Literatur:Schattenexistenz in der Vierflüssestadt

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Der Kabarettist Sigi Zimmerschied hat seinen ersten Roman "Der Komparse" geschrieben. Seine Geschichte um den konsequent erfolglosen Fadinger stellt er in der Lach- und Schießgesellschaft vor

Von Oliver Hochkeppel

Blitzlicht hatte das Leben für Stephan nicht parat. Es fiel ihm unendlich schwer, sich aus seiner Unauffälligkeit herauszuschälen und es wenigstens als Schatten zu einer Art Persönlichkeit zu bringen." So beschreibt Sigi Zimmerschied die Hauptfigur seines ersten Romans "Der Komparse". Ein Faschingsunfall, ein von der egozentrisch-übermächtigen Mutter und dem diesem Leben entflohenen Vater zum wandelnden Grau Degradierter und in einer Behörde abgestellter Mensch, der auch noch Fadinger heißt, ist das. Doch der Passauer Kabarettist, Autor, Filmemacher und Schauspieler Sigi Zimmerschied packt in und um dieses Nichts alles, was man von ihm gewohnt ist. Und mehr.

Es beginnt mit der Enge der nie namentlich genannten "Vierflüssestadt", mit ihren monströsen niederbayerischen Figuren, die hier als Fadingers Verwandtschaft und Bekanntschaft aufmarschieren: Vom "hantigen Gust", dem Frauenschläger, über den vom Geiz zerfressenen Pennermillionär Onkel Alfred bis zur der asketisch-esoterisch-verhärmten Tante Herta. Nicht nur mit diesem Personal malt Zimmerschied die zunächst erschütternd "fade" Biografie seines Anti-Helden ausführlich aus. Er lässt auch die Zeitgeschichte mitlaufen, entwirft die passenden historischen Panoramen aus politischer Großwetterlage, Zeitgeist und Popmusik-Geschichte, in die sich die kleinstädtischen Verflechtungen von Physiognomie, Lokalpolitik und Wirtschaft einbetten. Fahrt nimmt das Geschehen auf, als dieser Stephan Fadinger durch eine alte adelige Agentin aus dieser Schattenexistenz gerissen wird: als Komparse. Zunächst als Mitglied einer "Kioskgruppe" in einer Vorabendserie ergreift ihn erstmals das Gefühl von Bedeutung und Bestimmung. Das gespielte Leben wird das wahre, und Zimmerschied lässt seinen Protagonisten nacheinander auch den ganzen Kanon der modernen TV-Monströsitäten abklappern, von der Quiz-Sendung über die Anwaltsserie und der Kochshow bis zum Religionsschinken und Liebesfilm. Stets gelingt Fadinger per Zufall einunerwarteter Erfolg, der ihn kurzfristig ins Rampenlicht katapultiert. Doch schnell lässt der Erfolg wieder nach, und jedesmal ist die Fallhöhe größer. So wird das "Gift der virtuellen Popularität" zur Droge, die ihn zerstört. Unter kräftiger Mithilfe seiner vielen kurzzeitigen Förderer und Verehrer.

Sprachmächtig, sorgsam aufeinander aufbauend und natürlich mit viel bösem Witz erzählt Zimmerschied seine tragikomische Geschichte, in der sich vieles wiedererkennen oder auch nur wiedervermuten lässt. Als Leser fehlt einem nur noch, dass es Zimmerschied selbst in seiner unnachahmlichen Berserker-Art liest - was er nun bei der Präsentation in der Lach- und Schießgesellschaft auszugsweise (393 Seiten sind es immerhin) tun wird.

Sigi Zimmerschied: Der Komparse , www.sigi-zimmerschied.de; Lesung: Montag, 12. Juni, 20 Uhr, Lach- und Schießgesellschaft, Ursulastraße 9

© SZ vom 10.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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