Regisseur:About Alex Payne

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Der amerikanische Filmemacher war schon mit seinem Debütfilm in München. Inzwischen hat er mit seinen Filmen "About Schmidt" und "Sideways" zwei Oscars gewonnen.

Interview von Josef Grübl

Vor 18 Jahren war Alexander Payne schon einmal auf dem Münchner Filmfest zu Gast, damals bekam er einen Preis für den besten Debütfilm. Seitdem hat sich sein Trophäenschrank stetig gefüllt, der Regisseur drehte Oscar-Gewinner wie About Schmidt oder Sideways. Das Filmfest widmet ihm nun eine Retrospektive. Der Filmemacher wird bei der ihm gewidmeten Gala anwesend sein.

SZ: Können Sie sich noch an Ihren Besuch in München, im Jahr 1997 erinnern?

Payne: Sehr gut sogar. Ich war in Los Angeles, als mich eine Dame namens Barbara Glauning anrief. Sie arbeitete für die Presseabteilung des Filmfests und teilte mir mit, dass ich den mit 50 000 D-Mark dotierten Preis für den besten Debütfilm gewonnen hätte. Für mich war das eine große Überraschung: Ich wusste ja noch nicht einmal, dass Citizen Ruth in München gezeigt wurde. Also stieg ich ins nächste Flugzeug und flog zur Preisverleihung. Es war toll, ich blieb die ganze Nacht wach und wurde am nächsten Morgen zum Flughafen gebracht. Im Gepäck hatte ich eine unglaublich schwere Metallskulptur: Den High Hopes Award.

Dieses Mal bleiben Sie aber länger?

Ja, ich bleibe fünf Tage in München. Danach reise ich nach Bologna, dort findet ein wunderbares Festival für alte Filme statt.

Ihre Filme drehen sich oft um die Ängste alternder Männer. Beschäftigt Sie das Thema so sehr ?

Vielleicht (lacht). Viele Komödienregisseure greifen auf einen bestimmten Archetyp zurück: Charlie Chaplin hat den Tramp erfunden, Buster Keaton den "Stoneface Man". Mein Co-Autor Jim Taylor und ich entdeckten das komische Potenzial von verletzlichen mittelalten Männern, so unüblich ist dieses Vorbild aber gar nicht.

Besonders komisch sind in Ihren Filmen Szenen wie George Clooneys Sprint durch die Nachbarschaft in The Descendants .

Das sind Dinge, über die ich mir vorher am meisten Gedanken mache. Ich bin Stummfilmfan und sehr interessiert an physischem Spiel. Als Regisseur beschäftigt mich vor allem das Verhältnis von Körper und Raum.

In knapp 20 Jahren haben Sie erst 6 Spielfilme gedreht. Hat das damit zu tun, dass Sie selbst schreiben?

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(Foto: Filmfest)

Männer in der Krise sind Alexander Paynes Markenzeichen: In The Descendants spielt George Clooney einen betrogenen Ehemann,...

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(Foto: Filmfest)

...in Sideways ertränkt Paul Giamatti den Kummer im Wein.

Und in About Schmidt zieht Jack Nicolson bittere Lebensbilanz.

Ich bin nicht aus freien Stücken Autor geworden, eher aus Verzweiflung. Die Arbeit mit Schauspielern und das Inszenieren interessiert mich mehr. Aber um Regie führen zu können, braucht man ein Drehbuch. Leider finde ich so gut wie nie fremde Drehbücher, die ich verfilmen will. Daher muss ich mich selbst hinsetzen und schreiben.

Aber könnten Sie nicht mittlerweile jedes gute Buch bekommen?

Davon gibt es gar nicht so viele, heute laufen ja kaum noch Filme über echte Menschen im Kino. Ich sage es ungern: Aber die Bücher, die mich über meine Agentur erreichen, sind oft sehr formelhaft und nicht besonders durchdacht.

Sie haben als einer von wenigen Regisseuren in Hollywood das Recht auf Final Cut. Wie schwierig ist es, die Kontrolle über Ihre Filme zu behalten?

Das hängt immer vom Budget ab. Wenn es so niedrig ist wie bei meinen bisherigen Filmen, habe ich nahezu die komplette Kontrolle. Wenn ich einen höher budgetierten Film machen will, kann ich auch über den endgültigen Schnitt entscheiden. Dann wird aber viel mehr über das Budget und die Besetzung diskutiert.

Es braucht also immer einen Star, um Filme finanziert zu bekommen?

Ein Star hilft immer, unabhängig vom Budget. Wenn ein Film herauskommt, fragt doch jeder erst einmal, wer mitspielt - ich übrigens auch. Die Zuschauer interessieren sich eben für Schauspieler. Wenn das Budget sehr hoch ist, brauchen die Studios Stars als eine Art Versicherungspolice.

Kleinere Rollen besetzen Sie oft mit Laien. Was versprechen Sie sich davon?

Es gibt ein uraltes Klischee, das aber nach wie vor zutrifft: Bei der Arbeit mit Schauspielern macht 90 Prozent das Casting aus. Also muss man sehr sorgfältig abwägen, wen man besetzt - vor allem, wenn man wie ich die Realität abbilden möchte. Deshalb arbeite ich gerne mit Laien, Filme wirken realistischer durch sie. Nur wenn sie eine völlig andere Person spielen sollen, geht es oft daneben.

Sie arbeiten seit vielen Jahren mit Ihrem Koautor Jim Taylor zusammen. Wie wichtig sind Ihnen solche Partnerschaften?

Es gibt übrigens auch eine deutsche Verbindung: Mein Kameramann Phedon Papamichael ist gebürtiger Grieche, ging aber in München zur Schule. Wenn ich mit Bekannten arbeite, muss ich mich nicht ständig erklären. Das macht die Sache einfacher. Gleichzeitig ist es wichtig, neue Leute zu treffen und sich inspirieren zu lassen.

Sie haben deutsche und griechische Wurzeln. Was verbindet Sie mit Deutschland?

Leider weiß ich nur wenig über meine deutschen Vorfahren. Über die griechischen bin ich viel besser informiert, da ich zu drei Vierteln Grieche bin. Meine Großmutter war die Tochter von deutschen Immigranten, einem bayerischen Bäckerpaar namens Charles und Josephine Hoffman. Falls es unter Ihren Lesern Hobby-Ahnenforscher gibt, die etwas über meine deutsche Herkunft herausfinden, wäre ich hocherfreut!

In der deutschen Sprache gibt es den Begriff "Heimat", den es im Englischen so nicht gibt . . .

Sagten Sie gerade "Heimat"? So wie der berühmte Film?

Ja, genau. Einige deutsche Regisseure gelten als sogenannte Heimatfilmer. Sie kommen aus Nebraska und haben dort vier Filme gedreht. Sind Sie auch Heimatfilmer?

Ich mag Filme, die einen starken Bezug zur Realität haben. Ein wichtiger Aspekt davon ist die Herkunft. Man hat mich schon oft danach gefragt, was aber vermutlich daran liegt, dass ich aus einem seltsamen Ort namens Omaha in Nebraska komme. Wenn ich in Los Angeles, Paris oder Tokio geboren wäre und dort filmen würde, kämen solche Fragen sicher seltener. Wir haben aber alle eine starke mysteriöse Verbindung zu den Orten, an denen wir aufgewachsen sind.

Was halten Sie von der Retrospektive Ihres Werks auf dem Filmest?

Ich fühle mich geschmeichelt, gleichzeitig ist es etwas eigenartig. Denn ich habe das Gefühl, dass ich noch ganz am Anfang meiner Karriere stehe. Bisher habe ich erst sechs Spielfilme gemacht, in Zukunft bin ich hoffentlich schneller. In Amerika ist es schwieriger geworden, Filme über echte Menschen zu drehen. Die Studios setzen auf Action und Comicverfilmungen. Viele Regisseure sind zum Fernsehen gegangen, ich will aber weiterhin Kino machen.

Zu Ehren von Alexander Payne : Retrospektive & Gala. Auch diese ist öffentlich, es gibt noch Karten für Fr., 26. Juni, 19.30 Uhr, im Carl-Orff-Saal

© SZ vom 25.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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