Pop:Energiewolke

Lesezeit: 1 min

"Transzendentaler Black Metal" : Die New Yorker Band Liturgy. (Foto: Liturgy)

Die New Yorker Band "Liturgy" spielt erhabenen Philosophen-Pop. Sie selbst nennen es "transzendentalen Black Metal".

Von Rita Argauer

Die Szene in der Münchner Kranhalle war ein klein wenig absurd: Da standen am Dienstagabend nämlich vier knapp 30-jährige und ziemlich unscheinbare Musiker auf der Bühne, spielten in einer irrsinnigen Lautstärke Musik, die deshalb schon rein körperlich auf Dauer kaum zu ertragen war -und vor der Bühne empfing das ein Publikum, das älter als die Musiker selbst war, und sonst eher auf geruhsamen Indie-Folk-Konzerten zu finden ist. Kaum hundert Zuschauer waren da und dennoch - oder gerade deshalb? - passierte etwas Außergewöhnliches bei diesem Konzert.

Der New Yorker Band Liturgy gelingt es mit ihrer Musik, die sie selbst etwas prätentiös als "transzendentalen Black Metal" beschreiben, tatsächlich ein paar beinahe übersinnliche Momente zu schaffen. Man hat so eine Musik ja im Grunde noch nie gehört. Und die Ernsthaftigkeit, mit der sie die Band exerziert, ist auch wirklich sehr, sehr, sehr selten.

Die Musik der Band zu beschreiben, bringt das Problem mit sich, sofort von ganz vielen anderen Musiken sprechen zu müssen, die mit harter Rockmusik gar nichts zu tun haben: von der eher abstrakten neuen klassischen Musik zum Beispiel und von spätromantischer Klassik, aber auch von Pop-Genres wie Wave, elektronischer Musik und dem ganz düsteren Black-Metal. Liturgy nehmen dem Metal mit den fremden Einflüssen das Martialische, vor allem aber tun sie damit etwas, was viele längst für vollkommen aussichtslos halten: Sie versuchen die Musik im Pop neu zu denken und nicht nur die Inszenierung.

Auf einen Groove, der sich aus völlig verrücktem, aber hoch virtuosem Schlagzeug-Geknüppel schält, kann man lange warten. Ebenso allerdings auf wütendes Geschrei, das der am Schlagzeug erzeugten Intensität entspräche. Die Band schwebt vielmehr stur auf einer Art Energiewolke. Einer unruhigen Fläche von klirrender, irgendwie außerweltlicher Erhabenheit, die jedoch seltsam gut zur Intimität dieses Abends passte.

Liturgy werden mit dieser neuen Pop-Musik und ihrer spröden Ernsthaftigkeit bestimmt keine Mainstream-Stars. Sie wirken ja, als würden sie nach der nachmittäglichen Wittgenstein-Lektüre in den Probenraum schleichen, um dort dann daran zu scheitern, sprachphilosophische Probleme musikalisch zu lösen.

Doch vielleicht bringt dieser Philosophen-Pop genau die Art von Pathos hervor, die noch fehlte. Nächstes Jahr dann wird bestimmt irgendjemand aus Ernst wieder Spaß machen, die Sache also mit etwas mehr Pop-Appeal versehen und weltberühmt werden.

© SZ vom 05.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: