Pop:Der Geruch der Verzweiflung

Lesezeit: 2 min

Ein Gespräch mit Rockmusiker und Produzent Josh Homme über die Ängste der Branche und die Schönheit der Wüste.

Interview von Julian Dörr

Wie er da so sitzt, dieser mächtige, rothaarige Mann auf dem kleinen blauen Sofa seines Hotelzimmers. Die schweren Stiefel wippen auf der Tischkante. Die Zigarette schwebt über dem zum Aschenbecher zweckentfremdeten Wasserglas. Josh Homme trägt einen Hauch amerikanische Wildromantik in dieses sehr ordentliche, saubere Zimmer. Eine Romantik, die ja vor allem von der Abwesenheit der Zivilisation lebt. Josh Homme ist in einer kleinen Stadt in der südkalifornischen Wüste aufgewachsen, dort ist auch seine Band, die Queens of the Stone Age, entstanden, eine der wichtigsten Rockbands der vergangenen 20 Jahre. Und auch mit Iggy Pop war Josh Homme in der Wüste, im Studio in Joshua Tree in der kalifornischen Mojave Wüste, um dort 2015 dessen Altershauptwerk "Post Pop Depression" aufzunehmen. Über diese Sessions hat er einen Film gedreht. "American Valhalla" heißt der - die amerikanische Version des nordischen Jenseitsortes. Zeit für ein Gespräch über die Endlichkeit.

SZ: Mr. Homme, Sie sind in der kalifornischen Stadt Palm Desert in Riverside County aufgewachsen, geografisch besteht die Region fast ausschließlich aus Wüste. Was sagen Sie denen, die Ihnen mit Wüstenromantik kommen?

Josh Homme: Das ist schon in Ordnung. Es gibt eine natürliche Romantik für etwas, das eigentlich so fremd, so lebensfeindlich ist. Für mich ist die Wüste aber einfach Heimat. Ich fühle mich dort sicher.

Vor ein paar Jahren haben Sie die "Arctic Monkeys" mit ins Studio in der Mojave Wüste genommen und so eine der besten britischen Gitarrenbands in eine exzellente amerikanische Gitarrenband verwandelt. War daran auch die Wüste schuld?

Die Wahrheit ist, dass sie damals Demo-Aufnahmen hatten, die eigentlich schon sehr danach klangen. Das musste man nur noch aufnehmen.

Das Album, dass Sie mit Iggy Pop aufgenommen haben, heißt "Post-Pop-Depression. Was ist das - und ist man auch in der Wüste nicht vor ihr sicher?

Tja, die hat wohl eher etwas mit dem Alter zu tun, fürchte ich. Früher kannte ich sie nicht. Ich habe immer daran geglaubt, dass ich etwas schaffe, das vorher nicht da gewesen ist. Ich glaubte zwar nicht, das Rad neu zu erfinden, war aber überzeugt davon, dass meines sehr gut rollt. Heute fühlt sich das Songschreiben eher an wie Bergwerksarbeit. Ich muss mich sehr anstrengen und irrsinnig tief graben, um etwas zutage zu fördern. Es wäre schön, wenn es anders wäre. Das ist es aber leider nicht.

Das klingt wie eine Bestandsaufnahme der Rockmusik der Gegenwart.

Oder der Musik im Allgemeinen. Die Musikindustrie ist in Aufruhr. Es herrschen Angst und Panik. Aber der richtige Moment, um in Panik zu verfallen, ist - nie! Weil es nichts hilft. Es ist heute wichtiger denn je, man selbst zu sein. All dieses andere zusammengebaute Zeug in der Popmusik, hier ein Rap-Part, da dieser Part, da jener - daraus strömt doch der Geruch der Verzweiflung.

Aber finden Sie nicht auch, dass die wirklich innovative Popmusik heute nicht mehr aus dem Rock kommt, sondern in Hip-Hop und R'n'B entsteht?

Hm, Genres sind doch nur was für Leute, die im Plattenladen arbeiten.

Na ja, kommen Sie, Rock hatte doch wirklich schon einmal bessere Zeiten, oder nicht?

Ich verstehe ja den Drang, danach zu fragen. Aber ich teile eben schon die Prämisse nicht, die vom Geschäft her gedacht ist. Der Kategorisierungswahn hat letztlich doch nur dazu geführt, dass viele Künstler sich in eine Marke, einen Brand, verwandeln mussten, weil sie etwas verkaufen oder weil sie ihren Lebensstil erhalten wollen. Dabei gerät die Musik und ihre Kraft zwangsläufig aus dem Blick. Wenn ich von einem Brand rede, dann meine ich das heiße Eisen, mit dem ich dir ein Brandzeichen einbrenne. Das ist die einzige Marke, die mich interessiert.

© SZ vom 24.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: