Literaturnobelpreis:Die Schwedische Akademie zerfleischt sich weiter

Die Schwedische Akademie in Stockholm

Bis jetzt lässt die Akademie keine Gelegenheit aus, sich selbst zu ruinieren.

(Foto: picture alliance / dpa)

Mit der Absage des diesjährigen Nobelpreises sollte das Komitee eigentlich beginnen, sich neu zu ordnen. Aber im edelsten Gremium des Literaturbetriebs toben die bösen Geister.

Von Thomas Steinfeld

Mehr als zwei Wochen währte die Pause im fortlaufenden Skandal um die Schwedische Akademie: Der Literaturnobelpreis für das Jahr 2018 war abgesagt, die Zeit zur Neuordnung schien gekommen. Doch nun toben sie wieder, die bösen Geister im edelsten Gremium, das es innerhalb des literarischen Betriebs gibt.

Am Dienstagabend veröffentlichten drei Mitglieder der Akademie, die im Laufe des Skandals ihre Funktionen vorläufig aufgegeben hatten, aber nicht formell ausgeschieden waren, einen Brief an die Rest-Akademie: Sie könnten sich eine Rückkehr vorstellen, um die Institution zu retten, doch nur unter der Bedingung, dass eines der im Amt verbliebenen Mitglieder, nämlich der Literaturkritiker Horace Engdahl, seinen Sitz in der Akademie aufgebe. Dieser antwortete postwendend: Die Hobbys der ausgeschiedenen Mitglieder interessierten nicht. Er sei auf Lebenszeit zum Mitglied der Akademie bestimmt, und er gedenke, es bis zu seinem Tod zu bleiben.

Dem Brief unmittelbar vorausgegangen war die Veröffentlichung einer Recherche in der Stockholmer Tageszeitung Dagens Nyheter. Sie gilt den Auseinandersetzungen innerhalb der Akademie, die im April zum Auseinanderbrechen des Gremiums geführt hatten. Deutlich wird darin die zentrale Rolle, die Horace Engdahl bei diesen Konflikten spielte: Nach Bekanntwerden der Vorwürfe, im Umkreis der Akademie sei es in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder nicht nur zu sexuellen Übergriffen, sondern auch zu privaten Vorteilsnahmen ökonomischer Art gekommen, hatte die Literaturwissenschaftlerin Sara Danius, damals Ständige Sekretärin der Akademie, ein Anwaltsbüro mit der Untersuchung und der juristischen Bewertung dieser Vorwürfe beauftragt.

Dabei hatte Danius möglicherweise ihre Kompetenzen als Ständige Sekretärin überschritten. Als das Gutachten dann Ende Februar vorlag und das Anwaltsbüro darin die Vorwürfe für justitiabel erklärte, verlangte Horace Engdahl, das Gutachten für nichtig zu erklären - offenbar, um das so beschuldigte Mitglied der Akademie, die Lyrikerin Katarina Frostenson, und deren Mann vor Strafverfolgung zu schützen. Engdahl ist mit beiden erklärtermaßen befreundet. Das Vorgehen der Ständigen Sekretärin verglich er mit der Inquisition. Daraufhin brach die Akademie auseinander.

Achtzehn Mitglieder soll die Akademie haben, zwölf Mitglieder braucht es, um wichtige Entscheidungen zu treffen - also etwa neue Mitglieder zu bestimmen oder einen Nobelpreisträger zu küren. Im Augenblick hat die Akademie noch zehn aktive Mitglieder, weswegen das Junktim der drei vorläufig ausgeschiedenen Mitglieder durchaus von Belang ist. Nun behaupteten zwar die zehn, die Zwölfer-Regel gelte nur bei voller Besetzung - doch widerspricht dieser Interpretation dem Hof, der am Mittwochnachmittag bekannt gab, die Zwölfer-Regel bleibe verbindlich. Eigentlich müsste nun den Abtrünnigen der Kopf des äußerst selbstbewussten Horace Engdahl auf dem Tablett serviert werden. Aber ob das so kommt? Bis jetzt hat die Akademie keine Gelegenheit ausgelassen, sich selbst zu ruinieren.

Schon hat Engdahl mitgeteilt, die Ansichten des Hofes seien für die Akademie ohne Belang.

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