Phrasenmäher:Ein Zeichen setzen

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Am Sonntag ging in Heilbronn ein Mann mit einem Messer auf drei Flüchtlinge los. Polizei und Staatsanwaltschaft schrieben, es sei davon auszugehen, dass der Verdächtige "ein Zeichen gegen die aktuelle Flüchtlingspolitik setzen wollte". Das adelt eine Gewalttat.

Von Alex Rühle

Mit der Sprache setzt man fortwährend Zeichen. Satz für Satz. Wendung für Wendung. Gute Zeichen, schlechte Zeichen. Je nachdem, wie man's eben ausdrückt. Wenn man eine Messerattacke auf drei Wehrlose eine Messerattacke auf drei Wehrlose nennt, finden durchschnittliche Leser diese Tat wahrscheinlich eher nicht so gut. Wenn man stattdessen liest, jemand habe mit diesem Angriff ein Zeichen setzen wollen, klingt es gleich nach einem Einzelkämpfer, der sich mithilfe einer symbolischen Tat in den Dienst einer edlen Sache gestellt hat.

Als Beispiele für die positive Konnotation drei Zeichensetzungen vom Montag: Der CDU-Bundesvize Volker Bouffier lobte den scheidenden CDU-Generalsekretär Peter Tauber für seinen unermüdlichen Einsatz. Tauber habe bei der Digitalisierung "starke Zeichen gesetzt". Und das ZDF vermeldete, die Berlinale wolle "in der 'MeToo'-Debatte um Missbrauch in der Filmbranche ein Zeichen setzen". Beide Male ist das eindeutig zustimmend gemeint, da setzt sich jemand mit Verve für die richtigen Ziele ein. Der Duden erklärt die Wendung denn auch so: "Ein Zeichen setzen: etwas tun, was richtungsweisend ist, Anstöße geben."

Dann war da aber noch dieser 70-jährige alkoholisierte Russlanddeutsche, der am vergangenen Sonntag am Heilbronner Marktplatz mit einem Messer auf drei Flüchtlinge losgegangen ist. Ein 17 Jahre alter Afghane wurde bei dem Angriff schwer, ein 25-jähriger Iraker und ein 19-jähriger Syrer wurden leicht verletzt. Die Heilbronner Polizei und Staatsanwaltschaft teilten am Montag in einer gemeinsamen Pressemitteilung mit, es sei davon auszugehen, "dass der Verdächtige mit seiner Aktion ein Zeichen gegen die aktuelle Flüchtlingspolitik setzen wollte."

Kurt Tucholsky schrieb mal: "Die Sprache ist eine Waffe, haltet sie scharf." Er schrieb nicht, die Sprache ist eine Waffe, nutzt sie, um andere scharf zu machen. Die RAF wollte mit ihren Anschlägen aus ihrer Wahrnehmung heraus sicher Zeichen setzen. Und der IS hat aus seiner Binnenlogik heraus mit dem Bataclan-Massaker auch ein starkes Zeichen gesetzt und auf Nachahmer gehofft. Aber Polizeisprecher und Staatsanwaltschaften sollten ihr sprachliches Besteck doch so scharf halten, dass sie Gewalttaten nicht als richtungsweisend adeln.

© SZ vom 21.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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