Michelle Williams über "My Week with Marilyn":Im Innern der Monroe

"Vor allem über Weiblichkeit habe ich einiges gelernt, von der ich ja nicht sehr viel habe": Michelle Williams, die in dem neuen Kinofilm "My Week with Marilyn" die Monroe verkörpert, spricht über Unabhängigkeit, wie sie mit Druck umgeht - und über die Angst, sich zu blamieren.

Anke Sterneborg

Mit blondem Bubikopf und einem Kamelhaarmantel über den schmalen Schultern erinnert Michelle Williams eher an Twiggy als an Marilyn. Immer wieder sucht sie in ihren Antworten nach den richtigen Worten, das erinnert an die nachdenkliche Entschlossenheit, die man in ihren Filmen "Brokeback Mountain" und "Blue Valentine", "Wendy and Lucy" und "Meek's Cutoff" so liebt.

SZ: Was war das für ein Gefühl, als Sie sich darauf einließen, eine der größten Ikonen des 20. Jahrhunderts zu spielen?

Michelle Williams: Zusagen war der leichte Teil. Wenn ich ein Drehbuch lese, geht es mir ähnlich wie im Museum vor einem Bild, das mich berührt, einem Rothko beispielsweise. Da passiert etwas in mir, das ich nicht in Worte fassen kann, ich fühle es - und weiß einfach, dass ich zusage. Erst am nächsten Tag, beim Aufwachen, spürte ich dann das Gewicht auf meinen Schultern. Was mir den Mut gab, bei diesem Ja zu bleiben, war, dass ich nicht Marilyn Monroes Geschichte von Anfang bis Ende erzählen musste. Es geht nur um einen Moment in der Zeit, um ein kleines Fenster auf ihr Leben. Und ich habe diese Entscheidung zu Hause, ganz in Ruhe, getroffen. Ich lebe auf dem Land, sehr ruhig und abgeschieden. Die Außenwelt ist da völlig ausgeschaltet, dort empfinde ich keinen Druck, nehme das Treiben von Hollywood nicht wahr, und fühle mich sicher genug, um kühne Entscheidungen zu treffen.

SZ: In dieser Woche, von der da im Film erzählt wird, geht es um eine Schauspielerin, die mit ihrer Situation und ihren Fähigkeiten hadert - gab es da Berührungspunkte?

Williams: Einen Film über die Oberfläche von Marilyn zu machen, über das Idol Marilyn, hätte mich nicht interessiert. Was wir aber nicht wissen, ist, wie sich das von innen angefühlt hat. Unter dem Mythos, der Legende, steckt ein Mädchen, das in diesem Moment an der Schwelle steht, zur richtigen Frau zu werden. Sie ist dreißig und hat die kühne Entscheidung getroffen, nach London zu gehen und dort mit dem größten Schauspieler ihrer Zeit zu arbeiten, unter dem Banner ihrer eigenen Produktionsfirma. Dieser Moment birgt ungeheure Möglichkeiten: endlich den Respekt zu bekommen, nach dem sie sich sehnte. Eine ernsthafte Schauspielerin und Mutter zu werden, das waren ihre sehnlichsten Wünsche.

SZ: Zugleich thematisiert der Film die Mechanismen des Ruhms, die inzwischen auch ein Teil Ihres Lebens sind . . .

Williams: Schon . . ., aber von dem Level von Berühmtheit, mit dem sie konfrontiert war, bin ich weit entfernt. Ich habe entschieden dafür gesorgt, dass da, wo ich lebe, alles sehr ruhig und klein bleibt. Mich haben zum Glück immer kleinere Projekte angezogen. Auch "My Week with Marilyn" ist, trotz Stars wie Kenneth Branagh, ein kleiner, mit sehr wenig Geld produzierter Film. Das war kein komfortabler, gemütlicher Dreh - groß wurde die Sache erst im Nachhinein, durch die Aura von Marilyn.

SZ: Gab es irgendwann den Moment, an dem Sie das Gefühl hatten, den Kern von Marilyn erfasst zu haben?

Williams: Nein, überhaupt nicht. . . Das käme mir auch überheblich vor. In gewisser Weise stirbt die Arbeit damit ab, weil man dann aufhört, neugierig zu sein und zu lernen. Vor dieser Art Selbstvertrauen habe ich irgendwie Angst - sich behaglich einrichten in einer Rolle, da hätte ich das Gefühl, träge zu werden. In den Momenten zwischen "Action!" und "Cut!" muss man locker sein, weitgehend unbewusst agieren. Doch sonst ist es mir lieber, in Wartestellung zu sein, in einem leichten Angstgefühl.

SZ: Sie haben sich schon mit 15 Jahren Ihre legale Mündigkeit erstritten, was einiges über Ihre Stärke und Unabhängigkeit verrät. Wie passt das zu den verwundbaren Figuren, mit denen Sie berühmt geworden sind?

Williams: Ich war immer eigensinnig und rebellisch, ich lasse mir nicht gern sagen, was ich tun soll. Schon als Teenager - genau darum ging es bei dieser Emanzipation von meinen Eltern. Wie das mit der Verwundbarkeit zusammenpasst, weiß ich nicht, sind da nicht immer Gegensätze im Spiel? Ich bin jemand, der die Dinge nie bis zum Ende durchdenkt, ich treffe Entscheidungen, ohne an die Langzeitfolgen zu denken. Ich wollte damals einfach nur auf mich allein gestellt sein und Schauspielerin werden. Und heute habe ich auch nicht darüber nachgedacht, wie furchtbar peinlich es werden könnte, die Monroe zu spielen.

SZ: Woher wussten Sie so früh schon, dass Sie Schauspielerin werden wollten?

Williams: Mit acht Jahren habe ich eine Laientheater-Aufführung besucht und alles daran geliebt - nicht nur das, was ich auf der Bühne sah, sondern das ganze Drumherum! Man konnte die Rohre aus der Decke hängen sehen, man konnte die Schauspieler von der Bühne abgehen und über die Treppe in ihre Garderoben hochgehen sehen, man spürte den Teamgeist! Ich hatte mich an meinen Stuhl gekrallt, als würde er jeden Moment abheben - und seitdem wollte ich Schauspielerin werden.

SZ: Was ist das Wichtigste, das Sie von der Beschäftigung mit Marilyn gelernt haben?

Williams: Oh, das ist schwer zu sagen, ich habe so viel gelernt, als Mensch und als Schauspielerin. Vor allem über Weiblichkeit habe ich einiges gelernt, von der ich ja nicht sehr viel habe. Normalerweise wirke ich bei der Arbeit wie ein Kickball, vermittle den Eindruck, stark und widerstandsfähig zu sein, keine Hilfe zu brauchen. Da das jedoch Eigenschaften sind, die Marilyn nicht ausstrahlt, musste ich sie unterdrücken, und mich stattdessen mit dem Gefühl anfreunden, dass sich andere um mich kümmern.

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