Nachrichten aus dem Netz:Schreib niemals "nie"

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Gerade noch gestoppt: Ein Versicherer wollte die Facebook-Einträge seiner Kunden beobachten. Wer sich nur vage für "abends" verabredet, gelte als unzuverlässig.

Von Michael Moorstedt

Man hat ja eher selten den Eindruck, dass sich Facebook um die Privatsphäre seiner Nutzer sorgt. Umso überraschender kam in der vergangenen Woche die Meldung, dass das soziale Netzwerk einem Versicherungskonzern untersagte, die Profile seiner Mitglieder anzuzapfen. Die britische Admiral-Versicherung hatte vor, die Höhe der Prämien einer Autoversicherung anhand der Facebook-Daten des Versicherungsnehmers zu kalkulieren. Teilnehmer sollten einen Jahresrabatt von bis zu 350 Pfund erhalten. Doch nach Protesten von Datenschutzaktivisten wurde das Programm namens firstcarquote nur Stunden vor seinem offiziellen Start gestoppt.

Die geplante Vorgehensweise klingt dabei wie aus einem Lehrbuch für simple Wenn-dann-Psychologie: Durch Likes und Postings sollte ein Profil der Kunden erstellt werden. Wer in kurzen, klaren Sätzen kommuniziert, sich mit seinen Freunden zu bestimmten Uhrzeiten anstatt einem vagen "abends" verabredet, gilt demnach als gewissenhaft. Wer dagegen viele Ausrufezeichen, oder die Wörter "nie" und "immer" benutzt, würde als vermessen und übermütig eingestuft.

Der Admiral-Plan ist jedoch nur der jüngste Schritt einer Entwicklung, die schon länger im Gange, aber noch längst nicht abgeschlossen ist. Das Prinzip ist das gleiche wie auch in jedem anderen Bereich des Internets: Je mehr seiner Daten man teilt, desto mehr vermeintliche Vergünstigungen erhält man. Neu ist nur, dass dieses Prinzip in immer mehr Lebensbereiche vordringt.

Krankenkassen bezuschussen schon längst Fitnessarmbändchen und Smartwatches, damit die Versicherten sich auch gewissenhaft bewegen. Autoversicherungen bieten sogenannte Telematik-Tarife an. Dafür lässt sich der Autobesitzer ein kleines Kästchen in seinen Wagen installieren, das den Fahrstil misst. Es registriert Strecken, Geschwindigkeit, Vollbremsungen und Tempoverstöße. Anhand des Fahrverhaltens verspricht die Versicherung einen Rabatt auf die nächste Rechnung.

Mit dem Internet der Dinge wird der Tausch "Kontrolle gegen Bequemlichkeit" auf ein neues Level gehoben. Denn smarte Thermostate, internetfähige Glühbirnen oder intelligente Heim-Assistenten bieten einen bislang ungekannten Einblick in die Leben ihrer Benutzer. Kein Wunder, dass die Versicherungsbranche darauf reagiert: Der US-Versicherer State Farm gewährt seinen Kunden einen Preisnachlass auf ein internetbasiertes Canary-Sicherheitssystem, das Bild- und Tonaufnahmen aus der Wohnung aufnimmt. Die Konkurrenz von Liberty Mutual verschenkt gar einen Nest Protect Rauchmelder - Kostenpunkt immerhin hundert Dollar.

All das geschieht natürlich nicht allein aus gutem Willen. Sondern vor allem zur Gewinnmaximierung. Früher oder später, so meinen Branchenbeobachter, mutiere das Sonderangebot zu seinem eigenen Stigma: Wer nicht mitmacht - und damit niemandem einen Einblick in sein Leben gewähren will - der zahlt eben mehr. Und wird ebenso suspekt wie jemand, der in seinen Facebook-Einträgen zu viele Ausrufezeichen benutzt.

© SZ vom 07.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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