Robert-Frank-Ausstellung in Essen:Bilder einer Einstellung

"Cheap, quick and dirty": Robert Frank gilt als Begründer der Straßenfotografie. Ausstellungen wollte er eigentlich nie wieder machen. Aber er ließ sich noch einmal überzeugen. Weil hinterher alles vernichtet wird.

Von Alex Rühle

Das würde Robert Frank gefallen: Sein Gesamtwerk wird gezeigt. Aber nicht in einem Saal, sondern in all den Gängen, die die verschiedenen Ausstellungshallen des Chipperfieldbaus im Museum Folkwang miteinander verbinden. Er ist im Museum, und doch draußen. Genau der richtige Ort für einen, der sich so lange gegen die Musealisierung seines Werkes sperrte.

Robert Frank gilt als Erfinder der Street Photography. Viele seiner Bilder wurden aus der Hüfte geschossen, aus dem fahrenden Auto, mitten in einer Bar oder auch versteckt im Park. "Ich musste einfach sehr schnell sein, wenn ich Leute fotografiert habe", sagt er über die Art, wie er Mitte der Fünfzigerjahre auf seiner Rundreise durch Amerika seine Bilder gemacht hat. Sehr schnell muss Zeitung auch sein, am Nachmittag geschrieben, nachts gedruckt, morgens im Briefkasten.

"Cheap, quick and dirty"

Insofern ist es also nur konsequent, wenn Franks Aufnahmen einmal nicht als millionenschwer versicherte Gelatin Silver Prints gezeigt werden, gerahmt wie für die Ewigkeit, sondern auf den Blättern, die die Welt neu deuten, dem Papier, auf dem die Süddeutsche Zeitung Tag für Tag gedruckt wird. Als Robert Frank in seinem kleinen Haus im kanadischen Mabou erstmals von dieser Ausstellungsidee hörte, sagte er: "Cheap, quick and dirty, that's how I like it."

Die Präsentationsform ist dabei so einfach wie nur möglich: Auf den mehr als drei Meter langen Papierbahnen werden jeweils sechs bis 15 Fotos aus einem Buch angeordnet und betitelt. Auf Wunsch von Robert Frank sollen die Fotos ganz schlicht, in linearer Reihung, platziert werden. Das Ganze beginnt mit ersten Arbeiten aus dem Jahr 1947 und endet mit Polaroid- und 35 mm-Fotografien von 2014.

Im Eingangssaal des Museums werden außerdem alle Filme gezeigt, die Frank von 1959 an gedreht hat und die oft im Schatten seines fotografischen Werks stehen. Und wir stellen darüber hinaus alle Bücher aus, die zwischen 1947 und 2015 entstanden sind, schließlich hat Robert Frank beim Fotografieren von Anfang an "in Büchern" gedacht, ein Aspekt, der in vielen Texten über den Künstler Frank bislang zu kurz kam.

Das Folkwang-Museum aber ist nur ein Anfang. Es war Robert Franks ausdrücklicher Wunsch, mit der Ausstellung ein junges Publikum weltweit zu erreichen. Die Ausstellung geht anschließend nach New York, dann in acht Städte im deutschsprachigen Raum und in etwa 50 Städte rund um den Globus. Die einzelnen Papierbahnen dürfen in den Ausstellungen nach Gutdünken aufgehängt, respektlos behandelt und je nach den räumlichen Gegebenheiten auch zerschnitten oder zusammengeklebt werden.

Ein Gesamtwerk zum unter den Arm klemmen

Einer der so angenehmen wie praktischen Nebeneffekte dieses Konzepts: Man kann sich als Kurator oder Veranstalter die ganze Ausstellung unter den Arm klemmen, sie passt auf eine Papprolle. Und man kann das Werk jeweils den Räumen anpassen, in denen es gezeigt wird: In München haben wir im vergangenen November die Eingangshalle der Münchner Akademie der Bildenden Künste bespielt, ein ähnlich transitorischer Raum wie die Gänge des Museums Folkwang. Dort haben wir die Fotobahnen aber an die Wand gekleistert wie eine kostenlose Uni-Zeitung und die Titel mit Bleistift an die Wand gekritzelt, ähnlich kleinen Graffitis.

Es wird noch spannend sein zu sehen, wie sich Franks Werk immer wieder neu den verschiedenen Räumen anverwandelt. Wobei als Ausstellungsorte ausschließlich Kunstakademien, Fotohochschulen, Museen und andere nicht kommerzielle Einrichtungen, nicht jedoch kommerzielle Galerien in Betracht kommen: Robert Frank will, dass seine Fotos, Bücher und Filme zu sehen sind, umfassend, unprätentiös, für jedermann zugänglich.

Am Ende wird alles vernichtet

Was er nicht will, ist eine Leistungsschau von Kuratoren im Verein mit Leihgebern, Sponsoren und Versicherungen. Diese müssten beim heutigen Wert der Bilder von Robert Frank gigantische Summen aufwenden und könnten nicht einfach jemanden mit Vintage-Prints losschicken. Das wäre der pure Wahnsinn. Der Wahnsinn eines überhitzten Kunstmarkts, den dieses Projekt ganz nebenbei unterläuft.

Die einzige Bedingung, die alle Ausstellungsmacher unterschreiben müssen, lautet deshalb: Am Ende werden die Bilder restlos vernichtet. Als Frank von diesem Passus hörte, willigte er endgültig ein. Begeistert zerknüllte er die Ausdrucke, die wir ihm nach Mabou mitgebracht hatten und knurrte: "Nothing left for the rotten art market!"

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