Oper:Mit Macht aus der Finsternis

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Am Ende hat sie die Macht: Sally du Randt als Nyssia. (Foto: A.T. Schaefer)

Zemlinskys Rarität "König Kandaules" in Augsburg

Von Egbert Tholl, Augsburg

Wer meinte, Juliane Votteler sei geknickt, der täuscht sich gewaltig. Mit lachender Energie hüpft die Intendantin des Augsburger Stadttheaters gerade zwischen den Endproben zweier Produktionen hin und her - am Samstag hat Wolfram Lotz' grandioses Erfolgsstück "Die lächerliche Finsternis" Premiere in der Brechtbühne, am Sonntag folgt "Der König Kandaules" im großen Haus. Diese Oper von Alexander Zemlinsky betreut Votteler selbst als Produktionsdramaturgin; die Nichtverlängerung ihres 2017 auslaufenden Vertrags tut ihrem Eintreten für zeitgenössisches, politisches und aufregendes Theater keinen Abbruch.

"König Kandaules" ist eines jener großen Opernwerke, die fast den Nazis zum Opfer gefallen wären. 1938, als Österreich "angeschlossen" wurde, floh der Komponist von Wien über Prag nach New York, gerade noch rechtzeitig - eine Geschichte, die sich gerade heute grässlich oft wiederholt. In New York wollte er "König Kandaules" zur Uraufführung bringen; doch die von ihm avisierte Nacktszene im zweiten Akt stieß die Leitung der Oper ab - an der Met hat sich in Hinsicht auf Zaghaftigkeit in den vergangenen 70 Jahren wenig geändert. Daraufhin verlor Zemlinsky die Lust an der Vollendung der Oper, wurde krank und starb 1942. "König Kandaules" indes feierte viele Jahre später, rekonstruiert und in der Instrumentation vollendet durch Antony Beaumont, seine Uraufführung, 1996 in Hamburg unter Gerd Albrecht. Zwei Jahre später sah Juliane Votteler die Inszenierung des Stückes durch Hans Neuenfels in Wien. Und wurde von dessen eigentümlicher Klangwucht infiziert.

An diese Eigentümlichkeit muss man sich erst gewöhnen: Man glaubt, Richard Strauss zu hören, Schostakowitsch, Mahler - und Bartók, fügt Domonkos Héja hinzu, ohne aber das Werk als eklektizistisch zu empfinden. Héja ist seit dieser Saison der neue Generalmusikdirektor in Augsburg, stammt aus Ungarn, ist im Umgang unkompliziert und bei den Proben sehr genau. Man konnte dies bei einem Durchlauf vor ein paar Tagen erleben, Héja dirigiert durch, lobt, äußert Wünsche, merkt an, empfiehlt neue Nuancen - und auf der Bühne läuft das Geschehen weiter, mit einer wie so oft fabelhaften Sally du Randt im Mittelpunkt. Sie singt die Frau des König Kandaules, der alles besitzt, aber am Besitz keine Freude mehr empfindet, der seine eifersüchtig bewachte Frau dem Fischer Gyges vor- und damit seinen eigenen Tod herbeiführt. Nach der "schönsten Nacht ihres Lebens" treibt sie Gyges zum Mord am Gatten, hat nun einen neuen König und ihre Freiheit.

Regisseur Søren Schuhmacher macht daraus ein ikonografisch unterfüttertes Künstlerdrama, dem Juliane Votteler am Ende einen Ausblick in eine stolze Emanzipation beigibt. Und mag der erste Akt noch irritieren, was dann folgt, ist fabelhaft mitreißend.

Alexander Zemlinsky: Der König Kandaules, Theater Augsburg, Sonntag, 27. September, 19 Uhr

© SZ vom 26.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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