Nachrichten aus dem Netz:Ende der Leibeigenschaft

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Eine Studie der Mozilla Foundation zur Internet-Gesundheit warnt: Die Offenheit des Netzes ist bedroht. Immerhin: Einige Aufrechte wehren sich.

Von MICHAEL MOORSTEDT

Es ist ja nicht so, als würde es im Netz - oder anderswo - an schlechten Nachrichten mangeln. In dieser tristen Zeit stellt die Mozilla Foundation, die auch hinter dem offenen Browser Firefox steht, nun ihren ersten "Statusbericht zur Internetgesundheit" vor. Und der bietet, so viel vorab, nicht unbedingt Linderung.

Man solle sich doch bitte, so holen die Autoren aus, das Internet als lebendes Ökosystem vorstellen. Ein sensibles Habitat, das jeden von uns umgibt, eine Atmosphäre, auf die mehr als drei Milliarden Menschen angewiesen sind. Wann immer Start-up-Menschen eine solche Gravitas bemühen, ahnt man, dass es um ihren Gegenstand nicht zum allerbesten bestellt ist.

Die Offenheit und Egalität, die das Internet erst zu jener globalen wie unverzichtbaren Ressource haben werden lassen, seien akut bedroht, warnen die Autoren im Stile von Greenpeace-Aktivisten. Zum Beispiel durch die Quasi-Monopole, die Firmen wie Apple, Google oder Facebook über die Daten ihrer Nutzer haben. Oder dadurch, dass Regierungen weltweit im vergangenen Jahr mehr als 50 Mal den Zugang zum Internet gesperrt haben. Zum Vergleich: Im Jahr 2015 kam es nur zu insgesamt 15 solcher Vorfälle.

Es gibt zum Glück noch ein paar Aufrechte, die gegen den Kahlschlag vorgehen. Immerhin verbleiben die Gründer des Start-ups Blockstack in den Analogien der großen Worte, wenn sie versprechen, an einem "Paralleluniversum" für das Netz, so wie wir es kennen, zu arbeiten. Anstatt auf immer neuen Plattformen immer neue Nutzerkonten zu erstellen und damit immer mehr Firmen Zugriff auf die persönlichen Daten zu geben, werde jeder Nutzer die volle Kontrolle über seine Online-Identität erhalten. Wenn man beschließe, einen Service nicht mehr zu nutzen, könne man ihm ohne Weiteres den Zugang zu seinen Daten entziehen.

Blockstack benutzt dafür die sogenannte Blockchain-Technologie, die auch als Basis der Kryptowährung Bitcoin dient. Das bedeutet, sehr vereinfacht, dass Daten und Identität der Nutzer nicht mehr zentral auf den Servern der Megakonzerne gespeichert werden, sondern stattdessen verteilt und verschlüsselt auf Abertausenden von Computern im Netz.

Mehr Kontrolle, weniger Leibeigenschaft - die Versprechen von Blockstack klingen gut. Noch ist allerdings nicht klar, ob sich die Technologie auch in globalem Maßstab verwenden lässt. Einen prominenten Nutzer hat Blockstack aber bereits, sein Account trägt den Namen timblee. Dahinter verbirgt sich Tim Berners-Lee, der Erfinder des World Wide Web, der in den letzten Jahren zu einer "Redezentralisierung" des Internet aufgerufen hat. Momentan forscht er am Massachusetts Institute of Technology an einem ähnlichen Projekt namens Solid.

Auch das gemeinnützige Internet Archive mit Sitz in einer alten Kirche in San Francisco hat sich der Konservierung von Webseiten verschrieben und erst 2016 eine Konferenzreihe zum "Dezentralen Internet" abgehalten. Ob und wo in diesem Jahr eine Fortsetzung stattfindet, ist noch ungewiss. Nach der Wahl von Donald Trump haben die Macher angekündigt, dass sie nach Kanada umsiedeln.

© SZ vom 30.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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