Oper:Stille Heldin

Lesezeit: 3 min

Das Gärtnerplatztheater bringt Thomas Morses "Frau Schindler" in der Reithalle zur Uraufführung

Von Rita Argauer

Zwangsarbeiter, die auf der Bühne gemeinsam ein hübsches Lied singen, sind paradox bis zynisch. Volluniformierte SS-Männer, die unter Begleitung eines groß besetzten Symphonieorchesters auf und ab marschieren, sind beängstigend bis grausam. Und eine Oper, deren Protagonistin Emilie Schindler, die Frau Oskar Schindlers ist, birgt für den Komponisten erst einmal einen Haufen künstlerischer wie moralischer Probleme.

Doch der US-amerikanische Komponist Thomas Morse hat sich dieses Themas angenommen. Seit er 2003 nach Berlin gezogen ist, beschäftigte er sich mit dieser Idee: Eine Oper, die die bisher unsichtbare Heldin hinter Oskar Schindler ins Zentrum rückt. "Es brauchte Zeit", sagt Morse kurz vor der Uraufführung des Münchner Gärtnerplatztheaters in der Reithalle, niemand könne eine so "heilige Geschichte" einfach nehmen und vertonen.

Die Arbeit lag für Morse somit erst einmal in der Recherche. Er ist gereist, hat mit verschiedenen Leuten gesprochen und gelesen. Viel gelesen. Das Wissen über diese Geschichte, die zwar durch Steven Spielbergs Film weltbekannt wurde, die aber dennoch nur einen einzigen Blickwinkel zeigt, musste Morse sich erst aneignen. Zumal er den Fokus des Erzählens ganz bewusst verschoben hat. "Es braucht keine Bühnenversion von Schindlers Liste", sagt er, der Film sei an sich schon ein "Meisterwerk". Eines, das Thomas Morse hochgradig berührt hatte, als er den Film von 1993 zum ersten Mal sah. Schon damals beschlich ihn das Gefühl, wie großartig es wäre, eine Oper um diese Geschichte zu komponieren. Im Zuge seiner Recherche stieß er dann auf Oskars Frau Emilie und die große Rolle, die sie bei der Rettung der jüdischen Zwangsarbeiter spielte. "Da wusste ich, das ist der perfekte Opern-Stoff", sagt Morse.

Emilie ist die Unterstützerin hinter dem bekannten Helden. Solche Konstellationen finden sich häufig. In der Kunst-Welt etwa in den zahlreichen Künstler-Muse-Beziehungen, in der Politik etwa der Fall der First Ladys in den USA. Diesen Frauen hinter den Männern wird ein Einfluss zugeschrieben. Wobei es Morse wichtig ist, dass diese Konstellation nicht ausschließlich als "starker Mann und unterstützende Frau" vorkommen müsse. Die Geschlechter können dabei auch vertauscht sein. Ihn interessiert eher generell die dramatische Kraft derartiger Paar-Konstellationen, die gemeinsam etwas erreichen, auch wenn letztlich nur ein Partner in der Öffentlichkeit steht.

Mit "Frau Schindler" rückt Thomas Morse nun die bisher Unbekannte in die Öffentlichkeit. Seine Protagonistin ist für ihn der "moralische Kompass" von Oskar Schindler, in den Gesprächen der beiden, die sich im eher rezitativlastigen ersten Teil seiner Oper finden, soll sich ein "Fenster zur Psychologie dieser Zeit" öffnen. Musikalisch bedient er dabei ein ganzes Symphonieorchester und orientiert sich stilistisch an der Romantik. "Es ist nicht avantgardistisch", sagt Morse, die Musik sei vielmehr sein Ausdruck der tiefen emotionalen Verbundenheit, die er über die Jahre zu dieser Geschichte aufgebaut habe. "Die Musik dient der Geschichte", sagt er, es gehe hier nicht darum, ihn als Komponisten und Musik-Erneuerer in den Mittelpunkt zu stellen. Ähnlich ist das mit der Regie von Kenneth Cazan. Auch er setzt die Geschichte in ein historisch korrekt ausgestattetes Setting. Ohne ein paar künstlerische Kniffe kann aber auch die Umsetzung der Historie als Oper nicht auskommen. Das bemerkte auch Morse, der sich im Kompositionsprozess vor das zynische Paradox der singenden Zwangsarbeiter gestellt sah. Er wollte die Arbeiter vom Chor darstellen lassen, doch: "Es schien mir eine wirklich schlechte Idee, sie singen zu lassen."

Letztendlich hat Morse die Chor-Passagen der direkt erzählenden Handlung enthoben und unter Mithilfe eines Kantors und eines Rabbis gesungene Gebete für den Chor geschrieben, die als eine Art musikalische "Gedenkstätte" fungieren sollen. Ein ähnliches Problem hatte der Komponist, der in Los Angeles auch Filmmusik studiert hatte, mit den SS-Soldaten, denen er musikalisch eigentlich keinen Respekt zollen wollte. Er entschied sich deshalb für eine leicht ironische Musik, die die Schergen des Nazi-Regimes gar nicht erst in die Nähe einer ernsthaften und ehrenvollen Musik bringen soll. Letztlich ist "Frau Schindler" für Thomas Morse auch keine Oper über die Shoa. Er sieht darin vielmehr die Geschichte zweier Menschen samt der moralischen Konflikte dieser Zeit. Dass sich die weltpolitische Lage so verändern würde und solche Themen derzeit von erschreckend aktueller Relevanz sind, hätte er zum Beginn seiner Arbeit nicht für möglich gehalten.

Frau Schindler , Donnerstag, 9. März, 19.30 Uhr, Reithalle, Heßstraße 132; Komponistengespräch mit Thomas Morse , Dienstag, 14. März, 19 Uhr, NS-Dokumentationszentrum, Brienner Straße 34

© SZ vom 09.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: