Penzberg:Unwürdiger Abgang

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Gisela Geiger, 66, geboren in Bottrop, studierte Germanistik, Philosophie und im Nebenfach Kunst. Von 1999 an begann sie Penzbergs Ruf als Campendonk-Stadt aufzubauen. Seit 2007 leitet sie das Stadtmuseum. (Foto: Manfred Neubauer)

Gisela Geiger verlässt Ende des Jahres das Campendonk-Museum

Von Sabine Reithmaier, Penzberg

Eigentlich ist es in der deutschen Arbeitswelt im Moment eher angesagt, ältere qualifizierte Mitarbeiter zu umwerben und sich ihren Erfahrungsschatz zu sichern, bevor sie in Rente gehen. Manchmal holt man sie sogar zurück wie beim FC Bayern, der Jupp Heynckes nahezu angefleht hat, als Trainer zurückzukehren und die laufende Saison zu retten. Nun ist das Museum Penzberg - Sammlung Campendonk, das kulturelle Highlight der Stadt, nicht mit einem Fußballverein zu vergleichen. Dessen langjährige Leiterin Gisela Geiger hat auch kein Triple geschafft, aber die weltweit größte Sammlung Heinrich Campendonks und damit viele Besucher nach Penzberg geholt.

Trotzdem hat man hier keine Lust mehr, den Vertrag der 66-Jährigen noch einmal zu verlängern. Sie muss das von ihr aufgebaute Haus Ende des Jahres verlassen, obwohl Geigers Stellvertreterin und designierte Nachfolgerin Diana Oesterle noch bis Ende 2018 mit dem ebenfalls von Geiger initiierten Forschungsprojekt zur Hinterglasmalerei der Moderne und ihrer damit eng verknüpften Dissertation befasst ist. Die Lücke will der Stadtrat mit einer Interimsleitung schließen, dem Vernehmen nach gibt es schon eine Kandidatin. Oesterle hatte dagegen vorgeschlagen, 2018 weiter wie bisher 15 Stunden pro Woche zu arbeiten und Geiger noch nicht zu verabschieden, sondern mit 20 Stunden zu beschäftigen, bis sie selbst 2019 dem Museum ganz zur Verfügung stünde. Dadurch, so argumentierte Oesterle, würde die Kontinuität in der Leitung des Museums aufrechterhalten. Kein unwichtiges Argument, schließlich besitzt das Haus keine eigene Sammlung, sondern ist auf das Wohlwollen der Leihgeber angewiesen.

Der Stadtrat lehnte Oesterles Vorschlag ab, obwohl er an ihr als künftiger Leiterin festhält. Aber eine zweite Vertragsverlängerung Geigers will er nicht, angeblich um keine Bezugsfälle zu schaffen. "Ich hätte das auf jeden Fall gern gemacht", sagt Geiger. Emotionale Berg- und Talfahrten mit dem Stadtrat ist sie gewohnt, seitdem sie 2002 eine erste Campendonk-Ausstellung wagte, die den Penzbergern den jüngsten Blauen Reiter erst so richtig ins Bewusstsein rücke. Einen ersten Tiefpunkt erreichte die Beziehung zwischen ihr und den Räten, als der Enkel Campendonks 2010 der Stadt den Nachlass zum Kauf anbot. Gisela Geiger hatte die Finanzierung bereits ausgehandelt und Bilder für 4,1 Millionen Euro ausgesucht, als eine knappe Mehrheit des Stadtrats völlig unerwartet den Kauf ablehnte. Zum Glück sprang ein Unternehmer ein, kaufte den Nachlass und bot das Konvolut als Leihgabe für 15 Jahre an.

So froh Geiger darüber war, verhehlte sie doch nie, dass der Stadtrat ihrer Ansicht nach eine krasse Fehlentscheidung getroffen hatte - um so mehr als dort bis heute einige sitzen, die darauf stolz sind, die Bilder auch ohne viel Geld auszugeben erhalten zu haben. Was den im Vorjahr eröffneten Erweiterungsbau betrifft: Auch hier hatte Geiger größer und visionärer gedacht, hatte für neues Museum auf der großen Fläche vor dem Rathaus plädiert.

Keine bequeme Mitarbeiterin also, sondern eine, die auf ihrer Kompetenz besteht. Das mag nicht jeder. Persönliche Animositäten dürften daher jetzt den Ausschlag gegeben haben. Verständlich oder gar nachvollziehbar ist die Entscheidung trotzdem nicht.

© SZ vom 09.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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