Pop:Retrokolumne

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Die Wiederveröffentlichungen der Woche. Diesmal mit "1967 - Sunshine Tomorrow" von den Beach Boys, Evan Dandos "Baby, I'm Bored", den Singles der Krautrock-Pioniere von Can und der Antwort auf die Frage, wie funky deutsche Hippies grooven konnten.

Von Thomas Bärnthaler

Mitte der Sechzigerjahre ereignete sich eines der folgenreichsten Duelle der Popgeschichte. Angestachelt von der konzeptionellen Dichte des Beatles-Albums "Rubber Soul" gingen damals die Beach Boys ins Tonstudio mit dem Plan, "das großartigste Album aller Zeiten" (Brian Wilson) aufzunehmen. Was ihnen 1966 mit "Pet Sounds" dann tatsächlich auch gelang. Allerdings rächten sich die Beatles mit "Revolver", dem ersten Psychedelic-Rock-Album der Popgeschichte und legten ein paar Monate später sogar noch "Sgt. Peppers" nach, das bekanntlich andere großartigste Album aller Zeiten. Es waren atemlose Zeiten. Danach war erst mal die Luft raus, zumindest für Wilson, der zwar noch stand, dessen nächste Patrone aber im Lauf stecken geblieben war. Das Beach-Boys-Album "Smile" scheiterte an den eigenen Ambitionen und wurde erst Jahrzehnte später veröffentlicht. Stattdessen zog sich Wilson zurück, schmiss viel zu viele LSD-Trips und ließ Sand unter dem Flügel in seinem Wohnzimmer auskippen, um seine Depressionen zu kurieren. Von dieser Zeit des Suchens erzählt die Kompilation "1967 - Sunshine Tomorrow", die neben einem Stereomix des Albums "Wild Honey" unveröffentlichte Outtakes sowie Liveaufnahmen der Beach Boys aus jener Zeit beinhaltet. Das vom Motown-Sound beeinflusste "Wild Honey" hatte die Band erst mal ohne Hilfe von Studiomusikern eingespielt, befreit auch von der anstrengenden Dominanz ihres Genies Brian Wilson, der auf dem Weg in die innere Emigration war. Die Unbeschwertheit, mit der hier noch einmal die heile Welt aus angeschmachteten Girls, blauem Himmel und gütigen Mamis besungen wird, rührt einen heute noch, erst recht, wenn man weiß, dass sie damals längst ihre Unschuld verloren hatte. Viel erstaunlicher jedoch ist, welche Schätze da noch 50 Jahre später in den Archiven schlummerten: Perfekte Sunshine-Pop-Nummern wie "Lonely Days" oder "Time To Get Alone" etwa, die aus unerfindlichen Gründen als Ausschuss angesehen wurden. Oder Liveaufnahmen von Klassikern wie "God Only Knows" und "Surfin'" sowie diverse Sessionaufnahmen in Wilsons Zuhause. Darunter eine beseelte Coverversion des Beatles-Songs "With A Little Help From My Friends". Würdevoller kann man seine Niederlage nicht eingestehen.

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