Oscar-Preisträger Peter O'Toole:Mit aller Konsequenz

Als "Lawrence von Arabien" zog er durch die Wüste, mit einer Generation angriffslustiger junger Working-Class-Briten mischte er Englands Bühnen und Leinwände auf. Nur berechenbar war er nie. Zum Tod des großen Schauspielers Peter O'Toole.

Ein Nachruf von Tobias Kniebe

Für die Rolle, die ihn weltberühmt machen sollte, war er nicht einmal die erste Wahl. Marlon Brando und Albert Finney hatten schon abgelehnt, als David Lean im Jahr 1962 seinen "Lawrence von Arabien" suchte. Doch diese durchdringenden stahlblauen Augen, diese strohblonden Haare und die keltische Kantigkeit, die er mitbrachte, verfehlten am Ende ihre Wirkung nicht. Sie überzeugten Lean, den größten Abenteurer unter den britischen Filmemachern, und dann auch das Publikum. Hoch zu Pferd oder zu Kamel machte Peter O'Toole eine majestätische Figur in der Wüstenhitze - als T. E. Lawrence, der die Araber in einer Rebellion gegen die Türken anführte, mitten im Ersten Weltkrieg. Eine Kinolegende war geboren.

Peter Seamus O'Toole, geboren 1932 wahrscheinlich in Connemara in Irland, als Sohn eines irischen Buchmachers und einer Schottin, war nach diesem Film ein Weltstar. Und er hatte mit dieser Rolle einen Typus des Kinohelden geschaffen, den man bis dahin so noch nicht kannte: Ein echter Rebellenführer zwar, hart gegen sich selbst und gegen andere, mit dem Charisma eines großen Kriegers - zugleich aber mit einem leidenden Zug um den Mund, einer Lust am Schmerz, an Masochismus und Weichheit, die jeden, der genauer hinschauen wollte, irritieren musste. Spätere Fassungen des Films haben diese zunächst halb verborgenen Schattierungen dann noch klarer zu Tage gebracht.

Größter Pechvogel der Oscargeschichte

Eine Oscar-Nominierung war ihm für seinen "Lawrence" zwar sicher - gewonnen hat er damals allerdings nicht. Dieses Pech sollte sich dann in späteren Jahren fortsetzen, bis es geradezu sprichwörtlich wurde: für "Becket" (1964), "Der Löwe im Winter" (1968), "Goodbye, Mr. Chips" (1969), "The Ruling Class" (1972), "Der lange Tod des Stuntman Cameron" (1980), "Ein Draufgänger in New York" (1982), "Venus" (2006) erhielt er ebenfalls Nominierungen - aber gewonnen hat er nie. So galt er schließlich als der größte Pechvogel der Oscargeschichte - bis er, gewissermaßen als Trostpreis, schließlich doch noch eine Goldstatuette für sein Lebenswerk bekam, im Jahr 2003.

Der junge Peter O'Toole besuchte eine strenge, von Nonnen geleitete Konventschule in Leeds, wo ihm mit aller Gewalt seine Linkshändigkeit ausgetrieben werden sollte. Im Alter von 14 verließ er sie schon, um sich als Laufbursche durchzuschlagen. Seine ersten beruflichen Erfahrungen sammelte er als Journalist und Fotograf bei der Yorkshire Evening Post, bevor er seinen Militärdienst auf einem U-Boot der Navy absolvierte. Ein Theaterbesuch in Stratford-upon-Avon, wo Michael Redgrave in der Rolle des "King Lear" einen unauslöschlichen Eindruck bei ihm hinterließ, weckte den Wunsch in ihm, Schauspieler zu werden.

Ein Stipendium an der Royal Academy of Dramatic Art im Jahr 1952 brachte ihm diesen Traum bald näher. Dort studierte er in einer Klasse mit Albert Finney und Alan Bates, in einer Phase, in der sich das gesamte britische Schauspielwesen im Umbruch befand. Was bis dahin ein Zeitvertreib für die höheren Klassen war, wurde nun von einer ganzen Generation hungriger Working-Class-Mimen aufgemischt. O'Toole war Teil dieses Umbruchs - auch wenn er gewissermaßen eine innere Aristokratie mitbrachte, die ihn dann gleich wieder für Upper-Class-Rollen prädestinierte.

Kaiser, Armeeführer und Päpste

In diesem Sinn feierte er dann schnell Erfolge auf den britischen Bühnen - mit 23 Jahren etwa wurde er jüngste "Hamlet" des renommierten Bristoler Old Vic Theatre. Sein Kinodebüt gab er 1959 in "The Savage Innocents" von Nicholas Ray, dann durfte er selbst in Stratford-upon-Avon spielen, zum Beispiel als Shylock im "Kaufmann von Venedig". Bis David Lean kam - und alles veränderte.

Sein Erfolg als "Lawrence" sorgte dafür, dass er für die eher exzentrischen, auch gebrochenen Führungspersönlichkeiten des Kinos nun erste Wahl war. Gleich zweimal hat er König Henry II. von England gespielt, als schwer mit sich ringenden Monarchen. Einmal in dem politischen Drama "Becket" (1964), wo seine Gegenspieler Richard Burton und John Gielgud waren. Und einmal in "Der Löwe im Winter" (1968), wo ihm Katharine Hepburn als Königin zur Seite stand. Eine seiner besten Rollen war auch "Lord Jim" (1965), nach Joseph-Conrad, verfilmt von Richard Brooks - ein philosophisches Abenteuer, in dem er im Dschungel nach einer "zweiten Chance im Leben" sucht. "Ich bin ein sogenannter Feigling gewesen und ein sogenannter Held", sagt er darin einmal. "Ich glaube, Feiglinge und Helden sind nur Menschen, die im Bruchteil von Sekunden etwas Außergewöhnliches tun."

Auch römische Kaiser, Armeeführer und Päpste hat er dann immer wieder gespielt - im Skandal-Film "Caligula" von 1979 bewies er als Kaiser Tiberius sogar, dass man auch in einem Quasi-Porno noch eine halbwegs gute Figur machen kann. Solche Wagnisse, die er "bravura acting" nannte, scheute er nicht - was in schlechteren Momenten dazu führte, dass er zu maniriert wirken konnte. Sein komödiantisches Talent dagegen führte ihn sicher, was er immer wieder unter Beweis gestellt hat. Zum Beispiel in "Was gibt's Neues, Pussy?" (1965), nach einem frühen Drehbuch von Woody Allen, wo er als sexbesessener Modejournalist den Pariser Crazy Horse Club unsicher macht, zu den swingenden Klängen von Burt Bacharach. In William Wylers Komödie "Wie klaut man eine Million?" traf er auf eine kleptomanische Audrey Hepburn - und fing ihr wildes Overacting mit britischer Lässigkeit wieder ein.

Peter O'Toole gestorben

Peter O'Toole als "Lawrence von Arabien" in einer Filmszene aus dem Jahr 1962.

(Foto: dpa)

Ein Spieler war er nicht nur auf der Bühne und auf der Leinwand - die Legende will es, dass er fast seine gesamte Gage für "Lawrence von Arabien" in den Casinos von Beirut und Casablanca, die er zusammen mit Omar Sharif heimsuchte, gleich wieder verloren hat. Die Fragilität, die schon sein "Lawrence" ahnen lässt, konkretisierte sich später im Leben in einer handfesten Alkoholsucht. Auch da waren ihm die Helden des britischen Aufbruchs - Burton, Richard Harris, Robert Shaw, Trevor Howard, Peter Finch - treue Weg- und Kampfgefährten. Im Jahr 1976 musste er sich dann einer schweren Magenoperation unterziehen. Der Neustart, der dann folgte, brachte mehr Rollen fürs britische Fernsehen, aber auch noch ein paar echte Highlights des Kinos: Bernardo Bertoluccis "Der letzte Kaiser" (1987) etwa, Neil Jordans Komödie "High Spirits" (1988) oder "The Rainbow Thief" (1990), wo er wieder mit Omar Sharif spielte. Einen viel beachteten Auftritt hatte er noch einmal 2008 in der weltweit erfolgreichen Serie "Die Tudors", als Papst Paul III.

"Ich werde kein gewöhnlicher Mann sein"

Der Kollege Richard Burton nannte ihn einmal voller Bewunderung den "unverwechselbarsten Schauspieler, den Großbritannien seit dem Krieg hervorgebracht hat - mit einem seltsamen, mystischen und tief verunsichernden Zug in seinem Werk". Und schon mit 18 Jahren schrieb Peter O'Toole eine Notiz an sich selbst: "Ich werde kein gewöhnlicher Mann sein. Ich werde den glatten Sand der Monotonie aufwühlen. Ich giere nicht nach Sicherheit. Ich wünsche, meine Seele dem wilden Spiel der Möglichkeiten zu verschreiben."

Daran hat er sich gehalten, mit aller Konsequenz und bis zuletzt. Dass er schon längere Zeit schwer krank war, bestätigte seine Tochter Kate O'Toole erst jetzt in einem Statement. Am Samstag ist Peter O'Toole in London gestorben. Er wurde 81 Jahre alt.

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