Neues Robbie-Williams-Album "Take the Crown":Endlich wieder das mittelenglische Großmaul

Den Satz "Robbie Williams ist wieder da!" hat man in den vergangenen Jahren eigentlich ein paar Mal zu oft gelesen. Aber diesmal stimmt er, wirklich. Das neue Album "Take the Crown" ist großartig. Wir haben die Beweise

Max Scharnigg

Neues Robbie-Williams-Album "Take the Crown": Endlich ist er wieder das mittelenglische Großmaul, dem man einfach nicht böse sein kann: Robbie Williams 2012.

Endlich ist er wieder das mittelenglische Großmaul, dem man einfach nicht böse sein kann: Robbie Williams 2012.

(Foto: Universal)

Gott ja, manche Sätze schreibt man als Journalist häufiger als andere. Der Satz "Robbie ist wieder da!" gehört unbedingt dazu, den sollte jeder mal geschrieben haben. Gelegenheit gab es dafür genug. Zum Beispiel als er im Jahr 2006 den Burn-out nach seiner Megatour mit dem überraschenden Album "Rudebox" bekämpfen wollte.

Ungeschmeidiger Hip-Hop und etwas quere Elektronik waren das, mit Spezialisten wie den Pet Shop Boys gegen jede Radioverträglichkeit durchgeboxt. Es klang wie die Rosskur einer übersatten Kunstfigur, die endlich mal ins Unreine, ins Nicht-Glatte kommen wollte, eine Abkehr von jenem Robbie Williams, den insbesondere die frühe, hitträchtige Zusammenarbeit mit Guy Chambers gegen sich selbst allergisch gemacht hatte. Also schrieb man angesichts von "Rudebox": Der echte Robbie ist da!

Heute wissen wir, das hat nicht geklappt. Das Experiment war ein Misserfolg, wobei Williams' Misserfolge immer noch in einer Größenordnung Umsatz machen, dass jede Plattenfirma der Welt gerne daran beteiligt wäre.

Dann war Robbie Williams also erst mal nicht mehr da, sondern sogar richtig weggesperrt, in der Entzugsklinik. Danach war er auch nicht mehr in Los Angeles, sondern wieder zurück in England, um gereinigt und geläutert "Reality Killed the Video Star" vorzustellen. 2009 war das und vorsichtshalber schrieb man dazu auch: Robbie ist wieder da! Vor allem wohl, weil er es selbst in jedes Mikrofon plärrte.

Aber schließlich war er ja tatsächlich zurückgekehrt aus dem durchgeknallten Superstartum in den Hollywood Hills, das ihn, seien wir ehrlich, doch nur abwechselnd unglücklich und fett gemacht hat.

Er hatte ja auch endlich eine nette Frau gefunden und sämtliche beteiligten Produzenten wie Mark Ronson und Trevor Horn bekräftigten damals, dass es nun wieder ein richtiges Album sei, randvoll mit dem alten Robbie, dabei aber auch selbstkritisch und sogar auch wieder mit Guy Chambers am Mischpult.

Teuflischen Pakt losgeworden

Nun, das Album war dann abermals kein großer Wurf. Jetzt aber, man kann es nicht anders sagen, ist Robbie wieder da! Und diesmal stimmt es, wirklich. Beweise? Zum einen ist er endlich den teuflischen Pakt mit der EMI losgeworden. 80 Millionen Pfund für vier Alben - was 2002 als der Megadeal schlechthin galt, darf heute getrost als die Megabürde für den Jungen aus Stroke-on Trent umgedeutet werden.

Eine Last, die ihn mehrmals bis über den Rand seiner Karriere und ihm äußerst ungesunde Blutwerte beschert hatte. Wie in der Biografie von Williams-Intimus Chris Heat nachzulesen ist, verfolgte der Erwartungsdruck den Entertainer, er hatte wochenlang schlaflose Nächte.

Mit dem Album "Take The Crown" (Island/Universal) ist der goldene Frondienst jetzt aber vorbei, Robbie Williams kann wieder befreit aufspielen und machen, was er will. Und liefert auf den ersten fünf Songs gleich mindestens dreimal astreines, wunderbar unreflektiertes Hymnenmaterial, eine Quote, an die niemand mehr geglaubt hätte.

Über "Gospel" hätte sich auch Bono gefreut, so schamlos sind U2-Gitarren mit dem Jingle der britischen Erfolgsshow "Top Gear" vermählt, aber mit Produzent Jacknife Lee ist eben diesmal ein Geburtshelfer dabei gewesen, der in Sachen U2 schon einschlägig vorbelastet ist.

Irgendwie keck aber trotzdem mit Grübchen

Dann kommt natürlich "Candy", die erste Single, geschrieben zusammen mit Gary Barlow von der Ex-Boyband Take That. Und bei solchen Referenzen soll man nicht schreiben dürfen, Robbie wäre wieder da? Das Ergebnis der Kollaboration von zwei ehemaligen und jetzt wieder manchmal Bandkollegen ist tatsächlich ein unzweifelhafter Hit, es wird uns noch jahrelang verfolgen.

Das Stück erinnert dabei durchaus an die guten Momente der letzten Alben, also an einen irgendwie kecken, modernen Robbie Williams, unschmalzig, aber trotzdem mit Grübchen. Und eben diesmal ohne jede Brechung, es geht runter wie ein Leichtbier auf dem Showboat, süffig, frisch und kein bisschen psychotisch.

Es folgt ein abwechslungsreiches popmusikalisches Fotoalbum, Williams mal im Smoking, mal in Badehose aber immer so überragend gut gelaunt und selbstsicher, dass er sich auch über "the shit that's on the radio" lustig machen kann, zu dem er mit diesem Werk zweifellos wieder eine Menge beitragen wird.

Musikalisch ist es die bewährte Melange für Superstars mit Aufrichtigkeitshintergrund, die nur noch EU-weit (in den USA hat Robbie nie funktioniert) einsetzbar sein müssen: Ein wenig skandinavische Beatbastelei für den hippen Anstrich, ein paar glückliche Händchen bei der Auswahl der Zuarbeiter, zum Beispiel mit Owen Pallett, der als Stehgeiger für Arcade Fire bekannt wurde. Dazu viel von jenem Stadionbritpop, bei dem Gitarren, Chorus und ein bisschen Blur nicht fehlen dürfen.

Niemand wird mit diesem achten Album Robbie Williams für sich entdecken, für alle die ansatzweise Fans waren, ist es aber das lang ersehnte Galadinner, bitter nötig nach den Jahren mit schmaler Kost. Er hat auch die Hymnen wieder, die seine Landsleute so dringend brauchen.

Das Glück tropft aus seinen Gesangsparts

Das Wichtigste aber, was aus diesem kurzweiligen, aber doch noch zwei Lieder zu langem, Album zu lesen ist: Robbie Williams ist endlich wieder das mittelenglische Großmaul, dem man einfach nicht böse sein kann, das hyperaktive Kind, das auf der St. Margaret Highschool in Stoke die Lehrer genervt und abends im "Red Lion"-Pub seiner Mutter die Gäste unterhalten hat.

Aus diesem dunklen Eck und dem trostlos zerwirtschafteten Porzellanstädtchen weg, wurde er schon als 16-Jähriger für Take That gecastet und seitdem war das Leben eine aufreibende Fieberkurve, die bis vor kurzer Zeit noch recht ausgeglichen schwindelnde Höhen und fürchterliche Abstürze aufwies. Es schient aber, dass jetzt die Glückssträhne des Robbie Williams anhält, Vater ist er ja auch geworden und das Glück tropft folglich auch schön glatt produziert aus seinen Gesangparts.

Er gibt wieder den großen Arena-Entertainer, der ihm eigentlich schon zu "Escapology"-Zeiten zuwider war. Mal sehen, wie lange es diesmal anhält, diese Platte ist weder Abschied noch Vermächtnis, sondern eine Rückkehr ins Hochleistungskorps der Popindustrie.

Besonders bemerkenswert ist zum Ende hin "Losers", das Duett mit der amerikanischen Folk-Sängerin Lissie, das Größe und Schlichtheit vereint und gerade das ist, was man doch vermisst hat bei diesem allzu familientauglichen Breitpop-Werk. Also, Robbie Williams ist wieder da. So wie wir ihn von früher kennen, rechtzeitig zum Weihnachtsgeschäft. Und es fühlt sich verflixt noch mal an, als wäre er nie richtig weg gewesen.

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