Oper:Fast wie Mozart - aber nur fast

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Das Werk des Hofkomponisten Sterkel am Aschaffenburg Stadttheater

Von Michael Stallknecht, Aschaffenburg

Vor wenigen Monaten hat die Accademia di Monaco ihre erste CD herausgebracht: "Arien für Nancy Storace" enthält verschiedene Kompositionen, die für die unter anderen von Mozart hochgeschätzte Sängerin entstanden sind. Das 2014 aus den Reihen der Münchner Musikhochschule hervorgegangene Orchester zeigte damit paradigmatisch, welchen Teil der Musikgeschichte man mit den Mitteln der historischen Aufführungspraxis ausleuchten möchte: "Mozart und das Umfeld", wie Joachim Tschiedel, einer der beiden künstlerischen Leiter, im Gespräch umreißt, "also etwa die Zeit vom mittleren Mozart bis zu Beethovens Siebter Symphonie". Reine Barockensembles gibt es schließlich schon genug.

Wenig erstaunlich also, dass die Stadt Aschaffenburg auf Tschiedel zukam, als sie beschloss, die einzige Oper ihres ehemaligen Hofkapellmeisters Johann Franz Xaver Sterkel (1750-1817) wiederzubeleben. Dieser hatte im Jahr 1777 unter anderem Mozart vorgespielt, der sein Klavierspiel aber zu schnell und zu undeutlich fand. Beethoven dagegen äußerte sich vierzehn Jahre später deutlich wohlwollender. Da war Sterkel freilich als Komponist längst schon etabliert, wofür ihm als Mitglied des Domkapitels des Mainzer Kurfürsten auch genug Zeit blieb. Sterkel war katholischer Priester, und wäre die Französische Revolution nicht gekommen, hätte er vielleicht noch mehr als nur eine Oper komponiert.

So aber musste er mitten in den Revolutionskriegen die Hofkapelle in Mainz notdürftig zusammenhalten, wodurch er dann von 1810 an auch für einige Jahre zu einem festen Wohnsitz in Aschaffenburg kam. Die ehemalige Mainzer Zweitresidenz war kurzzeitig zum eigenen Fürstentum aufgewertet worden, nachdem Mainz endgültig an Frankreich gefallen war. Immerhin baute der ehemalige Mainzer Kurfürst dort 1808, zwei Jahre vor Sterkels Ankunft, das noch heute reizend anzuschauende Stadttheater.

Ebendort wird nun zu Sterkels 200. Todestag die Oper "Il Farnace" wiederbelebt, die er 1782 auf der damals üblichen Studienreise nach Italien komponiert hatte, immerhin für das renommierte Teatro San Carlo in Neapel. "Die Musik hat ihren Charme", sagt Joachim Tschiedel, Sterkel zeige "gute Einfälle und einen Sinn für die Erfüllung der feststehenden Formmodelle". Das Stück bewegt sich in den Konventionen der alten aristokratischen Form der Opera Seria, enthält neben den vielen typischen Da-capo-Arien aber auch einige Ensembles. Tschiedel aber fand viele der Arien deutlich zu lang, neigt doch gerade die späte Opera Seria dazu, sich kurz vor ihrem allmählichen Verschwinden im Zuge der Revolution noch einmal so richtig aufzublähen. Man kennt das von den wenige Jahre zuvor entstandenen Jugendopern Mozarts, von "Lucio Silla" oder "Mitridate, re di Ponto", dessen Stoff übrigens dem gleichen geschichtlichen Kreis entnommen ist wie Sterkels "Farnace": Mitridates und Pharnakes waren im ersten Jahrhundert vor Christus Herrscher im Königreich Pontos, das in mehreren Kriegen und immer wieder geschlossenen Bündnissen um seine Unabhängigkeit vom übermächtigen Rom rang.

Nur ist Sterkel dann eben doch nicht Mozart, weshalb Tschiedel das Stück auf gut die Hälfte eingekürzt hat. "Wir wollen das Publikum lieber mit einer Spielzeit von 80 Minuten Oper locken und nicht mit 180 Minuten quälen", sagt er. Die Strichfassung hat er in enger Abstimmung mit den beiden Regisseuren Franziska Angerer und Hannes Köpke entwickelt, die beide Regie an der Bayerischen Theaterakademie August Everding studieren. Tschiedel ist dort stellvertretender Leiter des Studiengangs Musiktheater, weshalb er das Stück dem Studiengang Regie anbot. Angerer und Köpke hätten es von Anfang an gemeinsam inszenieren wollen, sagt er, "was erstaunlich gut funktioniert".

Die meisten der jungen Sänger kommen ebenfalls aus dem Studiengang Musiktheater, "Il Farnace" ist also eine Koproduktion mit der Bayerischen Theaterakademie. In München wird die Oper dennoch nicht zu sehen sein, was Tschiedel sehr bedauert. Man muss also schon nach Aschaffenburg fahren, um sich vom Charme Sterkels zu überzeugen.

Il Farnace , Fr. und Sa., 3. und 4. Nov., 19.30 Uhr, So., 5. Nov., 17 Uhr, Stadttheater Aschaffenburg

© SZ vom 03.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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