"Man lernt nie aus" im Kino:Männchen für alles

Lesezeit: 3 min

Der Hospitant 2.0: In "Man lernt nie aus" steigt Robert De Niro als Hilfskraft in einem Internet-Start-Up ein. (Foto: Warner)

Robert De Niro betätigt sich in "Man lernt nie aus" als Praktikant bei Anne Hathaway. Natürlich dominiert der Star die Komödie - vermutlich könnte er auch das Telefonbuch verfilmen.

Von Fritz Göttler

Robert De Niro macht sich angenehm mausig in diesem Film. Graues Haar, grauer Anzug, immer ein Einstecktuch parat, und eine unaufdringliche Sparsamkeit im Gesichtsausdruck. Immer das gleiche freundliche Grinsen, manchmal ein höflich-steifes Wackeln mit dem Kopf, und das alles verrutscht nur mal bei einem unerwarteten kleinen Orgasmus unter der Schreibtischfläche. Er agiert in diesem Film mit der gleichen energischen Radikalität, mit der er sich seinerzeit den "Raging Bull" angefressen hat oder die pathologische Verschlagenheit einsetzte in den Focker-Familien-Filmen.

Robert De Niro ist Ben Whittacker, ein Rentner und Witwer, einsam in seiner gutbürgerlichen und leer gewordenen Wohnung. Daher ist er bereit, sich als "Intern" - so der Originaltitel des Films - zur Verfügung zustellen: als Senioren-Praktikant in dem erfolgreichen Fashion-Start-up-Unternehmen von Jules Ostin: About the Fit.

Anne Hathaway ist Jules, sie ist voll dynamisch und, wie viele New Yorker Start-up-Youngster, geradezu panisch kontrollversessen. Am liebsten würde sie jedem Kunden selbst seine Bestellung ausliefern. Sie soll einen Geschäftsführer an die Seite kriegen, zur Entlastung, aber das macht sie erst mal ziemlich nervös. Jules hat eine Ehe, die zu schön ist, um wahr zu sein, einen Mann, der die Karriere aufgab, um das Haus zu versorgen und das Töchterchen, das schon mal ein paar Anzeichen von Altklugheit erkennen lässt.

Was Nancy Meyers eher nervt, sind die Männer heute, die sich immer infantiler entwickeln

Natürlich sieht man das spontan auch wie ein Kontraststück zu "Der Teufel trägt Prada", der ebenfalls in der Modewelt spielte und in dem Meryl Streep den Domina-Typ einer Chefin verkörperte, von der die junge Hathaway damals lernen sollte. Nancy Meyers, die das Drehbuch schrieb und Regie führte, ist bekannt und erfolgreich geworden mit ihren Komödien über ältere Frauen: Diane Keaton zum Beispiel, in "Was das Herz begehrt/Something's Gotta Give", mit Jack Nicholson. Oder Meryl Streep in "Wenn Liebe so einfach wäre/It's Complicated", mit Steve Martin.

Meyers zeigt, wie sie sich auf die Jagd nach dem Glück machen, in und jenseits der Ehe, und sich mit den Rollenklischees herumschlagen, mit denen die amerikanische Gesellschaft sie konfrontiert. Manchmal musste Meyers Jahre warten, bis sie ein neues Projekt durchbringen konnte. Sie kämpft mit ihren Filmen auch für eine bessere Stellung der Frauen hinter den Kameras von Hollywood. Da hat sich einiges verbessert, sagt sie, seitdem es mehr Frauen in den Exekutivriegen der Produktionsfirmen gibt.

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Was sie eher enervierend findet, sind die Männer heute, die stolz darauf sind, sich immer infantiler zu entwickeln - solche finden sich ziemlich zahlreich in der hippen Firma dieses Films. Praktikant Ben nimmt sie sich gerne vor, weiß Trost und Rat für alles, praktisch und emotional, oder hat einen Schlafplatz bereit. Er ist zu Diensten, immer und überall, holt Kaffee für die andern und macht den Chauffeur für Jules. Spott und Skepsis der anderen gleiten an ihm ab, wie seinerzeit an Travis Bickle oder Rupert Pupkin, dem "King of Comedy" - den beiden De-Niro-Figuren, denen Ben am meisten gleichkommt. Anders als diese beiden hat Ben keine Mission, die er partout erledigen will - aber seine reine Präsenz hat etwas Missionarisches. Deshalb wollte man in Amerika dem Film seinen sachten Feminismus nicht recht abnehmen - sollte wirklich hinter jeder unabhängigen Frau doch wieder ein alter Mann mit all seinen Erfahrungen stehen?

In De Niro aber, dem Anti-Patriarchen par excellence, feiert der Film verlorene Tugenden und Techniken. Das Telefonbuch zum Beispiel, das dicke, gedruckte, augenpulvrige, dessen Herstellung er Jahrzehnte gemanagt hatte. Was für ein Kontrast zur springlebendigen Fashion in Jules' Unternehmen.

Hängen geblieben in "Singin' in the Rain"

Auf einer Dienstreise nach San Francisco liegen Ben und Jules eines Nachts in ihrem Hotelzimmer auf dem Bett, in den weißen Hotelbademänteln, die ihnen die Individualität nimmt, sie anonym macht, einander gleich. Sie ist müde und unsicher und verzweifelt, hat von ihm Rat gesucht. Er hat den Fernseher eingeschaltet, ist mitten in "Singin' in the Rain" hängen geblieben, der Szene, in der Gene Kelly Debbie Reynolds seine Liebeserklärung macht. "The angels must have sent you . . ." Ben wischt sich diskret eine Träne von der Backe.

Von der Liebe handelt die amerikanische Komödie seit den Dreißigern in all ihren Varianten, aber von der Liebe als gesellschaftlicher Kraft, die immer zusammen funktioniert mit anderen gesellschaftlichen Formen, angefangen mit der Arbeit. Weshalb oft die klassische Paarbeziehung und ihre Rollenverteilung sublimiert, pervertiert, ganz aufgegeben werden. Irgendwann ist die Start-up-Gemeinde dann zum richtigen Clan geworden. Dem Whittacker-Clan.

The Intern, USA 2015 - Regie, Buch: Nancy Meyers. Kamera: Stephen Goldblatt. Schnitt: Robert Leighton. Musik: Theodore Shapiro. Mit: Robert De Niro, Anne Hathaway, Rene Russo, Adam DeVine, Anders Holm, JoJo Kushner, Andrew Rannells, Zack Pearlman, Jason Orley. Warner, 121 Minuten.

© SZ vom 24.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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