"Maybrit Illner": Talk über Obama:Genscher takes it all

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Bei Maybrit Illner sollte die politische Zukunft Barack Obamas bewertet werden. Wurde sie aber nicht. Stattdessen spielten Genscher und Gottschalk alle an die Wand.

Carsten Matthäus

Maybrit Illner hat ein Experiment gemacht. Man nehme das politisches Urgestein Hans-Dietrich Genscher, den ZDF-Wettpapst Thomas Gottschalk, den Afghanen-Versteher Jürgen Todenhöfer und packe noch etwas junges Gemüse dazu (eine konservative amerikanische Jungjournalistin und einen netten rothaarigen Jurastudenten). Heraus kommt, wie kaum anders zu erwarten: der gemeinsame Wunsch nach Weltfrieden. Und, dass man Obama toll findet.

Der Präsident als Superman: Barack Obama auf einem Poster in Los Angeles (Foto: Foto: AFP)

"Der hat Harvard mit 'ner Eins gemacht", sagt der Thomas, der immer mehr wie Wolfgang Petri aussieht, dem man aber in Sachen Amerikaner gar nichts vormachen kann. Gottschalk weiß alles über die da drüben.

Zur Wahl: "Die standen da vier Stunden im Regen und da sind denen noch die Wahlzettel aufgeweicht." Zum Verhalten von Obamas politischen Gegnern: "Die sind nicht solche Grabenkämpfer."

Zu Parteitagen: "Wenn du die Conventions siehst, ist das Kasperltheater."

Zum Patriotismus: "Die spielen vor jedem Minigolfspiel die Hymne."

Und überhaupt komme er ja immer ein paar Tage vor seiner "Wetten, dass..?"-Sendung nach Deutschland, "um runterzukühlen".

Worte wie Gold

Was er mit diesem Geschwätz zur Sendung beiträgt, weiß keiner so genau, ist aber auch egal. Gottschalk macht allerdings etwas, das die Sendung zu einer kleinen Sternstunde werden lässt. Er aktiviert das Urgestein.

Er sagt den folgenden Satz: "Der Genscher ist ja einer, der bei den Menschen Emotionen geweckt hat." Der Genscher hört zunächst reglos zu, als fühle er sich auf die Schippe genommen.

Dann aber gibt der Senior nochmal alles. Er redet sich in Rage und sagt eigentlich auch nicht viel mehr als "Weltfrieden", aber er macht das mit so viel Inbrunst, dass Maybrit Illner nur noch perplex zuhören kann und ihr sonst so nervendes "Mmhh" vergisst.

Worte wie Gold: "Ich möchte dem Terror die Grundlage entziehen, durch Zusammenarbeit! Die Welt besteht nicht nur aus Amerika und Europa! Diese Welt ist eine einzige Gemeinschaft, wir haben ein gemeinsames Schicksal! Die Zeit ist vorbei, wo ein oder mehrere Staaten sagen können, was der Rest der Welt zu tun hat!"

Seine Sätze schreit er fast heraus, als müsste er vor 20.000 Menschen an der Berliner Siegessäule eine Wahlkampfrede halten. Einer der Studiozuschauer steht schon auf, um dem nächsten Präsidenten zu huldigen, setzt sich dann aber wieder hin.

Die Jungjournalistin und ihr Vorbild Palin

Nach solch einem Auftritt kann es keine Steigerung mehr geben. Jürgen Todenhöfer, bemüht sich redlich, für einen neuen Friedensprozess in Afghanistan zu werben, doch da beschwört Genscher schon wieder die neuen Gipfel der Weltfriedenspolitik.

Die amerikanische Jungjournalistin - Heather DeLisle heißt sie - versucht noch, sich interessant zu machen, indem sie Sarah Palin als ihr persönliches Vorbild bezeichnet, aber das nimmt ihr keiner so recht ab.

Genscher trägt ihr väterlich auf, dem amerikanischen Volk zu sagen, man sei bei aller Kritik an George W. Bush den Amerikanern immer sehr verbunden gewesen. Und der rothaarige Jurastudent Lucas Brost nennt Obama einen "Weltpräsidenten" und hat damit seine Schuldigkeit getan.

Alles in allem eine durchaus unterhaltsame Sendung. Inhaltlich scheiterte Maybritt Illner allerdings an ihrem eigenen Experiment. Sie musste über weite Strecken zuhören, was sie im Fernsehen sehr ungern tut.

Erst vier Minuten vor Schluss schaffte sie es, die Diskussion auf das eigentlich Thema zu lenken: die riesigen Probleme, mit denen die Regierung Obama konfrontiert sein wird.

Jeder sagte dazu noch einen belanglosen Satz, die Moderatorin endete mit dem belanglosesten aller Moderatorensätze: "Wir alle können sagen, wir sind dabei gewesen."

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