Neues Album von A Tribe Called Quest:Geistiges Gegengift zur Trump-Ära

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Jarobi White (links) und Q-Tip von "A Tribe Called Quest" in Englewood Cliffs, New Jersey. (Foto: Chad Batka/The New York Times/Redux/laif)

Nach 18 Jahren des Schweigens veröffentlichen die Rap-Pioniere von A Tribe Called Quest noch einmal ein Album. Es ist besser, als man zu träumen gewagt hätte.

Albumkritik von Jens-Christian Rabe

Vielleicht die Nachricht einfach mal zuerst: Nach 18 Jahren des Schweigens hat die große amerikanische Hip-Hop-Band A Tribe Called Quest noch einmal ein neues Album aufgenommen. Es heißt "We Got It From Here ... Thank You 4 Your Service" (Epic/SME) - und es ist tatsächlich ein Album geworden, von dem man nicht einmal mehr zu träumen gewagt hätte. Weil ja im Hip-Hop, mehr noch als im Pop, im Alter niemand besser wird. Man kann also gar nicht oft genug sagen, wie gut es ist. Und dann ist es vielleicht auch noch das erste große Protestalbum der Ära Trump.

"We Got It From Here" erscheint in einem Jahr, das mit Platten von Anderson Paak, Kendrick Lamar, Pusha T, Kanye West und Chance The Rapper ohnehin schon ein irres Hip-Hop-Jahr ist. Aber vielleicht ist es auch genau andersherum. Im Grunde sind nämlich alle Genannten die Söhne von A Tribe Called Quest, von Q-Tip und Co., und "We Got It From Here" ist dann einfach der logische Höhepunkt. Wenn so eine gute Platte nicht so unwahrscheinlich unwahrscheinlich wäre.

A Tribe Called Quest haben sich fast zwei Jahrzehnte Zeit gelassen

Denn das Problem ist ja nicht nur, dass man als Rapper - was schon schwer genug ist - nicht nachlassen darf. Das Problem ist, dass sich diese nervöse Kunst der rhythmisierten Kampfdampfplauderei noch immer so rasend entwickelt. Wer gerade noch als einer der größten Rapper aller Zeiten gilt, kann - obwohl selbst vielleicht erst Anfang vierzig - im nächsten Moment schon irgendwo auf dem Abstellgleis stehen. Bestenfalls bekommt er als Feature-Clown ein paar Takte auf den Alben der nächsten Generation, siehe Eminem und Lil Wayne. Mit anderen Worten: Auf den Respekt der Fans können die alte Helden immer setzen, es ist nur, je länger nichts Neues kommt, von Gnadenbrot irgendwann kaum noch zu unterscheiden.

A Tribe Called Quest haben sich nun fast zwei Jahrzehnte Zeit gelassen mit neuen Songs. Reiner Zufall war das nicht. Die beiden Kindergartenfreunde und Bandleader Jonathan Davis alias Q-Tip und Malik Isaac Taylor alias Phife Dawg hatten sich nach ihrem gefeierten fünften Album "A Love Movement" Ende der Neunziger zerstritten. Zu viel mehr als zur Denkmalpflege bei gelegentlichen Festival-Auftritten reichte es nicht mehr.

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Schade eigentlich, dachte man sich viel zu lange und kramte das 1990 erschienene Debüt "People's Instinctive Travels and the Paths of Rhythm" heraus, auf dem "Can I Kick It?" zu finden ist, die auf einem Sample aus Lou Reeds "Take A Walk On the Wild Side" basierende Essenz der Idee von A Tribe Called Quest. Man nahm sich wieder die beiden Klassiker "The Low End Theory" (1991) and "Midnight Marauders" (1993) vor und natürlich "Beats, Rhymes And Life" (1996) und "The Love Movement". Und dann staunte man, wie frisch das alles noch klingt; wie unnachahmlich fließend Q-Tip seine Zeilen dahinnäselt, wie Phife Dawg raunt und rollt, und wie darunter nie irgendwelche Standard-Brutalo-Beats die Leichtigkeit kaputtpumpen, sondern ein live eingespieltes Schlagzeug funky rumpelt, hier und da ein gesampeltes Jazz-Klavier oder eine mollige Hammond-Orgel-Phrase klimpert und ein für die damalige Zeit ungewöhnlich tief gelegter Bass die Sache von unten vor sich her massiert.

Und das ist nicht alles. Es gab ja noch das, was man auf dieser Seite des Atlantiks, als weißer Fan aus der Ferne, nur ahnen konnte. Die Kategorie "Conscious Rap" bedeutete ja vor allem erst einmal, dass A Tribe Called Quest keinen Gangster-Rap machten, dessen oft offen misogyne, vor allem aber so ultra-aggressiven wie fatalistischen Selbstbehauptungsgesten mit der eigenen Welt schlicht nichts zu tun hatten. Q-Tip und Co. waren eher albern-verspielt, wenn sie notgeil waren, und eher clever, selbstironisch, nachdenklich und optimistisch, wenn sie politisch wurden.

Und so ist es auf dem neuen Album noch immer. Nur ein bisschen erwachsener. Aber im besten Sinne, also noch dichter, souveräner, ausgefeilter. A Tribe Called Quest haben tatsächlich das Kunststück fertiggebracht, vollkommen sie selbst zu bleiben und trotzdem kein bisschen aus der Zeit gefallen zu klingen. Die Platte hat keine Durchhänger, ist ein geschlossenes Ganzes, ihre eigene Playlist, auf der illustre Kollaborateure wie Busta Rhymes, Talib Kweli, Anderson Paak, Kanye West, Kendrick Lamar, Jack White oder Elton John nicht extra ausgewiesen werden. Sie standen übrigens allesamt - was bei Gastauftritten von Stars dieses Kalibers nicht üblich ist - mit der Band im Studio. Q-Tip bestand darauf.

Einzelne Songs herauszuheben fällt nicht leicht. "The Space Program" und "We The People", die beiden ersten Tracks, sind brillant, ebenso "Conrad Tokyo" oder "Ego". Der smarteste Kommentar zur Lage ist aber vielleicht ganz am Ende "The Donald", in dem es natürlich genau nicht um Donald Trump geht, sondern um die Feier des kurz vor dem Ende der Aufnahmen im März an der Folgen seiner Diabetes-Erkrankung überraschend gestorbenen Phife Dawg. "The Donald" lautete sein Spitzname. So kontert man einen scheinbar übermächtigen Gegner mal eben locker aus.

Diese Band hat Amerika nie zu den Waffen gerufen - ihr Afrozentrismus war subtiler

Aber ist "We Got It From Here" wirklich das erste große Protestalbum der Ära Trump? Kommt drauf an, was man unter einem Protestalbum versteht. Eine wütende Kampfansage voller bitterer Tiraden, Polit-Rap mit Schaum vor dem Mund im Stil von Public Enemy , der auf den kommenden Aufstand aus ist, findet sich auf dem Album nicht. A Tribe Called Quest haben das schwarze Amerika nie zu den Waffen gerufen, damit es sich seinen Teil vom Kuchen hole, und sie tun das auch jetzt nicht.

Als Speerspitze des coolen Afrozentrismus agierte A Tribe Called Quest subtiler und bescheidener. Es ging eher um einen Beitrag zur Bewusstseinsfindung des schwarzen Amerikas, indem sie mithalfen, dessen afrikanische Wurzeln zu rehabilitieren. Der Afrozentrismus, der Afrika anders als die Nachrichten als schön und inspirierend zeigte, habe ihn gelehrt, "stolz auf Afrika zu sein", schrieb der afroamerikanische Schriftsteller Touré in einem Kommentar in der New York Times nach dem Tod von Phife Dawg. A Tribe Called Quest kennenzulernen, habe für ihn als jungen schwarzen Amerikaner bedeutet, sich selbst kennenzulernen.

Und dieser eher philosophischer Geist ist auch der Geist, in dem sich die Band nun zum womöglich letzten Mal mit neuem Material zu Wort meldet. Diese besonnen-kritische Musik, die sich die Laune von dem anderen Donald nicht verderben lassen will, ist in der jetzigen Situation weniger eine Waffe als eine Art geistiges Gegengift. Wie wirkungsvoll das gegen den durch und durch unsubtilen Trumpismus sein kann, wenn der im Januar die Macht in den USA übernimmt, wird sich erst zeigen müssen.

© SZ vom 19.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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