Nürnberg:Tanzen und flanieren

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Das Festival "Nürnberg Pop" findet in diesem Jahr einen guten Monat früher statt. Bayerische Talente präsentieren sich neben deutschen Aufsteigern und internationalen Künstlern

Von Michael Zirnstein

Von null auf hundert sind die Musiker Thomas Wurm alias Tommy Yamaha, Thomas Eckert alias Ecki Electro und David Lohdi als Veranstalter durchgestartet. Eben noch mit ihrer Band Wrongkong auf dem "Reeperbahnfestival" in Hamburg aufgetreten, hatten sie schon auf der Heimfahrt ihre eigene Großveranstaltung im Kopf und bald mit 18 Bands in acht Clubs realisiert: "Nürnberg Pop". Fünf Jahre später sind es an 20 Orten 40 Gruppen, die sie in vier "Band-Wellen" verkündet haben. Profiarbeit, die Kapazitätsgrenze ist erreicht, nahezu autark wurde eine Nische im Konzert-Markt erobert, auf zehn Jahre hat man als Hauptspielort den Termin im Kunstkulturquartier samt dreier Bühnen im Künstlerhaus und der Kulturkellerei gesichert: den letzten Samstag im Oktober. Nur eines haben sie übersehen. Dieser Tag fällt bisweilen auf den 31., die Nacht vor Allerheiligen, einen stillen Feiertag mit Tanzverbot, ungeeignet, wenn man bis 5 Uhr früh feiern will. "Da hat wieder keiner in den Kalender geschaut", sagt Thomas Wurm.

Für 2015 gab es nur einen Ausweichtermin, Samstag, 19. September. Der gefällt den Veranstaltern aber ohnehin besser, vielleicht auch in Zukunft. Nicht nur, weil es wärmer ist, und "Nürnberg Pop" ist eben ein Flanierfestival, bei dem alle Spielstätten in der Altstadt in kurzen Nachtspaziergängen erreicht werden, "und da waren es im Oktober schon mal unter null Grad". So gibt es heuer sogar erstmals dank eines Sponsors aus der Energydrink-Industrie eine Open-Air-Bühne am Klarissenplatz. Gut ist der frühe Termin aber auch, weil er zwischen dem neuen Riesenspektakel Lollapalooza in Berlin und dem Reeperbahnfestival liegt. "Da sind viele Bands in Europa", erklärt Wurm, " Ball Park Music hätten wir sonst gar nicht bekommen." Das wäre schade, sind diese frischen Fünf aus Brisbane doch gerade die In die-Band in Australien. Hierzulande sind sie aber noch eine Entdeckung, und genau um solche geht es den "Nürnberg Pop"-Machern, wie auch den Kollegen aus Hamburg oder von dem auf die BR-Studios beschränkten "Puls-Festival" in München.

Einerseits soll "Nürnberg Pop" ein Schaufenster für regionale Bands sein. Mit finanzieller Unterstützung der vom Bund beauftragten Initiative Musik präsentiert das neue Projekt "Startschuss" 16 "Bavarian Talents", etwa A Tale of Golden Keys, La-Boum, The Funnyyoungguys oder Nick & June aus Nürnberg, die Lischkapelle, die aufstrebenden Pop-Sterne Claire und Cosby und die Hip-Hopperin Taiga Trece aus München, oder die Folkfreunde Cat Stash aus Regensburg.

Andererseits haben so gut vernetzte Musiker wie Wrongkong natürlich auch den DJ-haften Ehrgeiz, Aufregendes aus aller Welt zu enthüllen: Seien es Prodavac, die wie andere Bands aus dem Gastland Tschechien auf der "Amt für Internationale Beziehungen Stage" in der Zwinger Bar spielen; oder sei es Yannick Ilunga alias Petite Noir im Club Stereo, ein aufregender Act aus Kapstadt, der halb Kongolese, halb Angolaner mit neuer afrikanischer Ästhetik im Pop spielt. "Wir suchen nach unserem Gusto aus", sagt Thomas Wurm. Da kann es freilich passieren, dass ein längst gebuchter Lieblingskünstler auf einmal ein Star ist - wie vor zwei Jahren Milky Chance. Diesmal sind Schmutzki, Fun-Punks aus dem T ote Hosen/ Beatsteaks-Freundeskreis, plötzlich zu Zugnummern aufgestiegen (KKQ-Festsaal). Und auch die Antilopen Gäng ist mit ihrem provokanten Hit "Beate Zschäpe hört U2" in aller Ohren, sie lässt Wurm mit den Bayern-Rappern Dicht & Ergreifend im Studenten-Absturzladen "Die Bombe " spielen - diese Brüche von Subkulturvertretern an verqueren Orten von der Disco bis zum Jeansladen lieben die "NBG Pop"-Macher. Bei der Besetzung der Klarakirche hätte man freilich auf würdevollere Musiker geachtet, wie das völkerverbindende Songwriter-Pärchen Sea + Air und den Klangmagier And The Golden Choir. Dass man auf der neuen Open-Air-Bühne mit Namika eine extrem poppige Hitparaden-Spitzenreiterin ("Lieblingsmensch") aufbietet, sieht Wurm als eines seiner vielen Experimente. "Mal schauen, ob unsere Leute das akzeptieren."

Nürnberg Pop Festival , Sa., 19. Sep., 18 Uhr, Programm: www.nuernberg-pop.de

© SZ vom 19.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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