Kurzkritik:Ensemblekunst

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Das Artemis Quartett im Prinzregententheater

Von Harald Eggebrecht, München

Das erste Stück dieses Abends, Joseph Haydns G-Dur-Quartett op. 76,1, gelang so champagner-frisch, direkt und frei, dass es alle sofort mitriss. Wie das Artemis-Quartett nicht irgendwie anfing, sondern vom ersten Einsatz des Violoncellos elektrisierend da war, wie sich die vier federnd und kraftvoll bewegten in Haydns Musik, die gleichsam nur Knochen, Muskeln, Sehnen, Bänder ohne jedes Fett kennt, so dass gewissermaßen ein genau definierter Körper entsteht - es bereitete helles Vergnügen, die Gestaltwerdung dieses so elastischen, bewegungsreichen, zu jeder Überraschung fähigen Körpers zu erleben! Besser, das heißt artikulierter, pointierter, aktiver, genauer in der Phrasierung, Vibrato-Kultur und vitaler im inspirierenden Miteinander kann man das nicht bieten.

Das Ensemble hat sich nach dem tragisch frühen Tod von Friedemann Weigle wieder neu orientieren, oder wie es der Cellist Eckart Runge sagt, wieder neu erfinden müssen. Neben dem Gründungsmitglied Runge und der glänzenden Primaria Vineta Sareika spielt jetzt der bisherige zweite Geiger Gregor Sigl auf Weigles Viola, seine Position nimmt die dazugekommene Amerikanerin Anthea Kreston ein. Wolfgang Rihms schwermütig stockendes, sich aus Fragmenten steigerndes und zurücksinkendes "Grave - in memoriam Thomas Kakuska", dem einstigen Bratscher des Alban Berg Quartetts, sollte gewiss auch musikalisches Epitaph für Friedemann Weigle sein. Es begann intensiv zart und bezwingend, bis Sigl eine Saite riss. Leider entschlossen sich die Musiker nicht zum Neuanfang, sondern setzten kurz vor der Havarie wieder ein. Der innere Zusammenhang des Stückes wollte sich nun nicht mehr recht herstellen lassen. In Robert Schumanns op. 41, 3 brillierte die Formation, die im Timbre heller klingt als früher. Wie diese Musiker in allen virtuosen, melodiösen, strukturierenden Belangen präsent sind, reaktionsschnell und hellwach in der Kommunikation - das ist höchste Quartettkunst.

© SZ vom 25.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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