloria" kann man Lilith Häßle dabei beobachten und seine eigenen Schlüsse ziehen.

Gloria ; Freitag, 20. Oktober, 19.30 Uhr, Residenztheater, Max-Joseph-Platz 1

© SZ vom 20.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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